Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.rissen Herr R. entgegengekommen war. Es bedarf übrigens mitunter be¬ In Metz selbst war von ausgestandener Belagerungsnoth nichts mehr Die Reden der Franzosen waren ein Gemisch von Artigkeit und ver¬ Soviel über die erkennbare Stimmung von Metz. In Straßvurg fand rissen Herr R. entgegengekommen war. Es bedarf übrigens mitunter be¬ In Metz selbst war von ausgestandener Belagerungsnoth nichts mehr Die Reden der Franzosen waren ein Gemisch von Artigkeit und ver¬ Soviel über die erkennbare Stimmung von Metz. In Straßvurg fand <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0476" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125182"/> <p xml:id="ID_1463" prev="#ID_1462"> rissen Herr R. entgegengekommen war. Es bedarf übrigens mitunter be¬<lb/> rechtigter Energie, um die freie Disposition über die Gaben vermittlungs¬<lb/> süchtigen Ordensrittern gegenüber zu behaupten. Auch gegen solche Herren<lb/> machten indessen Berliner Schutzleute, welche die Polizei auf dem Bahnhofe<lb/> wie in der Stadt übernommen hatten, ihre Amtsgewalt mit Geschick<lb/> geltend. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1464"> In Metz selbst war von ausgestandener Belagerungsnoth nichts mehr<lb/> wahrzunehmen. Der Markt zeigte alle möglichen Vorräthe von Brot, Fleisch<lb/> und Gemüse bis zu Delicatessen wie Rehwild. Trüffeln u. s. w. Auch die<lb/> Läden boten reiche Schau; die Noth schien den Kaufleuten so wenig nah<lb/> gekommen zu sein, daß Fälle des Trotzes vorkamen, in denen sich einzelne<lb/> weigerten, an Deutsche ihre Waaren überhaupt zu verkaufen. Elegante<lb/> Reiter und schmucke Kutschen thaten das ihrige, um das Bild scheinbar nie<lb/> gestörten Wohllebens zu vollenden. — Daß in der Stadt noch irgendwo<lb/> mitunter deutsch gepredigt werde, wie man mir daheim behauptet hatte, ist<lb/> durchaus ein Märchen. Dagegen klangen aus dem Patois der auf dem<lb/> Markte feilhabenden Bauern vorwiegend deutsche Laute heraus.</p><lb/> <p xml:id="ID_1465"> Die Reden der Franzosen waren ein Gemisch von Artigkeit und ver¬<lb/> blendeter Ueberhebung. Die Bravour unserer Truppen bewunderten sie, ihre<lb/> eigenen verachteten sie zumeist. Dennoch äußerte einer, die gute Behandlung<lb/> der französischen Gefangenen bei uns sei eben ein Anerkenntniß ihrer Höhe-<lb/> ren Civilisation und zugleich ein Beweis der Furcht vor künftiger Rache.<lb/> Ueber den Kaiser war nur eine Stimme der Verdammung, man besorgte<lb/> thörichter Wiese, er möchte durch Preußen zurückgeführt werden. — Einen<lb/> abstoßenden Eindruck machte übrigens auf uns das Schaufenster des Uhr-<lb/> machers Humbert, das französische Orden und Ehrenzeichen zu Hunderten bunt<lb/> gemengt zu Kaufe bot. Welcher deutsche Soldat hätte, auch in der äußer¬<lb/> sten Noth, sein eigenes Verdienstzeichen preiszugeben vermocht! O'egt la. xuerrs,<lb/> sagten die Franzosen und lachten leichtfertig darüber. — Daß in einem Gast.