Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

volle Hälfte. Da er sie nicht selbst verwalten wollte, wahrscheinlich auch den
Kaufschilling nicht voll disponibel hatte, verpfändete er sie für 2846 rheini¬
sche Gulden den Spiegel von Desenberg, und so zogen die ursprünglichen
Gründer der Stadt nach hundert Jahren in dieselbe wieder ein. Sie bauten
ein zweites Schloß und wohnten neben den Papenheim, den Besitzern der
anderen Hälfte. Sehr bald mußte es dem Bischof lästig werden, die Herr¬
schaft über die Stadt mit den Papenheim und deren Lehnsherren, den Grafen
von Waldeck, zu theilen. Die günstige Gelegenheit, eine Aenderung der Ver¬
hältnisse herbeizuführen, ließ nicht lange auf sich warten. Diesmal war es
eine Geldklemme der Papenheim; sie hatten 2000 Thaler nöthig. Wenn
nun einmal der Paderborner Bischof derjenige sein mußte, welcher ihnen
half, so wäre das Einfachste gewesen, daß sie ihm ihre Hälfte von Liebenau
für jene Summe verpfändeten. Aber die Rechte, die hierdurch der Bischof
erwarb, genügten ihm nicht; er hielt jetzt den Augenblick gekommen, ganz
Liebenau an sich zu bringen, namentlich auch die Grafen von Waldeck daraus
zu verdrängen. Und das erreichte er auf folgende äußerst klug ersonnene
Weise. Zunächst bestimmte er die Grafen, auf ihre Lehnsherrlichkeit zu ver¬
zichten; die Entschädigung, die er ihnen verschaffte, war die anscheinend nahe
Aussicht, die Papenheim'sche Hälfte über kurz oder lang ganz zu erwerben.
Der Bischof veranlaßte nämlich an demselben Tage, an welchem die Waldecker
ihre Lehnshoheit aufgaben, die Papenheim, mit den Waldeckern einen Ver-
kaufsvertrcig zu schließen, durch welchen die Papenheim versprachen, sobald
sie ihren Antheil an Liebenau verkaufen wollten oder müßten, es ein Viertel¬
jahr zuvor den Grafen von Waldeck anzuzeigen, damit diese sich erklären
könnten, ob sie zu d>>in von einem Andern gebotenen Preise die Liebenauer
Hälfte kaufen wollten. Kaum war aber dieser Vertrag geschlossen, so ließ
der Bischof sofort den Grafen melden, er biete 7000 Thaler für die Hälfte
der Papenheim. Eine so hohe Summe mochten oder konnten die Grafen
nicht ze-hier, nach Ablauf des bedungenen Vierteljahres kaufte deshalb der
Bischof die Papenheim'sche Hälfte; zum deutlichen Beweise aber, daß das
Verkaufsrecht der Waldecker nur ein werthloser Köder gewesen war, ließ sich
der Bischof sofort 5000 Thaler von den gezählten 7000 "leihweise" zurück¬
geben und verpfändete ihnen dafür die eingekaufte Hälfte von Liebenau.
Der Erfolg dieses Manövers war: die Grafen von Waldeck hatten keinerlei
Rechte an Liebenau mehr; der Bischof erschien als der alleinige Herr der
Stadt und die Spiegel und Papenheim besaßen sie zwar als Pfandgläubi¬
ger, der Bischof hatte es aber in seiner Hand. Beide durch Zahlung des
Pfandschillings jeder Zeit aus der Stadt zu entfernen. Damit war Liebenau
definitiv zu Paderborn geschlagen. --

Wo das wohlfeilere und weniger riskante Mittel advoeatorischer Ränke


volle Hälfte. Da er sie nicht selbst verwalten wollte, wahrscheinlich auch den
Kaufschilling nicht voll disponibel hatte, verpfändete er sie für 2846 rheini¬
sche Gulden den Spiegel von Desenberg, und so zogen die ursprünglichen
Gründer der Stadt nach hundert Jahren in dieselbe wieder ein. Sie bauten
ein zweites Schloß und wohnten neben den Papenheim, den Besitzern der
anderen Hälfte. Sehr bald mußte es dem Bischof lästig werden, die Herr¬
schaft über die Stadt mit den Papenheim und deren Lehnsherren, den Grafen
von Waldeck, zu theilen. Die günstige Gelegenheit, eine Aenderung der Ver¬
hältnisse herbeizuführen, ließ nicht lange auf sich warten. Diesmal war es
eine Geldklemme der Papenheim; sie hatten 2000 Thaler nöthig. Wenn
nun einmal der Paderborner Bischof derjenige sein mußte, welcher ihnen
half, so wäre das Einfachste gewesen, daß sie ihm ihre Hälfte von Liebenau
für jene Summe verpfändeten. Aber die Rechte, die hierdurch der Bischof
erwarb, genügten ihm nicht; er hielt jetzt den Augenblick gekommen, ganz
Liebenau an sich zu bringen, namentlich auch die Grafen von Waldeck daraus
zu verdrängen. Und das erreichte er auf folgende äußerst klug ersonnene
Weise. Zunächst bestimmte er die Grafen, auf ihre Lehnsherrlichkeit zu ver¬
zichten; die Entschädigung, die er ihnen verschaffte, war die anscheinend nahe
Aussicht, die Papenheim'sche Hälfte über kurz oder lang ganz zu erwerben.
Der Bischof veranlaßte nämlich an demselben Tage, an welchem die Waldecker
ihre Lehnshoheit aufgaben, die Papenheim, mit den Waldeckern einen Ver-
kaufsvertrcig zu schließen, durch welchen die Papenheim versprachen, sobald
sie ihren Antheil an Liebenau verkaufen wollten oder müßten, es ein Viertel¬
jahr zuvor den Grafen von Waldeck anzuzeigen, damit diese sich erklären
könnten, ob sie zu d>>in von einem Andern gebotenen Preise die Liebenauer
Hälfte kaufen wollten. Kaum war aber dieser Vertrag geschlossen, so ließ
der Bischof sofort den Grafen melden, er biete 7000 Thaler für die Hälfte
der Papenheim. Eine so hohe Summe mochten oder konnten die Grafen
nicht ze-hier, nach Ablauf des bedungenen Vierteljahres kaufte deshalb der
Bischof die Papenheim'sche Hälfte; zum deutlichen Beweise aber, daß das
Verkaufsrecht der Waldecker nur ein werthloser Köder gewesen war, ließ sich
der Bischof sofort 5000 Thaler von den gezählten 7000 „leihweise" zurück¬
geben und verpfändete ihnen dafür die eingekaufte Hälfte von Liebenau.
Der Erfolg dieses Manövers war: die Grafen von Waldeck hatten keinerlei
Rechte an Liebenau mehr; der Bischof erschien als der alleinige Herr der
Stadt und die Spiegel und Papenheim besaßen sie zwar als Pfandgläubi¬
ger, der Bischof hatte es aber in seiner Hand. Beide durch Zahlung des
Pfandschillings jeder Zeit aus der Stadt zu entfernen. Damit war Liebenau
definitiv zu Paderborn geschlagen. —

