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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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bald dahin, nur eigene Geschäfte in Scene zu setzen und diese Operationen
seinen Lesern anzupreisen als die wahren Milchkühe der fetten Dividenden und
sicheren Capitalsverdoppelung. Bald schwoll der Umsatz des Hauses derge¬
stalt an, daß 87 Buchhalter und Commis nicht genügten, um die täglich ein¬
laufenden Börsen- und Bankordres auszuführen, und als Herr Paradis fühlte,
daß der Moment gekommen, in welchem seine Schöpfung ihre höchste Blüthe
erreicht, als er gerade seine armen, genasführten Leser mit irgend einem
amerikanischen Schwindelpapier beglückt und sich dabei tüchtig bereichert hatte,
da zeigte er endlich jenen wahren Geschmack und jenes ästhetische Feingefühl,
das den Pereires und Mires so sehr abgegangen -- er zog sich noch rechtzeitig
zurück, brachte die gewonnenen Millionen in Sicherheit, verkaufte Zeitung,
Kundschaft und Bankhaus an eine große Actiengesellschaft für einen immensen Preis
und verschwand so vom Schauplatz, ehe noch die getäuschten Capitalien ge¬
wahr geworden, daß man ihnen meist ihre Dividenden vom Capital gezahlt,
wenn sie überhaupt deren jemals erhalten hatten.

Während der "Moniteur des Tirages" auf diese Weise Fortuna und Fu¬
rore machte, gab es andere begabte Leute, denen ein so glänzendes Geschäft
Schlaf, Ruhe und Besinnung raubte. Es fand sich ein zweiter Volksbeglücker,
der die "Epargrie" gründete, und der. um dem großen Troß mehr Vertrauen
einzuflößen, für vieles Geld einen Ehrenmann fand, welcher die Decoration
als Ritter der Ehrenlegion besaß und der nun. ohne ein Wort vom Finanz¬
wesen zu verstehen, als Aushängeschild vor die Boutique gehangen wurde.
Der betriebsame Herausgeber hatte gut gerechnet. Das rothe Bändchen im
Knopfloch, das 1- hinter dem Namen des angeblichen Chefredacteurs, lockte die
Leute, wie ein päpstliches Attest bei der Revalenta arabica, und die "Epargne",
noch billiger als jener paradisische "Moniteur", zählte bald ihre Abnehmer
nach Zwanzig- und Dretßigtausenden.

Als man aber erst inne wurde, daß die Menge der vorhandenen kleinen
Capitalbesitzer und Rentiers überhaupt zwei solcher Vampyrblätter aushalten
könne, da wurde alsbald der Markt von einer ganzen Sturmfluth ähnlicher
Journale überschüttet, die sich einander den Rang abliefen in Vertrauen er¬
weckenden Titeln und lobpreisenden Ankündigungen und die, wie die
famose "Union des Actionnairs", oder der "Phare du Capitaliste" oder der
"Guide du Rentier" u. s. f., nicht nur einen höchst billigen Abonnements¬
preis hatten, sondern sogar Jedwedem ein, zwei und drei Monate gratis ins
Haus geschickt wurden, der die Gefälligkeit oder Unvorsichtigkeit gehabt hatte,
seine Adresse zu verrathen.

Zum Schluß nahm das Tohu-Wabohu dermaßen überHand, daß eine
Controle über diese, wie Pilze aus Moorboden emporschießenden Organe, Nie¬
mandem mehr möglich war. Nicht allen dieser kleineren Köter gelang


bald dahin, nur eigene Geschäfte in Scene zu setzen und diese Operationen
seinen Lesern anzupreisen als die wahren Milchkühe der fetten Dividenden und
sicheren Capitalsverdoppelung. Bald schwoll der Umsatz des Hauses derge¬
stalt an, daß 87 Buchhalter und Commis nicht genügten, um die täglich ein¬
laufenden Börsen- und Bankordres auszuführen, und als Herr Paradis fühlte,
daß der Moment gekommen, in welchem seine Schöpfung ihre höchste Blüthe
erreicht, als er gerade seine armen, genasführten Leser mit irgend einem
amerikanischen Schwindelpapier beglückt und sich dabei tüchtig bereichert hatte,
da zeigte er endlich jenen wahren Geschmack und jenes ästhetische Feingefühl,
das den Pereires und Mires so sehr abgegangen — er zog sich noch rechtzeitig
zurück, brachte die gewonnenen Millionen in Sicherheit, verkaufte Zeitung,
Kundschaft und Bankhaus an eine große Actiengesellschaft für einen immensen Preis
und verschwand so vom Schauplatz, ehe noch die getäuschten Capitalien ge¬
wahr geworden, daß man ihnen meist ihre Dividenden vom Capital gezahlt,
wenn sie überhaupt deren jemals erhalten hatten.

