Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.sasfendsten Anschauungen, die, um sich selbst genug zu thun, auch über das Diese tiefsinnige mythologische Anschauung wurde jedoch bald wieder aus sasfendsten Anschauungen, die, um sich selbst genug zu thun, auch über das Diese tiefsinnige mythologische Anschauung wurde jedoch bald wieder aus <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0312" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125556"/> <p xml:id="ID_1121" prev="#ID_1120"> sasfendsten Anschauungen, die, um sich selbst genug zu thun, auch über das<lb/> Bild des die Sonne und die Seelen hinabgeleitenden Herbstwodans noch<lb/> hinausgehen und die Continuität des göttlichen Princips, die Unsterblich-<lb/> keit, zum Ausdruck bringen mußten. Denn sobald Wodan im Volksbewußt-<lb/> sein vom bloßen Sturmgotte zum allgemeinen Himmelsgotte geworden, da<lb/> hatte er sich so hoch über das rohe Naturwesen, von dem er ausgegangen<lb/> war, erhoben, daß man nun vorzugsweise einen Segenspender in ihm er¬<lb/> blickte, und wohl noch die das Jahr abschließenden Herbststürme, aber nicht<lb/> mehr den wirklichen Winter mit ihm in Verbindung brachte, diese trostlose<lb/> Zeit, in welcher alles Leben erstirbt, die Sonne nur tiefer und tiefer hinab¬<lb/> sinkt, die Tage immer kürzer und kürzer werden, und der Tod zu herrschen<lb/> scheint. — Darum dachte man sich Wodan von den Herbststürmen bis zu<lb/> Weihnachten ruhend. Als Aufenthalt des schlummernden Gottes betrachtete<lb/> man, und das erscheint als eine höchst natürliche Vorstellung, die gewaltigen<lb/> Wolken berge, welche der Spätherbst am nordischen Himmel emporthürmt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1122" next="#ID_1123"> Diese tiefsinnige mythologische Anschauung wurde jedoch bald wieder aus<lb/> die Erde übertragen, so daß man Wodan in irdischen Bergen ruhend<lb/> dachte. So sitzt er zu Cochstädt im Berge als Hackelberg auf seinem<lb/> Schimmel und bewacht Schätze, (d, N ursprünglich die Wintersaat) und in<lb/> Pommern erzählt man gar, daß der Schimmelreiter sich während der Zeit,<lb/> wo er nicht jage, in einen Fettstein verwandele. Als solcher läge er still<lb/> am Wege; aber man könne ihn daran erkennen, daß die Pferde vor ihm<lb/> scheuten und nicht vorüber wollten. — Das „Ruhen im Berge" hatte nun<lb/> aber bei unsern Altvordern eine ganz bestimmte Bedeutung. „Im Hügel<lb/> sitzen" hieß soviel als begraben sein. Wodan im Hügel, war also der Be¬<lb/> grabene; er war aber auch der der Auferstehung entgegenharrende, jener<lb/> Auferstehung, die ihm mit dem weihnachtlichen Neulicht sicher kam. Da Wo¬<lb/> dan aber nun auch, wie wir gesehen haben, Seelenführer, Fahnenträger<lb/> der Abgeschiedenen ist, so lag nahe, die in den Herbststürmen von ihm ent¬<lb/> führten Seelen in derselben Weise wie den Gott selbst, und unter seinem Vor¬<lb/> sitze im Wolkenberge, ruhend zu denken. Diese Vorstellung hat in der Edda<lb/> zu der schönen Anschauung geführt, daß in Walhalla, der Wolkenwohnung<lb/> des himmelbeherrschenden Schlachtsturmgottcs, sich aller im Kampf ruhmreich<lb/> gefallenen Krieger Seelen sammelten, um hier einst unter des Gottes Vor¬<lb/> kämpferschaft die Schlacht der Götterdämmerung auszufechten. Auch in Deutsch¬<lb/> land lebte diese Vorstellung, ja sie hatte noch eine besonders liebenswürdige<lb/> Vertiefung erfahren, indem man die Sterne als die Seelen der Abgeschie¬<lb/> denen auffaßte, die der Himmelsherr um sich versammelt. Darum meint ein<lb/> schweizerisches Räthsel, dessen Auflösung „der Sternenhimmel" ist: „Der<lb/> Muot (Wuot) mit dem Breithut hat mehr Gäste, als der Wald Tannen-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0312]
