Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.Gründen womöglich weltliche -- Professur zurückziehen. Natürlich würde Neben der Kirchenfrage beschäftigt die Organisation von Elsaß und Loth¬ Gründen womöglich weltliche — Professur zurückziehen. Natürlich würde Neben der Kirchenfrage beschäftigt die Organisation von Elsaß und Loth¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0166" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125948"/> <p xml:id="ID_539" prev="#ID_538"> Gründen womöglich weltliche — Professur zurückziehen. Natürlich würde<lb/> dann die Curie nur einem Jnfallibilisten die Confirmation als Nachfolger in<lb/> der Bischofswürde ertheilen und so — nach den bisherigen Aeußerungen der<lb/> Regierung — die Verkündigung des neuen Dogma's in Württemberg keinen<lb/> weiteren Widerstand erfahren, da wohl auch die Tübinger katholische Facul-<lb/> tät dem von Haneberg und Genossen in München gegebenen Beispiel folgen<lb/> würde. Man macht jetzt überall dieselbe Erfahrung wie vor 30 Jahren, als<lb/> Hefele noch jünger und einer der eifrigsten Stürmer gegen den duldsamer<lb/> und friedliebenden Bischof Keller von Rottenburg war, daß nämlich der<lb/> jüngere Klerus auf dem Lehrstuhl wie in der Seelsorge sich in römischer Ge¬<lb/> sinnung überbietet, die älteren, in Amt und Würde befindlichen Kleriker da¬<lb/> gegen sich zwar von diesem Fanatismus abwenden, aber auch aus ihrer nach<lb/> beiden Seiten beliebten passiven Haltung nicht hervortreten. — —</p><lb/> <p xml:id="ID_540" next="#ID_541"> Neben der Kirchenfrage beschäftigt die Organisation von Elsaß und Loth¬<lb/> ringen vorherrschend die Gemüther. Daß das Project der Abtretung von Weißen¬<lb/> burg an Bayern von der süddeutschen Presse — die bayerische nicht ausgenommen<lb/> — fast einstimmig verworfen wurde, ist bekannt. Getheilter sind dagegen die<lb/> Ansichten bezüglich der Modalitäten der neu einzurichtenden Verwaltung.<lb/> Uebrigens dürfte die Kürze, wir möchten sagen Inhaltslosigkeit der bundes-<lb/> räthlichen Vorlage, welche der Reichsregierung die freieste Bewegung bis zum<lb/> Jahr 1874 offenläßt, die Billigung aller besonnenen Politiker finden. Die<lb/> Erfahrungen, welche man unter günstigeren Verhältnissen in Hannover und<lb/> Frankfurt gemacht hat, beweisen wohl am besten, wie mißlich es ist, Länder,<lb/> welche man eben erst durch das Recht der Kriegseroberung erworben hat, wo<lb/> die Anhänger der früheren Regierung durch die nachhaltigsten materiellen In¬<lb/> teressen noch Jahre lang an letztere gefesselt sind, und erst eine neue Genera¬<lb/> tion in anderen Anschauungen und anderen Interessen herangezogen werden muß,<lb/> schon nach wenigen Monaten in den Vollgenuß aller politischen Rechte, wie<lb/> sie die modernen Verfassungen gewähren, einzusetzen. Man negirt dadurch den<lb/> eben vollzogenen Act der Gewalt und giebt den Gegnern des neuen Zustandes<lb/> selbst die Waffen zu dessen offener und heimlicher Bekämpfung in die Hand.<lb/> Die Geschichte kennt kein Analogon der Milde, welche Preußen seit 1866<lb/> gegenüber von Hannover und Frankfurt an den Tag gelegt hat und welche<lb/> so grell absticht von der unerbittlichen, jeden Widerstand vernichtenden Strenge,<lb/> welche in gleicher Lage die Rheinbundsstaaten gegenüber den Unterthanen<lb/> ihrer in den Jahren 1803 und 1806 neu erworbenen Reichsgebiete an den<lb/> Tag gelegt haben. Preußen hat sogar geduldet, daß das eroberte Frankfurt<lb/> seit 1866 den Mittelpunkt der feindseligen Angriffe des Südens gegen den<lb/> Nordbund bildete, von dort aus die s. g. großdeutsche Presse der Südstaaten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0166]
Gründen womöglich weltliche — Professur zurückziehen. Natürlich würde
dann die Curie nur einem Jnfallibilisten die Confirmation als Nachfolger in
der Bischofswürde ertheilen und so — nach den bisherigen Aeußerungen der
Regierung — die Verkündigung des neuen Dogma's in Württemberg keinen
weiteren Widerstand erfahren, da wohl auch die Tübinger katholische Facul-
tät dem von Haneberg und Genossen in München gegebenen Beispiel folgen
würde. Man macht jetzt überall dieselbe Erfahrung wie vor 30 Jahren, als
Hefele noch jünger und einer der eifrigsten Stürmer gegen den duldsamer
und friedliebenden Bischof Keller von Rottenburg war, daß nämlich der
jüngere Klerus auf dem Lehrstuhl wie in der Seelsorge sich in römischer Ge¬
sinnung überbietet, die älteren, in Amt und Würde befindlichen Kleriker da¬
gegen sich zwar von diesem Fanatismus abwenden, aber auch aus ihrer nach
beiden Seiten beliebten passiven Haltung nicht hervortreten. — —
Neben der Kirchenfrage beschäftigt die Organisation von Elsaß und Loth¬
ringen vorherrschend die Gemüther. Daß das Project der Abtretung von Weißen¬
burg an Bayern von der süddeutschen Presse — die bayerische nicht ausgenommen
— fast einstimmig verworfen wurde, ist bekannt. Getheilter sind dagegen die
Ansichten bezüglich der Modalitäten der neu einzurichtenden Verwaltung.
Uebrigens dürfte die Kürze, wir möchten sagen Inhaltslosigkeit der bundes-
räthlichen Vorlage, welche der Reichsregierung die freieste Bewegung bis zum
Jahr 1874 offenläßt, die Billigung aller besonnenen Politiker finden. Die
Erfahrungen, welche man unter günstigeren Verhältnissen in Hannover und
Frankfurt gemacht hat, beweisen wohl am besten, wie mißlich es ist, Länder,
welche man eben erst durch das Recht der Kriegseroberung erworben hat, wo
die Anhänger der früheren Regierung durch die nachhaltigsten materiellen In¬
teressen noch Jahre lang an letztere gefesselt sind, und erst eine neue Genera¬
tion in anderen Anschauungen und anderen Interessen herangezogen werden muß,
schon nach wenigen Monaten in den Vollgenuß aller politischen Rechte, wie
sie die modernen Verfassungen gewähren, einzusetzen. Man negirt dadurch den
eben vollzogenen Act der Gewalt und giebt den Gegnern des neuen Zustandes
selbst die Waffen zu dessen offener und heimlicher Bekämpfung in die Hand.
Die Geschichte kennt kein Analogon der Milde, welche Preußen seit 1866
gegenüber von Hannover und Frankfurt an den Tag gelegt hat und welche
so grell absticht von der unerbittlichen, jeden Widerstand vernichtenden Strenge,
welche in gleicher Lage die Rheinbundsstaaten gegenüber den Unterthanen
ihrer in den Jahren 1803 und 1806 neu erworbenen Reichsgebiete an den
Tag gelegt haben. Preußen hat sogar geduldet, daß das eroberte Frankfurt
seit 1866 den Mittelpunkt der feindseligen Angriffe des Südens gegen den
Nordbund bildete, von dort aus die s. g. großdeutsche Presse der Südstaaten
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |