Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

"im Elsaß" in Lazarethen kochen oder, waschen wollen; durch den Krieg um
ihren regelrechten Verdienst gebrachte Handwerker und Fabrikarbeiter, denen
jetzt der Wärterberuf als einzige Hilfe vor der Seele steht; Marketender,
Armeelieferanten, welche ihre Geschäftsreisen unter dem Schutze des rothen
Kreuzes antreten wollen, und natürlich schnöde abgewiesen werden; endlich
aus Frankreich ausgewiesene Landsleute, ganze Familien -- arme, unglückliche
Menschen, die in der Meinung, daß wir ein Hilfsverein für oder besser
gegen alle Leiden der Menschheit seien, bei uns ein Unterkommen, Arbeits¬
nachweis, Brod für die armen, hungernden Kinder suchen. Man kann sie
nicht hilflos zurückstoßen; man läßt sie nach einem anderen, städtischen
Bureau geleiten, wo für derartige Hilfsbedürftige Rath geschafft wird, so
gut es gehen mag.

So wie eben andeutungsweise geschildert, sieht's seit nunmehr zehn
Wochen beinahe täglich im Sprechzimmer unseres Hilfsvereins-Palastes aus.
Tausend Anliegen, tausend Meldungen, unzählige Besuche, oft nur Con-
venienz-Besuche -- und wer diese Audienzen geben muß, hat dabei einen
großen vielgliedrigen Organismus im regelmäßigen Gange zu erhalten, soll
in diesem Betreibe überall Bescheid wissen, womöglich überall selbst nachsehen,
und zwischendurch die schwierigeren Correspondenzen führen, Aufrufe, Be¬
kanntmachungen, Circulare redigiren, Tabellen entwerfen u. s. w. u. s. w.
Wahrlich! so ein Hilfsvereinsleiter muß dieser Zeit so gut, wie der Feld¬
herr im Kriege fast übermenschliche Kraft widmen und es wird von ihm,
wie von jenem ost Uebermenschliches verlangt. Aber eine neue Sieges¬
botschaft -- und alle Mühen sind vergessen!

Und überdieß haben wir die Freude, alltäglich ein leuchtendes Muster
ernster Pflichttreue, hingebendster Fürsorge in der Person unserer edlen Für¬
stin vor uns zu sehn, welche in dieser ganzen Zeit alle Schätze ihres Ge¬
müthes und ihrer Willenskraft, ihren ganzen hohen weiblichen Sinn entfaltet
und in rastloser Thätigkeit von früh bis spät überall selbst geholfen, nachge-
sehen, getröstet, ermuthigt und beglückt hat. ganz eine deutsche Frau, ganz
erfüllt von begeisterter Vaterlandsliebe und ganz hingegeben den Pflichten,
welche diese edelste aller Empfindungen uns auferlegt. --

Es mögen in der obigen Schilderung manche Geschäftszweige übersehen
sein, die von unserem Bureau aus geleitet werden; zwei solche Geschäfts¬
zweige verdienen aber jedenfalls noch ausdrückliche Erwähnung, ich meine das
Geschäft des Auskunftsbureau's und das des Verwundeten-Trans¬
portes. Unser Auekunfts-Bureau darf sich, wie unsere ganze Vereinsthätig-
keit e-is ein Filial-Jnstitut der entsprechenden Stelle des Berliner Central-
Comit6's betrachten. Es zieht in bestimmten Perioden, am hiesigen Platze
täglich, genaueste Nachrichten über den Personalbestand der Lazarethe eines


„im Elsaß" in Lazarethen kochen oder, waschen wollen; durch den Krieg um
ihren regelrechten Verdienst gebrachte Handwerker und Fabrikarbeiter, denen
jetzt der Wärterberuf als einzige Hilfe vor der Seele steht; Marketender,
Armeelieferanten, welche ihre Geschäftsreisen unter dem Schutze des rothen
Kreuzes antreten wollen, und natürlich schnöde abgewiesen werden; endlich
aus Frankreich ausgewiesene Landsleute, ganze Familien — arme, unglückliche
Menschen, die in der Meinung, daß wir ein Hilfsverein für oder besser
gegen alle Leiden der Menschheit seien, bei uns ein Unterkommen, Arbeits¬
nachweis, Brod für die armen, hungernden Kinder suchen. Man kann sie
nicht hilflos zurückstoßen; man läßt sie nach einem anderen, städtischen
Bureau geleiten, wo für derartige Hilfsbedürftige Rath geschafft wird, so
gut es gehen mag.

