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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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ters. Sie wurde nach den meisterhaften, auf genauster Kenntniß und kritischer
Vergleichung der Kunstformen beruhenden Untersuchungen F. v. Quast's
(Preußische Provincial-Blätter 1851, Bd. XI., Seite 09 und 117) auf Befehl
des Hochmeisters Dietrich von Altenburg (1335--41) zuerst in bemaltem Stuck
ausgeführt.

Da dieses Material für das rauhe Klima Preußens sich nicht haltbar
gezeigt haben mag, benutzte der ruhmreiche Hochmeister Winrich v. Kniprode
(1351--80), unter dessen milder, dreißigjähriger Regierung das Ordensland
Preußen auf der höchsten Stufe der Macht und des Glanzes stand, welcher
das Ordenshaupthaus bedeutend erweitert, unter Anderem auch den großen
Reuter, den schönsten Profanbau des ganzen Mittelalters, erbaut hat, die
Anwesenheit einiger, wahrscheinlich durch den Bischof Johannes v. Pomesa-
nien nach Marienwerder berufener italienischer Mosaikarbeiter,") um durch
dieselben diese Marienstatue ganz und gar mit Mosaik aus farbigen Glas¬
pasten überziehen zu lassen, wodurch dieselbe vor den Einflüssen der Witterung
geschützt wurde. -- Ob mosaicirte Statuen in jener Zeit sonst noch vorhan¬
den waren, ist uns unbekannt/") Gegenwärtig kennen wir keine zweite, so
daß das berühmte Marienburger Bildwerk in vieler Beziehung ein Unicum
und das bedeutendste der drei aus dem Mittelalter in Deutschland uns er¬
haltenen Mosaikwerke ist.

Die Statue "*) ist nicht ganz vollrund, sondern mit ihrem Hinteren Theile
mit der Mauer der nach vorn sich erweiternden Nische verbunden. Die auf
einem niedrigen Postamente ruhig dastehende Madonna hält in ihrem linken
Arm das Christuskind. Der Nische entsprechend ist die ganze Gestalt archi¬
tektonisch behandelt und demnach für die Höhe, welche sieben Kopflängen
(von 3^2 Fuß) beträgt, etwas zu schmal. Das Gewand der Madonna ist
golden; darüber ist sie mit einem faltenreichen, rothen, blaugefütterten Mantel
bekleidet, auf dem sich ein Muster mit goldenen Vögeln befindet. Um das
Haupt hat sie einen weißen Schleier gewunden. Die Krone ist mit großen,
Edelsteine nachahmenden Glasstücken geschmückt. Das sieben Fuß hohe,





") Vielleicht hat auch der Hochmeister selbst, durch Vermittelung des Bischof Johannes
v. Pomesanien, diese Künstler berufen. Näheres darüber siehe in meinem Aufsatz im "Organ
für christliche Kunst" 18VS Ur. 0.
"
) Eine alte Tradition berichtet, daß auch der Westgiebel des Doms zu Frauenburg, wel¬
cher um die angegebene Zeit fertig wurde, mit einer ähnlichen Statue geschmückt gewesen sei,
und gewisse, jetzt verwischte Andeutungen (stehe F. v. Quast Denkmale der Baukunst in Preußen
Seite 28) scheinen dieselbe zu bestätigen. F. v. Quast hat daher auf Taf. XV. seines schönen
Werkes eine Madonna in den Giebel gezeichnet. Der jetzige Bischof von Ermland beabsichtigt
eine mosaicirte Statue, ähnlich der Marienburger, an der bezeichneten Stelle neu ausführen
zu lassen.
Vergl. auch N. Witt, Marienburg Seite 110. Eine gute photographische Abbildung
der Statue hat Fademrccht in Marienburg gefertigt.

ters. Sie wurde nach den meisterhaften, auf genauster Kenntniß und kritischer
Vergleichung der Kunstformen beruhenden Untersuchungen F. v. Quast's
(Preußische Provincial-Blätter 1851, Bd. XI., Seite 09 und 117) auf Befehl
des Hochmeisters Dietrich von Altenburg (1335—41) zuerst in bemaltem Stuck
ausgeführt.

Da dieses Material für das rauhe Klima Preußens sich nicht haltbar
gezeigt haben mag, benutzte der ruhmreiche Hochmeister Winrich v. Kniprode
(1351—80), unter dessen milder, dreißigjähriger Regierung das Ordensland
Preußen auf der höchsten Stufe der Macht und des Glanzes stand, welcher
das Ordenshaupthaus bedeutend erweitert, unter Anderem auch den großen
Reuter, den schönsten Profanbau des ganzen Mittelalters, erbaut hat, die
Anwesenheit einiger, wahrscheinlich durch den Bischof Johannes v. Pomesa-
nien nach Marienwerder berufener italienischer Mosaikarbeiter,") um durch
dieselben diese Marienstatue ganz und gar mit Mosaik aus farbigen Glas¬
pasten überziehen zu lassen, wodurch dieselbe vor den Einflüssen der Witterung
geschützt wurde. — Ob mosaicirte Statuen in jener Zeit sonst noch vorhan¬
den waren, ist uns unbekannt/") Gegenwärtig kennen wir keine zweite, so
daß das berühmte Marienburger Bildwerk in vieler Beziehung ein Unicum
und das bedeutendste der drei aus dem Mittelalter in Deutschland uns er¬
haltenen Mosaikwerke ist.

Die Statue "*) ist nicht ganz vollrund, sondern mit ihrem Hinteren Theile
mit der Mauer der nach vorn sich erweiternden Nische verbunden. Die auf
einem niedrigen Postamente ruhig dastehende Madonna hält in ihrem linken
Arm das Christuskind. Der Nische entsprechend ist die ganze Gestalt archi¬
tektonisch behandelt und demnach für die Höhe, welche sieben Kopflängen
(von 3^2 Fuß) beträgt, etwas zu schmal. Das Gewand der Madonna ist
golden; darüber ist sie mit einem faltenreichen, rothen, blaugefütterten Mantel
bekleidet, auf dem sich ein Muster mit goldenen Vögeln befindet. Um das
Haupt hat sie einen weißen Schleier gewunden. Die Krone ist mit großen,
Edelsteine nachahmenden Glasstücken geschmückt. Das sieben Fuß hohe,





") Vielleicht hat auch der Hochmeister selbst, durch Vermittelung des Bischof Johannes
v. Pomesanien, diese Künstler berufen. Näheres darüber siehe in meinem Aufsatz im „Organ
für christliche Kunst" 18VS Ur. 0.
"
) Eine alte Tradition berichtet, daß auch der Westgiebel des Doms zu Frauenburg, wel¬
cher um die angegebene Zeit fertig wurde, mit einer ähnlichen Statue geschmückt gewesen sei,
und gewisse, jetzt verwischte Andeutungen (stehe F. v. Quast Denkmale der Baukunst in Preußen
Seite 28) scheinen dieselbe zu bestätigen. F. v. Quast hat daher auf Taf. XV. seines schönen
Werkes eine Madonna in den Giebel gezeichnet. Der jetzige Bischof von Ermland beabsichtigt
eine mosaicirte Statue, ähnlich der Marienburger, an der bezeichneten Stelle neu ausführen
zu lassen.
Vergl. auch N. Witt, Marienburg Seite 110. Eine gute photographische Abbildung
der Statue hat Fademrccht in Marienburg gefertigt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/40>, abgerufen am 26.06.2024.