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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Werke aber fallen allmählig der Vergessenheit anheim. Selten besucht ein
Fremder den Würzburger Bischofspalast -- und wer kennt das Schloß
zu Bruchsal?

Wer Süddeutschland bereist hat, der erinnert sich wohl an den Bruch-
saler Bahnhof. Hier ist einer der wichtigsten Eisenbahnknotenpunkte in Ba¬
den für die Reisenden, die aus dem Württembergischen kommen, oder dorthin
fahren wollen. Sehr häusig sind sie genöthigt, hier einige Stunden auf
Weiterbeförderung zu warten. Man kann sich denken, wie würde sich der
Wandrer freuen, wenn er diese Zeit anders zubringen könnte, als mit Spa¬
zierengehen, oder am Bahnhofsbüffet; aber Baedeker und seine College" mel¬
den nur von dem dortigen Zellengefängniß, das allerdings musterhaft in seiner
Art sein soll, aber für harrende Schwaben und andere Reisende doch ein etwas unge¬
müthlicher Zeitvertreib. Die Touristenwelt kann deshalb einstweilen der Behörde
nur dankbar sein, wenn diese vor einigen Wochen die Aufmerksamkeit eines
Karlsruher Künstlers auf das in Bruchsal gelegene, ehemals bischöflich
Speiersche Residenzschloß hinlenkte, indem sie den Plan faßte, dasselbe wesentlich
umzubauen und das katholische Lehrerseminar von Ettlingen dorthin zu
verlegen. --

Wir brauchen übrigens auch noch nicht alle Hoffnung aufzugeben, daß
uns der neuentdeckte Bau dauernd erhalten bleibe, denn die sich für das Denk¬
mal interessirenden Kunstfreunde Badens haben einen mächtigen Bundesge¬
nossen gefunden im Magistrat der Stadt Ettlingen, welcher eine Summe von
30,000 si. für die Vergrößerung des dortigen Seminargebäudes angeboten
haben soll, um dessen Verlegung zu verhindern. Das Verdienst, zuerst schrift¬
lich für die Erhaltung des Gebäudes gewirkt zu haben, hat aber Fr. Pecht,
der in einem Artikel der "A. A. Z." in schlagender Weise auf die Bedeutung
dieses Schlosses in der Reihe der Denkmäler jener Zeit aufmerksam machte.
Es ist ein Bau aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, dessen unscheinbares,
ja ärmliches Aeußere erklärlich scheinen läßt, daß es so lange unbeachtet blieb,
während die innere Decoration die ganze Herrlichkeit jener für die Stylge-
schichte fo interessanten Periode entfaltet/

Gleich beim Eintritt in das mächtige Treppenhaus zeigen Grundriß und
Aufbau an, daß wir es hier mit einer höchst originellen Schöpfung zu thun
haben. Mitten im Alles umschließenden Kuppelbau liegt eine runde gewölbte
Halle von der Höhe des ersten Stocks. Sie trägt eine Plattform, welche man
betritt, nachdem man die doppelarmige, sich um diesen Kernbau legende Treppe
erstiegen hat. Nun befindet man sich auf einmal mitten unter einer Riesen¬
kuppel, welche von den weißen Marmorwänden und blassen röthlich-violetten
Mahlern in feurigster Farbenpracht aufsteigt. Nach vorne sieht man durch
drei rundbogige Oeffnungen hinein in den großen Festsaal und durch diesen


Werke aber fallen allmählig der Vergessenheit anheim. Selten besucht ein
Fremder den Würzburger Bischofspalast — und wer kennt das Schloß
zu Bruchsal?

Wer Süddeutschland bereist hat, der erinnert sich wohl an den Bruch-
saler Bahnhof. Hier ist einer der wichtigsten Eisenbahnknotenpunkte in Ba¬
den für die Reisenden, die aus dem Württembergischen kommen, oder dorthin
fahren wollen. Sehr häusig sind sie genöthigt, hier einige Stunden auf
Weiterbeförderung zu warten. Man kann sich denken, wie würde sich der
Wandrer freuen, wenn er diese Zeit anders zubringen könnte, als mit Spa¬
zierengehen, oder am Bahnhofsbüffet; aber Baedeker und seine College» mel¬
den nur von dem dortigen Zellengefängniß, das allerdings musterhaft in seiner
Art sein soll, aber für harrende Schwaben und andere Reisende doch ein etwas unge¬
müthlicher Zeitvertreib. Die Touristenwelt kann deshalb einstweilen der Behörde
nur dankbar sein, wenn diese vor einigen Wochen die Aufmerksamkeit eines
Karlsruher Künstlers auf das in Bruchsal gelegene, ehemals bischöflich
Speiersche Residenzschloß hinlenkte, indem sie den Plan faßte, dasselbe wesentlich
umzubauen und das katholische Lehrerseminar von Ettlingen dorthin zu
verlegen. —