So wie eben andeutungsweise geschildert, sieht's seit nunmehr zehn
Wochen beinahe täglich im Sprechzimmer unseres Hilfsvereins-Palastes aus.
Tausend Anliegen, tausend Meldungen, unzählige Besuche, oft nur Con-
venienz-Besuche — und wer diese Audienzen geben muß, hat dabei einen
großen vielgliedrigen Organismus im regelmäßigen Gange zu erhalten, soll
in diesem Betreibe überall Bescheid wissen, womöglich überall selbst nachsehen,
und zwischendurch die schwierigeren Correspondenzen führen, Aufrufe, Be¬
kanntmachungen, Circulare redigiren, Tabellen entwerfen u. s. w. u. s. w.
Wahrlich! so ein Hilfsvereinsleiter muß dieser Zeit so gut, wie der Feld¬
herr im Kriege fast übermenschliche Kraft widmen und es wird von ihm,
wie von jenem ost Uebermenschliches verlangt. Aber eine neue Sieges¬
botschaft — und alle Mühen sind vergessen!

Und überdieß haben wir die Freude, alltäglich ein leuchtendes Muster
ernster Pflichttreue, hingebendster Fürsorge in der Person unserer edlen Für¬
stin vor uns zu sehn, welche in dieser ganzen Zeit alle Schätze ihres Ge¬
müthes und ihrer Willenskraft, ihren ganzen hohen weiblichen Sinn entfaltet
und in rastloser Thätigkeit von früh bis spät überall selbst geholfen, nachge-
sehen, getröstet, ermuthigt und beglückt hat. ganz eine deutsche Frau, ganz
erfüllt von begeisterter Vaterlandsliebe und ganz hingegeben den Pflichten,
welche diese edelste aller Empfindungen uns auferlegt. —

Es mögen in der obigen Schilderung manche Geschäftszweige übersehen
sein, die von unserem Bureau aus geleitet werden; zwei solche Geschäfts¬
zweige verdienen aber jedenfalls noch ausdrückliche Erwähnung, ich meine das
Geschäft des Auskunftsbureau's und das des Verwundeten-Trans¬
portes. Unser Auekunfts-Bureau darf sich, wie unsere ganze Vereinsthätig-
keit e-is ein Filial-Jnstitut der entsprechenden Stelle des Berliner Central-
Comit6's betrachten. Es zieht in bestimmten Perioden, am hiesigen Platze
täglich, genaueste Nachrichten über den Personalbestand der Lazarethe eines


