Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.Angelegenheiten durch einen Diplomaten der bundestäglichen Schule, den bis¬ Dagegen übertraf das Ministerium, dessen Haltung gegenüber dem Land¬ Angelegenheiten durch einen Diplomaten der bundestäglichen Schule, den bis¬ Dagegen übertraf das Ministerium, dessen Haltung gegenüber dem Land¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0519" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125763"/> <p xml:id="ID_1688" prev="#ID_1687"> Angelegenheiten durch einen Diplomaten der bundestäglichen Schule, den bis¬<lb/> herigen Gesandten am Pariser Hofe, neu besetzt wurde und gleichzeitig ein<lb/> allgemeines Avancement in jenem Departement stattfand. Man fragte sich<lb/> unwillkürlich, wenn sogar die Verhandlungen in Versailles, die wichtigste<lb/> diplomatische Thätigkeit Württembergs seit einem halben Jahrhundert, durch<lb/> die Minister der Justiz und des Kriegs geführt werden konnten, wozu bedarf<lb/> es dann noch künftighin, wo das Reich uns nach Außen viel besser und<lb/> wirksamer vertritt, der Belastung des Etats mit einer Reihe durchaus nutz¬<lb/> loser, ja geradezu schädlicher Stellen? Offenbar hatte „das Bürgerministerium,"<lb/> um sich, namentlich während der längern Abwesenheit eines Theils der<lb/> Minister im Bundesrath zu Berlin, für alle Eventualitäten den Rücken zu<lb/> decken, sich nach den in Versailles gemachten Erfahrungen in aller Eile<lb/> bemüht, die früher angedeutete Lücke durch einen Mann aus den Stuttgarter<lb/> Adelskreisen auszufüllen, von dessen Talent nach den Proben, die er seither<lb/> in Paris, namentlich bei Ausbruch des Kriegs, abgelegt hatte, durchaus nichts<lb/> zu befürchten war, von dem man vielmehr aus Gründen, die ich nur andeute,<lb/> annehmen könnte, daß er sich dem Ministerium für die Zuwendung dieses<lb/> neuen Postens zu besonderem Dank verpflichtet fühlen werde. Jedenfalls<lb/> ließ sich zur Vertheidigung des Gesammt-Ministeriums geltend machen, daß<lb/> die Abschaffung des aus die Verfassung gegründeten Departements der aus¬<lb/> wärtigen Angelegenheiten, welches längst zu einer Sinecure des württember¬<lb/> gischen Adels geworden, nur von der Initiative der Ständekammer bei<lb/> Gelegenheit der Etatsberathung ausgehen kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1689" next="#ID_1690"> Dagegen übertraf das Ministerium, dessen Haltung gegenüber dem Land¬<lb/> tag noch im December v. I. zu Besorgnissen Anlaß gab, durch die Loyalität,<lb/> welche es seit dem Antritt dieses Jahres, namentlich aber bei den Reichstags¬<lb/> wahlen an den Tag legte, die Erwartungen Aller. Zunächst wurde die<lb/> berüchtigte Eintheilung der Wahlkreise aus der Zeit der Varnbüler-Golther-<lb/> schen Preußenhetze beseitigt und durch eine den natürlichen und historischen<lb/> Zusammenhang der politischen Verbände berücksichtigende Eintheilung ersetzt,<lb/> wobei jede Verfolgung von Parteizwecken wegfiel. Außerdem enthielt sich<lb/> aber auch das Ministerium jeder Theilnahme an der Wahlagitation, jedes<lb/> Eingreifens in die Wahlfreiheit der Beamten, wie sie unter dem Golther'schen<lb/> Regiment bei den Zollparlamentswahlen stattgefunden hatte. Man machte<lb/> nicht einmal einen Versuch, der nationalen Partei, welche ihre entschiedensten<lb/> seitherigen Vorkämpfer auf die Candidatenliste setzte, irgendwo einen Gegner<lb/> unter der Hand entgegenzustellen, sei es nun, daß man es überhaupt zur Zeit<lb/> im Negierungslager nicht opportun fand, im Gegensatz zu den nationalen<lb/> selbständige particularistische Parteiinteressen zu verfolgen, sei es, daß die<lb/> Männer des unbedingten Negierungsprogramms den Schein vermeiden woll-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0519]
Angelegenheiten durch einen Diplomaten der bundestäglichen Schule, den bis¬
herigen Gesandten am Pariser Hofe, neu besetzt wurde und gleichzeitig ein
allgemeines Avancement in jenem Departement stattfand. Man fragte sich
unwillkürlich, wenn sogar die Verhandlungen in Versailles, die wichtigste
diplomatische Thätigkeit Württembergs seit einem halben Jahrhundert, durch
die Minister der Justiz und des Kriegs geführt werden konnten, wozu bedarf
es dann noch künftighin, wo das Reich uns nach Außen viel besser und
wirksamer vertritt, der Belastung des Etats mit einer Reihe durchaus nutz¬
loser, ja geradezu schädlicher Stellen? Offenbar hatte „das Bürgerministerium,"
um sich, namentlich während der längern Abwesenheit eines Theils der
Minister im Bundesrath zu Berlin, für alle Eventualitäten den Rücken zu
decken, sich nach den in Versailles gemachten Erfahrungen in aller Eile
bemüht, die früher angedeutete Lücke durch einen Mann aus den Stuttgarter
Adelskreisen auszufüllen, von dessen Talent nach den Proben, die er seither
in Paris, namentlich bei Ausbruch des Kriegs, abgelegt hatte, durchaus nichts
zu befürchten war, von dem man vielmehr aus Gründen, die ich nur andeute,
annehmen könnte, daß er sich dem Ministerium für die Zuwendung dieses
neuen Postens zu besonderem Dank verpflichtet fühlen werde. Jedenfalls
ließ sich zur Vertheidigung des Gesammt-Ministeriums geltend machen, daß
die Abschaffung des aus die Verfassung gegründeten Departements der aus¬
wärtigen Angelegenheiten, welches längst zu einer Sinecure des württember¬
gischen Adels geworden, nur von der Initiative der Ständekammer bei
Gelegenheit der Etatsberathung ausgehen kann.
Dagegen übertraf das Ministerium, dessen Haltung gegenüber dem Land¬
tag noch im December v. I. zu Besorgnissen Anlaß gab, durch die Loyalität,
welche es seit dem Antritt dieses Jahres, namentlich aber bei den Reichstags¬
wahlen an den Tag legte, die Erwartungen Aller. Zunächst wurde die
berüchtigte Eintheilung der Wahlkreise aus der Zeit der Varnbüler-Golther-
schen Preußenhetze beseitigt und durch eine den natürlichen und historischen
Zusammenhang der politischen Verbände berücksichtigende Eintheilung ersetzt,
wobei jede Verfolgung von Parteizwecken wegfiel. Außerdem enthielt sich
aber auch das Ministerium jeder Theilnahme an der Wahlagitation, jedes
Eingreifens in die Wahlfreiheit der Beamten, wie sie unter dem Golther'schen
Regiment bei den Zollparlamentswahlen stattgefunden hatte. Man machte
nicht einmal einen Versuch, der nationalen Partei, welche ihre entschiedensten
seitherigen Vorkämpfer auf die Candidatenliste setzte, irgendwo einen Gegner
unter der Hand entgegenzustellen, sei es nun, daß man es überhaupt zur Zeit
im Negierungslager nicht opportun fand, im Gegensatz zu den nationalen
selbständige particularistische Parteiinteressen zu verfolgen, sei es, daß die
Männer des unbedingten Negierungsprogramms den Schein vermeiden woll-
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