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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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In Bremen stellte sich, wie man denken kann, sofort der intellektuelle
Urheber der Expedition. Dr. A. Petermann ans Gotha ein, um die
zurückgekehrte Hälfte derselben zu begrüßen und über ihre Erlebnisse zu ver¬
hören. Commandirt hatte die "Hansa" Capitän Hegemann aus Oldenburg;
seine gelehrten Begleiter waren Dr. Buchholz aus Greifswald und öl>. Laube
aus Wien, von denen Ersterer leider eine chronische Gehirnkrankheit aus der
Region des ewigen Eises zurückbrachte. Kaum aber hatte Dr. Petermann
sich nach Gotha zurückbegeben, so traf am Abend des 11. September die
frohe Nachricht ein, daß Capitän Koldewey's "Germania" wohlbehalten
Bremerhaven erreicht habe. Es grenzte ans Wunderhafte, nicht daß sie über¬
haupt glücklich aus dem Polarmeer zurückkehrte, sondern daß sie, statt auf
die eben abgezogene französische, vielmehr auf die deutsche Kriegsflotte stieß,
und dies deshalb, weil die den Eingang der Weser-Mündung bezeich¬
nende Tonne mit dem Schlüssel des Bremer Wappens nicht aufzufinden ge¬
wesen war, was Capitän Koldeweh bewog, nach der Jade hinüberzuhalten
und ihn so vor dem jämmerlichen Geschicke, auf einen Torpedo zu rennen,
behütete.

Die "Germania" hatte zwar auch weder den Nordpol erreicht, noch das
von Petermann vermuthete, ihn umfluthende offene Meer entdeckt, war aber
sonst sehr glücklich gewesen. Ihr war es, da sie sich unabhängig vom Winde
mit Dampf vorwärts bewegen konnte, gelungen, die Ostküste Grönlands zu
erreichen, und ihre Führer und Gelehrten hatten dort schöne geographische
Entdeckungen, werthvolle wissenschaftliche Beobachtungen gemacht. Mit zahl¬
reichen und zum Theil weiten Schlittenreisen, während das Schiff im Winter¬
lager unter der Sabine-Insel wohlgeschützt festlag, hatten Bootausflüge und
Kreuzungen mit dem Schisse während der beiden dort durchlebten wärmeren
Jahreszeiten abgewechselt. Ueber die Küstenbildung, die Bodenerhebung, die
Pflanzendecke und das Thierleben im nordöstlichen Grönland waren höchst
schätzbare Aufschlüsse gewonnen. Ein üppig grünendes, reich belebtes Alpen¬
land war da vorgefunden worden, wo man nichts als weite Schneewüsten,
selten und kurz durch dürftige Vegetation unterbrochen, vermuthet hatte.
Auch daß eine Gradmessung in diesen hohen Breiten mit nicht viel größerer
Schwierigkeit als im gemäßigten Klima Europas möglich sei, glauben die
Astronomen der Expedition durch ihre Recognoscirungen und Versuche festge¬
stellt zu haben.

Die "Germania" hat also für die wissenschaftlichen Zwecke des Unter¬
nehmens jedenfalls etwas geleistet, was der aufgewandten Opfer und Mühen
werth erscheint: umfängliche gelehrte wie populäre Veröffentlichungen und
die mitgebrachten Gegenstände wissenschaftlicher Anschauung werden dauernd
dafür zeugen. Die Männer von der "Hansa", ebenfalls nicht völlig ohne


In Bremen stellte sich, wie man denken kann, sofort der intellektuelle
Urheber der Expedition. Dr. A. Petermann ans Gotha ein, um die
zurückgekehrte Hälfte derselben zu begrüßen und über ihre Erlebnisse zu ver¬
hören. Commandirt hatte die „Hansa" Capitän Hegemann aus Oldenburg;
seine gelehrten Begleiter waren Dr. Buchholz aus Greifswald und öl>. Laube
aus Wien, von denen Ersterer leider eine chronische Gehirnkrankheit aus der
Region des ewigen Eises zurückbrachte. Kaum aber hatte Dr. Petermann
sich nach Gotha zurückbegeben, so traf am Abend des 11. September die
frohe Nachricht ein, daß Capitän Koldewey's „Germania" wohlbehalten
Bremerhaven erreicht habe. Es grenzte ans Wunderhafte, nicht daß sie über¬
haupt glücklich aus dem Polarmeer zurückkehrte, sondern daß sie, statt auf
die eben abgezogene französische, vielmehr auf die deutsche Kriegsflotte stieß,
und dies deshalb, weil die den Eingang der Weser-Mündung bezeich¬
nende Tonne mit dem Schlüssel des Bremer Wappens nicht aufzufinden ge¬
wesen war, was Capitän Koldeweh bewog, nach der Jade hinüberzuhalten
und ihn so vor dem jämmerlichen Geschicke, auf einen Torpedo zu rennen,
behütete.