<lb/> Hofe den Franzosen in einem besonderen Zimmer für den nämlichen Preis<lb/> eirre weit glänzendere Mahlzeit aufgetragen ward, als im Erdgeschosse den<lb/> Deutschen, will ich nicht weiter hervorheben, da dergleichen nur zu erklärlich<lb/> ist, wenn man auch bei uns schwerlich so verfahren würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1466" next="#ID_1467"> Soviel über die erkennbare Stimmung von Metz. In Straßvurg fand<lb/> ich auf der Rückreise, daß gerade die deutsche Bewohnerschaft am meisten<lb/> Feindseligkeit wenigstens zu« Schau trug. Indessen kann man sich dem<lb/> Augenscheine nicht verschließen, daß es leicht sein dürfte, den Kaufmanns¬<lb/> und Arbeiterstand bald für uns zu gewinnen. Von den furchtbaren Bildern<lb/> der Zerstörung, die doch alle Vorstellung aus der Ferne übertreffen, schweige<lb/> ich, Va die Tagespresse genugsam darüber berichtet hat. Die Kehler Brücke</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0476]
rissen Herr R. entgegengekommen war. Es bedarf übrigens mitunter be¬
rechtigter Energie, um die freie Disposition über die Gaben vermittlungs¬
süchtigen Ordensrittern gegenüber zu behaupten. Auch gegen solche Herren
machten indessen Berliner Schutzleute, welche die Polizei auf dem Bahnhofe
wie in der Stadt übernommen hatten, ihre Amtsgewalt mit Geschick
geltend. —
In Metz selbst war von ausgestandener Belagerungsnoth nichts mehr
wahrzunehmen. Der Markt zeigte alle möglichen Vorräthe von Brot, Fleisch
und Gemüse bis zu Delicatessen wie Rehwild. Trüffeln u. s. w. Auch die
Läden boten reiche Schau; die Noth schien den Kaufleuten so wenig nah
gekommen zu sein, daß Fälle des Trotzes vorkamen, in denen sich einzelne
weigerten, an Deutsche ihre Waaren überhaupt zu verkaufen. Elegante
Reiter und schmucke Kutschen thaten das ihrige, um das Bild scheinbar nie
gestörten Wohllebens zu vollenden. — Daß in der Stadt noch irgendwo
mitunter deutsch gepredigt werde, wie man mir daheim behauptet hatte, ist
durchaus ein Märchen. Dagegen klangen aus dem Patois der auf dem
Markte feilhabenden Bauern vorwiegend deutsche Laute heraus.
Die Reden der Franzosen waren ein Gemisch von Artigkeit und ver¬
blendeter Ueberhebung. Die Bravour unserer Truppen bewunderten sie, ihre
eigenen verachteten sie zumeist. Dennoch äußerte einer, die gute Behandlung
der französischen Gefangenen bei uns sei eben ein Anerkenntniß ihrer Höhe-
ren Civilisation und zugleich ein Beweis der Furcht vor künftiger Rache.
Ueber den Kaiser war nur eine Stimme der Verdammung, man besorgte
thörichter Wiese, er möchte durch Preußen zurückgeführt werden. — Einen
abstoßenden Eindruck machte übrigens auf uns das Schaufenster des Uhr-
machers Humbert, das französische Orden und Ehrenzeichen zu Hunderten bunt
gemengt zu Kaufe bot. Welcher deutsche Soldat hätte, auch in der äußer¬
sten Noth, sein eigenes Verdienstzeichen preiszugeben vermocht! O'egt la. xuerrs,
sagten die Franzosen und lachten leichtfertig darüber. — Daß in einem Gast.
Hofe den Franzosen in einem besonderen Zimmer für den nämlichen Preis
eirre weit glänzendere Mahlzeit aufgetragen ward, als im Erdgeschosse den
Deutschen, will ich nicht weiter hervorheben, da dergleichen nur zu erklärlich
ist, wenn man auch bei uns schwerlich so verfahren würde.
Soviel über die erkennbare Stimmung von Metz. In Straßvurg fand
ich auf der Rückreise, daß gerade die deutsche Bewohnerschaft am meisten
Feindseligkeit wenigstens zu« Schau trug. Indessen kann man sich dem
Augenscheine nicht verschließen, daß es leicht sein dürfte, den Kaufmanns¬
und Arbeiterstand bald für uns zu gewinnen. Von den furchtbaren Bildern
der Zerstörung, die doch alle Vorstellung aus der Ferne übertreffen, schweige
ich, Va die Tagespresse genugsam darüber berichtet hat. Die Kehler Brücke
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