Während der „Moniteur des Tirages" auf diese Weise Fortuna und Fu¬
rore machte, gab es andere begabte Leute, denen ein so glänzendes Geschäft
Schlaf, Ruhe und Besinnung raubte. Es fand sich ein zweiter Volksbeglücker,
der die „Epargrie" gründete, und der. um dem großen Troß mehr Vertrauen
einzuflößen, für vieles Geld einen Ehrenmann fand, welcher die Decoration
als Ritter der Ehrenlegion besaß und der nun. ohne ein Wort vom Finanz¬
wesen zu verstehen, als Aushängeschild vor die Boutique gehangen wurde.
Der betriebsame Herausgeber hatte gut gerechnet. Das rothe Bändchen im
Knopfloch, das 1- hinter dem Namen des angeblichen Chefredacteurs, lockte die
Leute, wie ein päpstliches Attest bei der Revalenta arabica, und die „Epargne",
noch billiger als jener paradisische „Moniteur", zählte bald ihre Abnehmer
nach Zwanzig- und Dretßigtausenden.

Als man aber erst inne wurde, daß die Menge der vorhandenen kleinen
Capitalbesitzer und Rentiers überhaupt zwei solcher Vampyrblätter aushalten
könne, da wurde alsbald der Markt von einer ganzen Sturmfluth ähnlicher
Journale überschüttet, die sich einander den Rang abliefen in Vertrauen er¬
weckenden Titeln und lobpreisenden Ankündigungen und die, wie die
famose „Union des Actionnairs", oder der „Phare du Capitaliste" oder der
„Guide du Rentier" u. s. f., nicht nur einen höchst billigen Abonnements¬
preis hatten, sondern sogar Jedwedem ein, zwei und drei Monate gratis ins
Haus geschickt wurden, der die Gefälligkeit oder Unvorsichtigkeit gehabt hatte,
seine Adresse zu verrathen.

Zum Schluß nahm das Tohu-Wabohu dermaßen überHand, daß eine
Controle über diese, wie Pilze aus Moorboden emporschießenden Organe, Nie¬
mandem mehr möglich war. Nicht allen dieser kleineren Köter gelang


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[0117] bald dahin, nur eigene Geschäfte in Scene zu setzen und diese Operationen seinen Lesern anzupreisen als die wahren Milchkühe der fetten Dividenden und sicheren Capitalsverdoppelung. Bald schwoll der Umsatz des Hauses derge¬ stalt an, daß 87 Buchhalter und Commis nicht genügten, um die täglich ein¬ laufenden Börsen- und Bankordres auszuführen, und als Herr Paradis fühlte, daß der Moment gekommen, in welchem seine Schöpfung ihre höchste Blüthe erreicht, als er gerade seine armen, genasführten Leser mit irgend einem amerikanischen Schwindelpapier beglückt und sich dabei tüchtig bereichert hatte, da zeigte er endlich jenen wahren Geschmack und jenes ästhetische Feingefühl, das den Pereires und Mires so sehr abgegangen — er zog sich noch rechtzeitig zurück, brachte die gewonnenen Millionen in Sicherheit, verkaufte Zeitung, Kundschaft und Bankhaus an eine große Actiengesellschaft für einen immensen Preis und verschwand so vom Schauplatz, ehe noch die getäuschten Capitalien ge¬ wahr geworden, daß man ihnen meist ihre Dividenden vom Capital gezahlt, wenn sie überhaupt deren jemals erhalten hatten. Während der „Moniteur des Tirages" auf diese Weise Fortuna und Fu¬ rore machte, gab es andere begabte Leute, denen ein so glänzendes Geschäft Schlaf, Ruhe und Besinnung raubte. Es fand sich ein zweiter Volksbeglücker, der die „Epargrie" gründete, und der. um dem großen Troß mehr Vertrauen einzuflößen, für vieles Geld einen Ehrenmann fand, welcher die Decoration als Ritter der Ehrenlegion besaß und der nun. ohne ein Wort vom Finanz¬ wesen zu verstehen, als Aushängeschild vor die Boutique gehangen wurde. Der betriebsame Herausgeber hatte gut gerechnet. Das rothe Bändchen im Knopfloch, das 1- hinter dem Namen des angeblichen Chefredacteurs, lockte die Leute, wie ein päpstliches Attest bei der Revalenta arabica, und die „Epargne", noch billiger als jener paradisische „Moniteur", zählte bald ihre Abnehmer nach Zwanzig- und Dretßigtausenden. Als man aber erst inne wurde, daß die Menge der vorhandenen kleinen Capitalbesitzer und Rentiers überhaupt zwei solcher Vampyrblätter aushalten könne, da wurde alsbald der Markt von einer ganzen Sturmfluth ähnlicher Journale überschüttet, die sich einander den Rang abliefen in Vertrauen er¬ weckenden Titeln und lobpreisenden Ankündigungen und die, wie die famose „Union des Actionnairs", oder der „Phare du Capitaliste" oder der „Guide du Rentier" u. s. f., nicht nur einen höchst billigen Abonnements¬ preis hatten, sondern sogar Jedwedem ein, zwei und drei Monate gratis ins Haus geschickt wurden, der die Gefälligkeit oder Unvorsichtigkeit gehabt hatte, seine Adresse zu verrathen. Zum Schluß nahm das Tohu-Wabohu dermaßen überHand, daß eine Controle über diese, wie Pilze aus Moorboden emporschießenden Organe, Nie¬ mandem mehr möglich war. Nicht allen dieser kleineren Köter gelang

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/117>, abgerufen am 22.07.2024.