Die „Germania" hatte zwar auch weder den Nordpol erreicht, noch das
von Petermann vermuthete, ihn umfluthende offene Meer entdeckt, war aber
sonst sehr glücklich gewesen. Ihr war es, da sie sich unabhängig vom Winde
mit Dampf vorwärts bewegen konnte, gelungen, die Ostküste Grönlands zu
erreichen, und ihre Führer und Gelehrten hatten dort schöne geographische
Entdeckungen, werthvolle wissenschaftliche Beobachtungen gemacht. Mit zahl¬
reichen und zum Theil weiten Schlittenreisen, während das Schiff im Winter¬
lager unter der Sabine-Insel wohlgeschützt festlag, hatten Bootausflüge und
Kreuzungen mit dem Schisse während der beiden dort durchlebten wärmeren
Jahreszeiten abgewechselt. Ueber die Küstenbildung, die Bodenerhebung, die
Pflanzendecke und das Thierleben im nordöstlichen Grönland waren höchst
schätzbare Aufschlüsse gewonnen. Ein üppig grünendes, reich belebtes Alpen¬
land war da vorgefunden worden, wo man nichts als weite Schneewüsten,
selten und kurz durch dürftige Vegetation unterbrochen, vermuthet hatte.
Auch daß eine Gradmessung in diesen hohen Breiten mit nicht viel größerer
Schwierigkeit als im gemäßigten Klima Europas möglich sei, glauben die
Astronomen der Expedition durch ihre Recognoscirungen und Versuche festge¬
stellt zu haben.

Die „Germania" hat also für die wissenschaftlichen Zwecke des Unter¬
nehmens jedenfalls etwas geleistet, was der aufgewandten Opfer und Mühen
werth erscheint: umfängliche gelehrte wie populäre Veröffentlichungen und
die mitgebrachten Gegenstände wissenschaftlicher Anschauung werden dauernd
dafür zeugen. Die Männer von der „Hansa", ebenfalls nicht völlig ohne


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[0030] In Bremen stellte sich, wie man denken kann, sofort der intellektuelle Urheber der Expedition. Dr. A. Petermann ans Gotha ein, um die zurückgekehrte Hälfte derselben zu begrüßen und über ihre Erlebnisse zu ver¬ hören. Commandirt hatte die „Hansa" Capitän Hegemann aus Oldenburg; seine gelehrten Begleiter waren Dr. Buchholz aus Greifswald und öl>. Laube aus Wien, von denen Ersterer leider eine chronische Gehirnkrankheit aus der Region des ewigen Eises zurückbrachte. Kaum aber hatte Dr. Petermann sich nach Gotha zurückbegeben, so traf am Abend des 11. September die frohe Nachricht ein, daß Capitän Koldewey's „Germania" wohlbehalten Bremerhaven erreicht habe. Es grenzte ans Wunderhafte, nicht daß sie über¬ haupt glücklich aus dem Polarmeer zurückkehrte, sondern daß sie, statt auf die eben abgezogene französische, vielmehr auf die deutsche Kriegsflotte stieß, und dies deshalb, weil die den Eingang der Weser-Mündung bezeich¬ nende Tonne mit dem Schlüssel des Bremer Wappens nicht aufzufinden ge¬ wesen war, was Capitän Koldeweh bewog, nach der Jade hinüberzuhalten und ihn so vor dem jämmerlichen Geschicke, auf einen Torpedo zu rennen, behütete. Die „Germania" hatte zwar auch weder den Nordpol erreicht, noch das von Petermann vermuthete, ihn umfluthende offene Meer entdeckt, war aber sonst sehr glücklich gewesen. Ihr war es, da sie sich unabhängig vom Winde mit Dampf vorwärts bewegen konnte, gelungen, die Ostküste Grönlands zu erreichen, und ihre Führer und Gelehrten hatten dort schöne geographische Entdeckungen, werthvolle wissenschaftliche Beobachtungen gemacht. Mit zahl¬ reichen und zum Theil weiten Schlittenreisen, während das Schiff im Winter¬ lager unter der Sabine-Insel wohlgeschützt festlag, hatten Bootausflüge und Kreuzungen mit dem Schisse während der beiden dort durchlebten wärmeren Jahreszeiten abgewechselt. Ueber die Küstenbildung, die Bodenerhebung, die Pflanzendecke und das Thierleben im nordöstlichen Grönland waren höchst schätzbare Aufschlüsse gewonnen. Ein üppig grünendes, reich belebtes Alpen¬ land war da vorgefunden worden, wo man nichts als weite Schneewüsten, selten und kurz durch dürftige Vegetation unterbrochen, vermuthet hatte. Auch daß eine Gradmessung in diesen hohen Breiten mit nicht viel größerer Schwierigkeit als im gemäßigten Klima Europas möglich sei, glauben die Astronomen der Expedition durch ihre Recognoscirungen und Versuche festge¬ stellt zu haben. Die „Germania" hat also für die wissenschaftlichen Zwecke des Unter¬ nehmens jedenfalls etwas geleistet, was der aufgewandten Opfer und Mühen werth erscheint: umfängliche gelehrte wie populäre Veröffentlichungen und die mitgebrachten Gegenstände wissenschaftlicher Anschauung werden dauernd dafür zeugen. Die Männer von der „Hansa", ebenfalls nicht völlig ohne

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/30>, abgerufen am 22.12.2024.