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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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wichtigen Werken versucht haben, wohl mit einander vergleichen. Man wird
in Sybel mehr Geist und Universalität, in Hausier mehr Kraft und ein noch
wärmeres Deutschthum antreffen. Wem man den Preis der Kunst in der
Organisation des Stoffes wie in der Sprache zu erkennen muß, kann keinen
Augenblick zweifelhaft sein, daß man aber Hauffer persönlich lieber gewinnt
aus seinen Schriften, wird mir kein lebhaft fühlender Mensch abstreiten. Wer
wäre so engherzig, nicht beide zu genießen? Freuen wir uns vielmehr, daß es
der Mischungsverhältnisse zwischen jenen zwei alten Hauptelementen viele
gibt, und daß Hauffer, in dem die männliche Gewalt eines sittlich beherr¬
schenden Subjects die Hingabe an einen sich selbst regierenden Stoff doch um
ein beträchtliches überwiegt, eine eigene Stellung sich errungen hat, was
er doch niemals in Eitelkeit erstrebte. --

Es würde eine Lust sein, aus den "gesammelten Schriften" noch ein an¬
deres Bild zu entnehmen, ich meine das von der Stellung und Haltung
Hauffer's gegen die französtsch-bonapartistische Geschichtschreibung, insbesondere
gegen Thiers, dessen berühmter und berüchtigter Geschichte des Consulats
und des Kaiserreichs allein mehr als 200 Seiten gewidmet sind. Allein wir
halten es für nicht artig, aus den Früchten, die dem Publikum zum vollen
Genusse dargereicht werden, die feinsten Säfte wählerisch herauszupressen, da¬
mit es wohl gar glaube, alles übrige sei nur Schale. Ich will nur das
sagen, daß Hauffer es gewesen, der, wie scharfsichtig er auch in dem Thiers-
schen Buche selbst eine geschichtliche Thatsache erkannt hat -- die leibhaftige
Wiederkunft des Napoleonismus hat ihm nur allzusehr Recht gegeben -- doch
zuerst und am kräftigsten unsere Landsleute wenigstens von der berückenden Kunst
entzaubert hat, die in den vierziger Jahren unsere vornehmsten Blätter fast
allwöchentlich "interessante Bulletins über die wichtige Zeitfrage auszugeben"
verleitete, "wie weit Herr Thiers mit seiner Geschichte vorgerückt sei".

Wir sehen weiteren Aehrenlesen auf dem Felde Häusserscher Arbeit mit
Erwartung entgegen. Besonders wünschen wir auch das prächtige Send¬
schreiben an Ouro Klopp, den das ätzende Bad des Jahres 66 von der
deutschen Bildfläche glücklich hat verschwinden lassen, wieder abgedruckt zu
sehen, eine der herrlichsten Waffenthaten des streitbaren Geistes. Von einer
Sammlung der Kammerreden wollen die Herausgeber Abstand nehmen, um
sie einer etwaigen Biographie aufzubehalten. Nicht aber sollten sie wenig¬
stens den trefflichen Ausschußbericht über das östreichische Ri'formproject vom
August 1863 zurücklassen; das neue Deutschland muß sich dauernd erinnern,
wie der 'hellblickende Mann über die politischen Gesammtbedürfnifse des Vater¬
landes dachte, wie er den trügerischen Angeboten zur Rettung unbeirrt und
unverzagt zu widerstehen wußte, einer Zukunft entgegenhoffend und handelnd,
die nun strahlend hereingebrochen ist, der Freiheit Tag zu bringen auch dem


wichtigen Werken versucht haben, wohl mit einander vergleichen. Man wird
in Sybel mehr Geist und Universalität, in Hausier mehr Kraft und ein noch
wärmeres Deutschthum antreffen. Wem man den Preis der Kunst in der
Organisation des Stoffes wie in der Sprache zu erkennen muß, kann keinen
Augenblick zweifelhaft sein, daß man aber Hauffer persönlich lieber gewinnt
aus seinen Schriften, wird mir kein lebhaft fühlender Mensch abstreiten. Wer
wäre so engherzig, nicht beide zu genießen? Freuen wir uns vielmehr, daß es
der Mischungsverhältnisse zwischen jenen zwei alten Hauptelementen viele
gibt, und daß Hauffer, in dem die männliche Gewalt eines sittlich beherr¬
schenden Subjects die Hingabe an einen sich selbst regierenden Stoff doch um
ein beträchtliches überwiegt, eine eigene Stellung sich errungen hat, was
er doch niemals in Eitelkeit erstrebte. —

Es würde eine Lust sein, aus den „gesammelten Schriften" noch ein an¬
deres Bild zu entnehmen, ich meine das von der Stellung und Haltung
Hauffer's gegen die französtsch-bonapartistische Geschichtschreibung, insbesondere
gegen Thiers, dessen berühmter und berüchtigter Geschichte des Consulats
und des Kaiserreichs allein mehr als 200 Seiten gewidmet sind. Allein wir
halten es für nicht artig, aus den Früchten, die dem Publikum zum vollen
Genusse dargereicht werden, die feinsten Säfte wählerisch herauszupressen, da¬
mit es wohl gar glaube, alles übrige sei nur Schale. Ich will nur das
sagen, daß Hauffer es gewesen, der, wie scharfsichtig er auch in dem Thiers-
schen Buche selbst eine geschichtliche Thatsache erkannt hat — die leibhaftige
Wiederkunft des Napoleonismus hat ihm nur allzusehr Recht gegeben — doch
zuerst und am kräftigsten unsere Landsleute wenigstens von der berückenden Kunst
entzaubert hat, die in den vierziger Jahren unsere vornehmsten Blätter fast
allwöchentlich „interessante Bulletins über die wichtige Zeitfrage auszugeben"
verleitete, „wie weit Herr Thiers mit seiner Geschichte vorgerückt sei".

Wir sehen weiteren Aehrenlesen auf dem Felde Häusserscher Arbeit mit
Erwartung entgegen. Besonders wünschen wir auch das prächtige Send¬
schreiben an Ouro Klopp, den das ätzende Bad des Jahres 66 von der
deutschen Bildfläche glücklich hat verschwinden lassen, wieder abgedruckt zu
sehen, eine der herrlichsten Waffenthaten des streitbaren Geistes. Von einer
Sammlung der Kammerreden wollen die Herausgeber Abstand nehmen, um
sie einer etwaigen Biographie aufzubehalten. Nicht aber sollten sie wenig¬
stens den trefflichen Ausschußbericht über das östreichische Ri'formproject vom
August 1863 zurücklassen; das neue Deutschland muß sich dauernd erinnern,
wie der 'hellblickende Mann über die politischen Gesammtbedürfnifse des Vater¬
landes dachte, wie er den trügerischen Angeboten zur Rettung unbeirrt und
unverzagt zu widerstehen wußte, einer Zukunft entgegenhoffend und handelnd,
die nun strahlend hereingebrochen ist, der Freiheit Tag zu bringen auch dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/272>, abgerufen am 22.12.2024.