sasfendsten Anschauungen, die, um sich selbst genug zu thun, auch über das
Bild des die Sonne und die Seelen hinabgeleitenden Herbstwodans noch
hinausgehen und die Continuität des göttlichen Princips, die Unsterblich-
keit, zum Ausdruck bringen mußten. Denn sobald Wodan im Volksbewußt-
sein vom bloßen Sturmgotte zum allgemeinen Himmelsgotte geworden, da
hatte er sich so hoch über das rohe Naturwesen, von dem er ausgegangen
war, erhoben, daß man nun vorzugsweise einen Segenspender in ihm er¬
blickte, und wohl noch die das Jahr abschließenden Herbststürme, aber nicht
mehr den wirklichen Winter mit ihm in Verbindung brachte, diese trostlose
Zeit, in welcher alles Leben erstirbt, die Sonne nur tiefer und tiefer hinab¬
sinkt, die Tage immer kürzer und kürzer werden, und der Tod zu herrschen
scheint. — Darum dachte man sich Wodan von den Herbststürmen bis zu
Weihnachten ruhend. Als Aufenthalt des schlummernden Gottes betrachtete
man, und das erscheint als eine höchst natürliche Vorstellung, die gewaltigen
Wolken berge, welche der Spätherbst am nordischen Himmel emporthürmt.
Diese tiefsinnige mythologische Anschauung wurde jedoch bald wieder aus
die Erde übertragen, so daß man Wodan in irdischen Bergen ruhend
dachte. So sitzt er zu Cochstädt im Berge als Hackelberg auf seinem
Schimmel und bewacht Schätze, (d, N ursprünglich die Wintersaat) und in
Pommern erzählt man gar, daß der Schimmelreiter sich während der Zeit,
wo er nicht jage, in einen Fettstein verwandele. Als solcher läge er still
am Wege; aber man könne ihn daran erkennen, daß die Pferde vor ihm
scheuten und nicht vorüber wollten. — Das „Ruhen im Berge" hatte nun
aber bei unsern Altvordern eine ganz bestimmte Bedeutung. „Im Hügel
sitzen" hieß soviel als begraben sein. Wodan im Hügel, war also der Be¬
grabene; er war aber auch der der Auferstehung entgegenharrende, jener
Auferstehung, die ihm mit dem weihnachtlichen Neulicht sicher kam. Da Wo¬
dan aber nun auch, wie wir gesehen haben, Seelenführer, Fahnenträger
der Abgeschiedenen ist, so lag nahe, die in den Herbststürmen von ihm ent¬
führten Seelen in derselben Weise wie den Gott selbst, und unter seinem Vor¬
sitze im Wolkenberge, ruhend zu denken. Diese Vorstellung hat in der Edda
zu der schönen Anschauung geführt, daß in Walhalla, der Wolkenwohnung
des himmelbeherrschenden Schlachtsturmgottcs, sich aller im Kampf ruhmreich
gefallenen Krieger Seelen sammelten, um hier einst unter des Gottes Vor¬
kämpferschaft die Schlacht der Götterdämmerung auszufechten. Auch in Deutsch¬
land lebte diese Vorstellung, ja sie hatte noch eine besonders liebenswürdige
Vertiefung erfahren, indem man die Sterne als die Seelen der Abgeschie¬
denen auffaßte, die der Himmelsherr um sich versammelt. Darum meint ein
schweizerisches Räthsel, dessen Auflösung „der Sternenhimmel" ist: „Der
Muot (Wuot) mit dem Breithut hat mehr Gäste, als der Wald Tannen-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |