Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.Jeden Tagk wolt ich an Sie schreiben und immer tout ich nicht, doch bin Ich wundre mich über ihren letzten Brief, wie kommen Sie zu allen Ueber meinen Zustand habe ich mich noch nie beklagt, noch nie habe 63*
Jeden Tagk wolt ich an Sie schreiben und immer tout ich nicht, doch bin Ich wundre mich über ihren letzten Brief, wie kommen Sie zu allen Ueber meinen Zustand habe ich mich noch nie beklagt, noch nie habe 63*
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Jeden Tagk wolt ich an Sie schreiben und immer tout ich nicht, doch bin
straffbahr, aber wenn ich sie bitte, so verzeid mir ihre gukte Seele und Sie
antworten mir bald, werden Sie es thun.
Ich wundre mich über ihren letzten Brief, wie kommen Sie zu allen
den frommen ermahnung, es ist Sünde nicht zufrieden zu seyn, sagten Sie,
aber lieber Bruder sind Sie denn immer mit Ihren Zustande zufrieden, oft
sehr oft habe ich Sie unzufrieden mit sich, mit der gantze Welt gesehen, ach
wie glücklich wehr der Mensch der immer zu früden wehr, aber wie viel
giebts, wenig, sehr wenig.
Ueber meinen Zustand habe ich mich noch nie beklagt, noch nie habe
ich mir Reichtum gewünscht und doch bin ich nicht zufrieden, oft sehr oft
wird mir mein Leben zur Last. Wohl hatten Sie recht bester, das Sie sag¬
ten, ich hette Freunde und Brüder die mich lieben. Ja die habe ich, aber
wo seyd ihr, das eine hier und das andre do>t, daß immer getrendt müssen
wihr leben, ich bin hier von euch allen meine Lieben entfernt, mit Menschen
umgeben, der Gesellschaft mir unerträglich würd — ach wehre nicht meine
Mutter und Schwester und Ihre Schwester — zu schrecklich ist mir jeder
dieser Gedanken, als daß ich ihn weiter denken tend. Auch Max ist jetz weit
von mir, er fand und furt ein herliches Leben bey allen den lieben und
gutten Seelen borde, da leben die Götter der Erden und führen ein Götter¬
leben. O wenn nur Max bald wieder zurück in meine offen stehende Armen
komt, noch nie sehnt ich mich so nach ihn, als jetz und doch darf ich Max
kein Wort davon schreiben, den es were garstig, wen ich ihn quälen wölbt,
daß er zurück kommen holde. Aber oft werd mir mein Leben unerträglich,
daß ich so von allen meinen Freunden entfernt leben muß. O was seyd ihr
Jungen so glücklich und was sind wir Mächen vor ehlende Geschefte, hier
muß ich fielen, mein junges Leben zu bringen einsam ohne Gesellschaft.
Wehr ich ein Jung, oh was wölbt ich! Doch genug davon, sonst gelb ich
zu weils. Grausamer Bruder, da Sie mir so selten und auch immer
so wenig schreiben. Kennen Sie doch noch eine ganze halbe Seite aus^
streigen daß ich nicht lesen kann, zwahr werde ich es auch nicht
lesen sollen. Ich freyde mich innig, daß Sie jetz so vergnügt und zu¬
frieden in Zürich leben und ist dan noch keine Hofnung, daß ich Sie bester
wieder ein mahl sehen. Sie sehen dieses Worte schreibe ich mit einer leb-
haftigkeit, mit einem süßen Eifer, der mich alles das Vergnügen vorrauß ge-
nüssen lest, wenn ich Sie ein mahl wieder sehen werde. Ach wenn es nur
bald, bald geschieht. Wie oft mein lieber Freund wünß ich die verganene
Zeit zurück und nur die Stunde, die wir vergebens mit Necken zu brachten,
wie wolt ich sie jetz genüßen, doch es ist vorbey und auch die hatten ihren
Nutzen.
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