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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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daß die russischen Staatsmänner von dieser östreichisch-sächsischen Intrigue
auf die eine oder die andere Weise sehr bald Wind bekamen. Wir lassen
nun den Herrn von Uechtritz seine weiteren Abenteuer selbst erzählen:

Am 20. November Nachmittags fünf Uhr reiste ich von Frankfurt ab;
in meinem Portefeuille befanden sich die verschiedenen Schriftstücke, die ich
dem Könige überbringen sollte.*)

Ich schlug den Weg über Würzburg und Baireuth ein, da alle Welt
mir rieth, diesen dem zwar kürzeren, aber von Truppenzügen überfüllten über
Fulda vorzuziehen; allein der Umweg, den ich auf diese Weise zu machen
genöthigt war, und der schlechte Zustand der Straßen waren Schuld, daß
ich trotz der größten Anstrengung erst am 24. gegen Mittag in Leipzig an¬
langte. Bis dahin hatte die Berufung auf einen Paß des Fürsten Schwarzen-
berg, ohne daß ich ihn je vorzuzeigen brauchte, genügt, um mich überall ohne
das geringste Hinderniß passiren zu lassen, aber bei meiner Ankunft in Leipzig
mußte ich ihn auf's Paßbureau schicken. Die Signatur des Fürsten Rep.
um, die Erlaubniß des Obersten Prendel, mir Postpferde zu stellen und die
Schwierigkeit mir deren zu verschaffen, hielten mich bis Abends 8^ Uhr
zurück. Ich benutzte diesen Aufenthalt, um den General Thielmann zu be¬
suchen und Langenau's Brief an ihn abzugeben; hierdurch von dem Zwecke
meiner Reise unterrichtet, sprach er mit mir darüber, theilte mir die Sendung
des Generals von Watzdorf nach Frankfurt mit und beschwor mich, diese
Sache nicht im Geheimen zu betreiben, sondern dem Fürsten Repnin persön¬
lich meine Aufwartung zu machen, worauf ich ihm antwortete, wie sich aus
dem Umständen, daß ich meinen Paß von dem Fürsten hätte visiren lassen,
ergebe, sei meine Reise keineswegs ein Geheimniß, zum Ueberflusse wolle ich
aber auch noch demselben meine Aufwartung machen. So that ich denn
auch und fragte, indem ich mich anmelden ließ, an, ob der Fürst etwa Aus"
träge für mich nach Berlin habe; er nahm mich jedoch nicht an, sondern ließ
mir sagen, er habe für den Augenblick nichts.

Nachdem mir der Postmeister gegen acht Uhr drei Pferde geschickt hatte,
reiste ich von Leipzig ab; meine Sauvegarde hatte ich neben mich in den
Wagen genommen, der Bediente saß neben dem Postillon auf dem Bock, die
Wagenlaternen waren angezündet. Kaum hatte ich das hallische Thor hinter
mir, so hörte und sah ich Kosaken neben meinem Wagen vorüberreiten, die
denselben überholten, da ich aber deren unterwegs schon so viele angetroffen



*) Dieselben bestanden 1) aus einem Berichte des Grafen sausst an den König vom
2N. November, 2) einer Depesche der sächsischen Gesandtschaft in Stuttgart vom 28. October über
die Haltung des würtembergischen Hofes seit dem Ende des Waffenstillstandes, 3) einer zweiten
desgleichen vom 9. November nebst Briefen, 4) zwei chiffrirtcn Depeschen der sächsischen Gesandt¬
schaft in Paris, S) aus Briefen Binders an den Grafen Zichy, SenfftS und des Grafen Ein¬
siedel in München an den sächsischen Minister von Einsiedel,

daß die russischen Staatsmänner von dieser östreichisch-sächsischen Intrigue
auf die eine oder die andere Weise sehr bald Wind bekamen. Wir lassen
nun den Herrn von Uechtritz seine weiteren Abenteuer selbst erzählen:

Am 20. November Nachmittags fünf Uhr reiste ich von Frankfurt ab;
in meinem Portefeuille befanden sich die verschiedenen Schriftstücke, die ich
dem Könige überbringen sollte.*)

Ich schlug den Weg über Würzburg und Baireuth ein, da alle Welt
mir rieth, diesen dem zwar kürzeren, aber von Truppenzügen überfüllten über
Fulda vorzuziehen; allein der Umweg, den ich auf diese Weise zu machen
genöthigt war, und der schlechte Zustand der Straßen waren Schuld, daß
ich trotz der größten Anstrengung erst am 24. gegen Mittag in Leipzig an¬
langte. Bis dahin hatte die Berufung auf einen Paß des Fürsten Schwarzen-
berg, ohne daß ich ihn je vorzuzeigen brauchte, genügt, um mich überall ohne
das geringste Hinderniß passiren zu lassen, aber bei meiner Ankunft in Leipzig
mußte ich ihn auf's Paßbureau schicken. Die Signatur des Fürsten Rep.
um, die Erlaubniß des Obersten Prendel, mir Postpferde zu stellen und die
Schwierigkeit mir deren zu verschaffen, hielten mich bis Abends 8^ Uhr
zurück. Ich benutzte diesen Aufenthalt, um den General Thielmann zu be¬
suchen und Langenau's Brief an ihn abzugeben; hierdurch von dem Zwecke
meiner Reise unterrichtet, sprach er mit mir darüber, theilte mir die Sendung
des Generals von Watzdorf nach Frankfurt mit und beschwor mich, diese
Sache nicht im Geheimen zu betreiben, sondern dem Fürsten Repnin persön¬
lich meine Aufwartung zu machen, worauf ich ihm antwortete, wie sich aus
dem Umständen, daß ich meinen Paß von dem Fürsten hätte visiren lassen,
ergebe, sei meine Reise keineswegs ein Geheimniß, zum Ueberflusse wolle ich
aber auch noch demselben meine Aufwartung machen. So that ich denn
auch und fragte, indem ich mich anmelden ließ, an, ob der Fürst etwa Aus«
träge für mich nach Berlin habe; er nahm mich jedoch nicht an, sondern ließ
mir sagen, er habe für den Augenblick nichts.