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0058" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124764"/>
          <p xml:id="ID_162" prev="#ID_161"> &#x201E;im Elsaß" in Lazarethen kochen oder, waschen wollen; durch den Krieg um<lb/>
ihren regelrechten Verdienst gebrachte Handwerker und Fabrikarbeiter, denen<lb/>
jetzt der Wärterberuf als einzige Hilfe vor der Seele steht; Marketender,<lb/>
Armeelieferanten, welche ihre Geschäftsreisen unter dem Schutze des rothen<lb/>
Kreuzes antreten wollen, und natürlich schnöde abgewiesen werden; endlich<lb/>
aus Frankreich ausgewiesene Landsleute, ganze Familien &#x2014; arme, unglückliche<lb/>
Menschen, die in der Meinung, daß wir ein Hilfsverein für oder besser<lb/>
gegen alle Leiden der Menschheit seien, bei uns ein Unterkommen, Arbeits¬<lb/>
nachweis, Brod für die armen, hungernden Kinder suchen. Man kann sie<lb/>
nicht hilflos zurückstoßen; man läßt sie nach einem anderen, städtischen<lb/>
Bureau geleiten, wo für derartige Hilfsbedürftige Rath geschafft wird, so<lb/>
gut es gehen mag.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_163"> So wie eben andeutungsweise geschildert, sieht's seit nunmehr zehn<lb/>
Wochen beinahe täglich im Sprechzimmer unseres Hilfsvereins-Palastes aus.<lb/>
Tausend Anliegen, tausend Meldungen, unzählige Besuche, oft nur Con-<lb/>
venienz-Besuche &#x2014; und wer diese Audienzen geben muß, hat dabei einen<lb/>
großen vielgliedrigen Organismus im regelmäßigen Gange zu erhalten, soll<lb/>
in diesem Betreibe überall Bescheid wissen, womöglich überall selbst nachsehen,<lb/>
und zwischendurch die schwierigeren Correspondenzen führen, Aufrufe, Be¬<lb/>
kanntmachungen, Circulare redigiren, Tabellen entwerfen u. s. w. u. s. w.<lb/>
Wahrlich! so ein Hilfsvereinsleiter muß dieser Zeit so gut, wie der Feld¬<lb/>
herr im Kriege fast übermenschliche Kraft widmen und es wird von ihm,<lb/>
wie von jenem ost Uebermenschliches verlangt. Aber eine neue Sieges¬<lb/>
botschaft &#x2014; und alle Mühen sind vergessen!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_164"> Und überdieß haben wir die Freude, alltäglich ein leuchtendes Muster<lb/>
ernster Pflichttreue, hingebendster Fürsorge in der Person unserer edlen Für¬<lb/>
stin vor uns zu sehn, welche in dieser ganzen Zeit alle Schätze ihres Ge¬<lb/>
müthes und ihrer Willenskraft, ihren ganzen hohen weiblichen Sinn entfaltet<lb/>
und in rastloser Thätigkeit von früh bis spät überall selbst geholfen, nachge-<lb/>
sehen, getröstet, ermuthigt und beglückt hat. ganz eine deutsche Frau, ganz<lb/>
erfüllt von begeisterter Vaterlandsliebe und ganz hingegeben den Pflichten,<lb/>
welche diese edelste aller Empfindungen uns auferlegt. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_165" next="#ID_166"> Es mögen in der obigen Schilderung manche Geschäftszweige übersehen<lb/>
sein, die von unserem Bureau aus geleitet werden; zwei solche Geschäfts¬<lb/>
zweige verdienen aber jedenfalls noch ausdrückliche Erwähnung, ich meine das<lb/>
Geschäft des Auskunftsbureau's und das des Verwundeten-Trans¬<lb/>
portes. Unser Auekunfts-Bureau darf sich, wie unsere ganze Vereinsthätig-<lb/>
keit e-is ein Filial-Jnstitut der entsprechenden Stelle des Berliner Central-<lb/>
Comit6's betrachten. Es zieht in bestimmten Perioden, am hiesigen Platze<lb/>
täglich, genaueste Nachrichten über den Personalbestand der Lazarethe eines</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0058] „im Elsaß" in Lazarethen kochen oder, waschen wollen; durch den Krieg um ihren regelrechten Verdienst gebrachte Handwerker und Fabrikarbeiter, denen jetzt der Wärterberuf als einzige Hilfe vor der Seele steht; Marketender, Armeelieferanten, welche ihre Geschäftsreisen unter dem Schutze des rothen Kreuzes antreten wollen, und natürlich schnöde abgewiesen werden; endlich aus Frankreich ausgewiesene Landsleute, ganze Familien — arme, unglückliche Menschen, die in der Meinung, daß wir ein Hilfsverein für oder besser gegen alle Leiden der Menschheit seien, bei uns ein Unterkommen, Arbeits¬ nachweis, Brod für die armen, hungernden Kinder suchen. Man kann sie nicht hilflos zurückstoßen; man läßt sie nach einem anderen, städtischen Bureau geleiten, wo für derartige Hilfsbedürftige Rath geschafft wird, so gut es gehen mag. So wie eben andeutungsweise geschildert, sieht's seit nunmehr zehn Wochen beinahe täglich im Sprechzimmer unseres Hilfsvereins-Palastes aus. Tausend Anliegen, tausend Meldungen, unzählige Besuche, oft nur Con- venienz-Besuche — und wer diese Audienzen geben muß, hat dabei einen großen vielgliedrigen Organismus im regelmäßigen Gange zu erhalten, soll in diesem Betreibe überall Bescheid wissen, womöglich überall selbst nachsehen, und zwischendurch die schwierigeren Correspondenzen führen, Aufrufe, Be¬ kanntmachungen, Circulare redigiren, Tabellen entwerfen u. s. w. u. s. w. Wahrlich! so ein Hilfsvereinsleiter muß dieser Zeit so gut, wie der Feld¬ herr im Kriege fast übermenschliche Kraft widmen und es wird von ihm, wie von jenem ost Uebermenschliches verlangt. Aber eine neue Sieges¬ botschaft — und alle Mühen sind vergessen! Und überdieß haben wir die Freude, alltäglich ein leuchtendes Muster ernster Pflichttreue, hingebendster Fürsorge in der Person unserer edlen Für¬ stin vor uns zu sehn, welche in dieser ganzen Zeit alle Schätze ihres Ge¬ müthes und ihrer Willenskraft, ihren ganzen hohen weiblichen Sinn entfaltet und in rastloser Thätigkeit von früh bis spät überall selbst geholfen, nachge- sehen, getröstet, ermuthigt und beglückt hat. ganz eine deutsche Frau, ganz erfüllt von begeisterter Vaterlandsliebe und ganz hingegeben den Pflichten, welche diese edelste aller Empfindungen uns auferlegt. — Es mögen in der obigen Schilderung manche Geschäftszweige übersehen sein, die von unserem Bureau aus geleitet werden; zwei solche Geschäfts¬ zweige verdienen aber jedenfalls noch ausdrückliche Erwähnung, ich meine das Geschäft des Auskunftsbureau's und das des Verwundeten-Trans¬ portes. Unser Auekunfts-Bureau darf sich, wie unsere ganze Vereinsthätig- keit e-is ein Filial-Jnstitut der entsprechenden Stelle des Berliner Central- Comit6's betrachten. Es zieht in bestimmten Perioden, am hiesigen Platze täglich, genaueste Nachrichten über den Personalbestand der Lazarethe eines

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/58
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/58>, abgerufen am 23.12.2024.