Wir brauchen übrigens auch noch nicht alle Hoffnung aufzugeben, daß
uns der neuentdeckte Bau dauernd erhalten bleibe, denn die sich für das Denk¬
mal interessirenden Kunstfreunde Badens haben einen mächtigen Bundesge¬
nossen gefunden im Magistrat der Stadt Ettlingen, welcher eine Summe von
30,000 si. für die Vergrößerung des dortigen Seminargebäudes angeboten
haben soll, um dessen Verlegung zu verhindern. Das Verdienst, zuerst schrift¬
lich für die Erhaltung des Gebäudes gewirkt zu haben, hat aber Fr. Pecht,
der in einem Artikel der „A. A. Z." in schlagender Weise auf die Bedeutung
dieses Schlosses in der Reihe der Denkmäler jener Zeit aufmerksam machte.
Es ist ein Bau aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, dessen unscheinbares,
ja ärmliches Aeußere erklärlich scheinen läßt, daß es so lange unbeachtet blieb,
während die innere Decoration die ganze Herrlichkeit jener für die Stylge-
schichte fo interessanten Periode entfaltet/

Gleich beim Eintritt in das mächtige Treppenhaus zeigen Grundriß und
Aufbau an, daß wir es hier mit einer höchst originellen Schöpfung zu thun
haben. Mitten im Alles umschließenden Kuppelbau liegt eine runde gewölbte
Halle von der Höhe des ersten Stocks. Sie trägt eine Plattform, welche man
betritt, nachdem man die doppelarmige, sich um diesen Kernbau legende Treppe
erstiegen hat. Nun befindet man sich auf einmal mitten unter einer Riesen¬
kuppel, welche von den weißen Marmorwänden und blassen röthlich-violetten
Mahlern in feurigster Farbenpracht aufsteigt. Nach vorne sieht man durch
drei rundbogige Oeffnungen hinein in den großen Festsaal und durch diesen


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[0228] Werke aber fallen allmählig der Vergessenheit anheim. Selten besucht ein Fremder den Würzburger Bischofspalast — und wer kennt das Schloß zu Bruchsal? Wer Süddeutschland bereist hat, der erinnert sich wohl an den Bruch- saler Bahnhof. Hier ist einer der wichtigsten Eisenbahnknotenpunkte in Ba¬ den für die Reisenden, die aus dem Württembergischen kommen, oder dorthin fahren wollen. Sehr häusig sind sie genöthigt, hier einige Stunden auf Weiterbeförderung zu warten. Man kann sich denken, wie würde sich der Wandrer freuen, wenn er diese Zeit anders zubringen könnte, als mit Spa¬ zierengehen, oder am Bahnhofsbüffet; aber Baedeker und seine College» mel¬ den nur von dem dortigen Zellengefängniß, das allerdings musterhaft in seiner Art sein soll, aber für harrende Schwaben und andere Reisende doch ein etwas unge¬ müthlicher Zeitvertreib. Die Touristenwelt kann deshalb einstweilen der Behörde nur dankbar sein, wenn diese vor einigen Wochen die Aufmerksamkeit eines Karlsruher Künstlers auf das in Bruchsal gelegene, ehemals bischöflich Speiersche Residenzschloß hinlenkte, indem sie den Plan faßte, dasselbe wesentlich umzubauen und das katholische Lehrerseminar von Ettlingen dorthin zu verlegen. — Wir brauchen übrigens auch noch nicht alle Hoffnung aufzugeben, daß uns der neuentdeckte Bau dauernd erhalten bleibe, denn die sich für das Denk¬ mal interessirenden Kunstfreunde Badens haben einen mächtigen Bundesge¬ nossen gefunden im Magistrat der Stadt Ettlingen, welcher eine Summe von 30,000 si. für die Vergrößerung des dortigen Seminargebäudes angeboten haben soll, um dessen Verlegung zu verhindern. Das Verdienst, zuerst schrift¬ lich für die Erhaltung des Gebäudes gewirkt zu haben, hat aber Fr. Pecht, der in einem Artikel der „A. A. Z." in schlagender Weise auf die Bedeutung dieses Schlosses in der Reihe der Denkmäler jener Zeit aufmerksam machte. Es ist ein Bau aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, dessen unscheinbares, ja ärmliches Aeußere erklärlich scheinen läßt, daß es so lange unbeachtet blieb, während die innere Decoration die ganze Herrlichkeit jener für die Stylge- schichte fo interessanten Periode entfaltet/ Gleich beim Eintritt in das mächtige Treppenhaus zeigen Grundriß und Aufbau an, daß wir es hier mit einer höchst originellen Schöpfung zu thun haben. Mitten im Alles umschließenden Kuppelbau liegt eine runde gewölbte Halle von der Höhe des ersten Stocks. Sie trägt eine Plattform, welche man betritt, nachdem man die doppelarmige, sich um diesen Kernbau legende Treppe erstiegen hat. Nun befindet man sich auf einmal mitten unter einer Riesen¬ kuppel, welche von den weißen Marmorwänden und blassen röthlich-violetten Mahlern in feurigster Farbenpracht aufsteigt. Nach vorne sieht man durch drei rundbogige Oeffnungen hinein in den großen Festsaal und durch diesen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/228>, abgerufen am 28.09.2024.