Wo das wohlfeilere und weniger riskante Mittel advoeatorischer Ränke


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0342" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125048"/>
          <p xml:id="ID_1034" prev="#ID_1033"> volle Hälfte.  Da er sie nicht selbst verwalten wollte, wahrscheinlich auch den<lb/>
Kaufschilling nicht voll disponibel hatte, verpfändete er sie für 2846 rheini¬<lb/>
sche Gulden den Spiegel von Desenberg, und so zogen die ursprünglichen<lb/>
Gründer der Stadt nach hundert Jahren in dieselbe wieder ein.  Sie bauten<lb/>
ein zweites Schloß und wohnten neben den Papenheim, den Besitzern der<lb/>
anderen Hälfte.  Sehr bald mußte es dem Bischof lästig werden, die Herr¬<lb/>
schaft über die Stadt mit den Papenheim und deren Lehnsherren, den Grafen<lb/>
von Waldeck, zu theilen.  Die günstige Gelegenheit, eine Aenderung der Ver¬<lb/>
hältnisse herbeizuführen, ließ nicht lange auf sich warten.  Diesmal war es<lb/>
eine Geldklemme der Papenheim; sie hatten 2000 Thaler nöthig. Wenn<lb/>
nun einmal der Paderborner Bischof derjenige sein mußte, welcher ihnen<lb/>
half, so wäre das Einfachste gewesen, daß sie ihm ihre Hälfte von Liebenau<lb/>
für jene Summe verpfändeten.  Aber die Rechte, die hierdurch der Bischof<lb/>
erwarb, genügten ihm nicht; er hielt jetzt den Augenblick gekommen, ganz<lb/>
Liebenau an sich zu bringen, namentlich auch die Grafen von Waldeck daraus<lb/>
zu verdrängen.  Und das erreichte er auf folgende äußerst klug ersonnene<lb/>
Weise.  Zunächst bestimmte er die Grafen, auf ihre Lehnsherrlichkeit zu ver¬<lb/>
zichten; die Entschädigung, die er ihnen verschaffte, war die anscheinend nahe<lb/>
Aussicht, die Papenheim'sche Hälfte über kurz oder lang ganz zu erwerben.<lb/>
Der Bischof veranlaßte nämlich an demselben Tage, an welchem die Waldecker<lb/>
ihre Lehnshoheit aufgaben, die Papenheim, mit den Waldeckern einen Ver-<lb/>
kaufsvertrcig zu schließen, durch welchen die Papenheim versprachen, sobald<lb/>
sie ihren Antheil an Liebenau verkaufen wollten oder müßten, es ein Viertel¬<lb/>
jahr zuvor den Grafen von Waldeck anzuzeigen, damit diese sich erklären<lb/>
könnten, ob sie zu d&gt;&gt;in von einem Andern gebotenen Preise die Liebenauer<lb/>
Hälfte kaufen wollten.  Kaum war aber dieser Vertrag geschlossen, so ließ<lb/>
der Bischof sofort den Grafen melden, er biete 7000 Thaler für die Hälfte<lb/>
der Papenheim.  Eine so hohe Summe mochten oder konnten die Grafen<lb/>
nicht ze-hier, nach Ablauf des bedungenen Vierteljahres kaufte deshalb der<lb/>
Bischof die Papenheim'sche Hälfte; zum deutlichen Beweise aber, daß das<lb/>
Verkaufsrecht der Waldecker nur ein werthloser Köder gewesen war, ließ sich<lb/>
der Bischof sofort 5000 Thaler von den gezählten 7000 &#x201E;leihweise" zurück¬<lb/>
geben und verpfändete ihnen dafür die eingekaufte Hälfte von Liebenau.<lb/>
Der Erfolg dieses Manövers war: die Grafen von Waldeck hatten keinerlei<lb/>
Rechte an Liebenau mehr; der Bischof erschien als der alleinige Herr der<lb/>
Stadt und die Spiegel und Papenheim besaßen sie zwar als Pfandgläubi¬<lb/>
ger, der Bischof hatte es aber in seiner Hand. Beide durch Zahlung des<lb/>
Pfandschillings jeder Zeit aus der Stadt zu entfernen. Damit war Liebenau<lb/>
definitiv zu Paderborn geschlagen. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1035" next="#ID_1036"> Wo das wohlfeilere und weniger riskante Mittel advoeatorischer Ränke</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0342] volle Hälfte. Da er sie nicht selbst verwalten wollte, wahrscheinlich auch den Kaufschilling nicht voll disponibel hatte, verpfändete er sie für 2846 rheini¬ sche Gulden den Spiegel von Desenberg, und so zogen die ursprünglichen Gründer der Stadt nach hundert Jahren in dieselbe wieder ein. Sie bauten ein zweites Schloß und wohnten neben den Papenheim, den Besitzern der anderen Hälfte. Sehr bald mußte es dem Bischof lästig werden, die Herr¬ schaft über die Stadt mit den Papenheim und deren Lehnsherren, den Grafen von Waldeck, zu theilen. Die günstige Gelegenheit, eine Aenderung der Ver¬ hältnisse herbeizuführen, ließ nicht lange auf sich warten. Diesmal war es eine Geldklemme der Papenheim; sie hatten 2000 Thaler nöthig. Wenn nun einmal der Paderborner Bischof derjenige sein mußte, welcher ihnen half, so wäre das Einfachste gewesen, daß sie ihm ihre Hälfte von Liebenau für jene Summe verpfändeten. Aber die Rechte, die hierdurch der Bischof erwarb, genügten ihm nicht; er hielt jetzt den Augenblick gekommen, ganz Liebenau an sich zu bringen, namentlich auch die Grafen von Waldeck daraus zu verdrängen. Und das erreichte er auf folgende äußerst klug ersonnene Weise. Zunächst bestimmte er die Grafen, auf ihre Lehnsherrlichkeit zu ver¬ zichten; die Entschädigung, die er ihnen verschaffte, war die anscheinend nahe Aussicht, die Papenheim'sche Hälfte über kurz oder lang ganz zu erwerben. Der Bischof veranlaßte nämlich an demselben Tage, an welchem die Waldecker ihre Lehnshoheit aufgaben, die Papenheim, mit den Waldeckern einen Ver- kaufsvertrcig zu schließen, durch welchen die Papenheim versprachen, sobald sie ihren Antheil an Liebenau verkaufen wollten oder müßten, es ein Viertel¬ jahr zuvor den Grafen von Waldeck anzuzeigen, damit diese sich erklären könnten, ob sie zu d>>in von einem Andern gebotenen Preise die Liebenauer Hälfte kaufen wollten. Kaum war aber dieser Vertrag geschlossen, so ließ der Bischof sofort den Grafen melden, er biete 7000 Thaler für die Hälfte der Papenheim. Eine so hohe Summe mochten oder konnten die Grafen nicht ze-hier, nach Ablauf des bedungenen Vierteljahres kaufte deshalb der Bischof die Papenheim'sche Hälfte; zum deutlichen Beweise aber, daß das Verkaufsrecht der Waldecker nur ein werthloser Köder gewesen war, ließ sich der Bischof sofort 5000 Thaler von den gezählten 7000 „leihweise" zurück¬ geben und verpfändete ihnen dafür die eingekaufte Hälfte von Liebenau. Der Erfolg dieses Manövers war: die Grafen von Waldeck hatten keinerlei Rechte an Liebenau mehr; der Bischof erschien als der alleinige Herr der Stadt und die Spiegel und Papenheim besaßen sie zwar als Pfandgläubi¬ ger, der Bischof hatte es aber in seiner Hand. Beide durch Zahlung des Pfandschillings jeder Zeit aus der Stadt zu entfernen. Damit war Liebenau definitiv zu Paderborn geschlagen. — Wo das wohlfeilere und weniger riskante Mittel advoeatorischer Ränke

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/342
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/342>, abgerufen am 23.12.2024.