Nachdem mir der Postmeister gegen acht Uhr drei Pferde geschickt hatte,
reiste ich von Leipzig ab; meine Sauvegarde hatte ich neben mich in den
Wagen genommen, der Bediente saß neben dem Postillon auf dem Bock, die
Wagenlaternen waren angezündet. Kaum hatte ich das hallische Thor hinter
mir, so hörte und sah ich Kosaken neben meinem Wagen vorüberreiten, die
denselben überholten, da ich aber deren unterwegs schon so viele angetroffen



*) Dieselben bestanden 1) aus einem Berichte des Grafen sausst an den König vom
2N. November, 2) einer Depesche der sächsischen Gesandtschaft in Stuttgart vom 28. October über
die Haltung des würtembergischen Hofes seit dem Ende des Waffenstillstandes, 3) einer zweiten
desgleichen vom 9. November nebst Briefen, 4) zwei chiffrirtcn Depeschen der sächsischen Gesandt¬
schaft in Paris, S) aus Briefen Binders an den Grafen Zichy, SenfftS und des Grafen Ein¬
siedel in München an den sächsischen Minister von Einsiedel,
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[0180] daß die russischen Staatsmänner von dieser östreichisch-sächsischen Intrigue auf die eine oder die andere Weise sehr bald Wind bekamen. Wir lassen nun den Herrn von Uechtritz seine weiteren Abenteuer selbst erzählen: Am 20. November Nachmittags fünf Uhr reiste ich von Frankfurt ab; in meinem Portefeuille befanden sich die verschiedenen Schriftstücke, die ich dem Könige überbringen sollte.*) Ich schlug den Weg über Würzburg und Baireuth ein, da alle Welt mir rieth, diesen dem zwar kürzeren, aber von Truppenzügen überfüllten über Fulda vorzuziehen; allein der Umweg, den ich auf diese Weise zu machen genöthigt war, und der schlechte Zustand der Straßen waren Schuld, daß ich trotz der größten Anstrengung erst am 24. gegen Mittag in Leipzig an¬ langte. Bis dahin hatte die Berufung auf einen Paß des Fürsten Schwarzen- berg, ohne daß ich ihn je vorzuzeigen brauchte, genügt, um mich überall ohne das geringste Hinderniß passiren zu lassen, aber bei meiner Ankunft in Leipzig mußte ich ihn auf's Paßbureau schicken. Die Signatur des Fürsten Rep. um, die Erlaubniß des Obersten Prendel, mir Postpferde zu stellen und die Schwierigkeit mir deren zu verschaffen, hielten mich bis Abends 8^ Uhr zurück. Ich benutzte diesen Aufenthalt, um den General Thielmann zu be¬ suchen und Langenau's Brief an ihn abzugeben; hierdurch von dem Zwecke meiner Reise unterrichtet, sprach er mit mir darüber, theilte mir die Sendung des Generals von Watzdorf nach Frankfurt mit und beschwor mich, diese Sache nicht im Geheimen zu betreiben, sondern dem Fürsten Repnin persön¬ lich meine Aufwartung zu machen, worauf ich ihm antwortete, wie sich aus dem Umständen, daß ich meinen Paß von dem Fürsten hätte visiren lassen, ergebe, sei meine Reise keineswegs ein Geheimniß, zum Ueberflusse wolle ich aber auch noch demselben meine Aufwartung machen. So that ich denn auch und fragte, indem ich mich anmelden ließ, an, ob der Fürst etwa Aus« träge für mich nach Berlin habe; er nahm mich jedoch nicht an, sondern ließ mir sagen, er habe für den Augenblick nichts. Nachdem mir der Postmeister gegen acht Uhr drei Pferde geschickt hatte, reiste ich von Leipzig ab; meine Sauvegarde hatte ich neben mich in den Wagen genommen, der Bediente saß neben dem Postillon auf dem Bock, die Wagenlaternen waren angezündet. Kaum hatte ich das hallische Thor hinter mir, so hörte und sah ich Kosaken neben meinem Wagen vorüberreiten, die denselben überholten, da ich aber deren unterwegs schon so viele angetroffen *) Dieselben bestanden 1) aus einem Berichte des Grafen sausst an den König vom 2N. November, 2) einer Depesche der sächsischen Gesandtschaft in Stuttgart vom 28. October über die Haltung des würtembergischen Hofes seit dem Ende des Waffenstillstandes, 3) einer zweiten desgleichen vom 9. November nebst Briefen, 4) zwei chiffrirtcn Depeschen der sächsischen Gesandt¬ schaft in Paris, S) aus Briefen Binders an den Grafen Zichy, SenfftS und des Grafen Ein¬ siedel in München an den sächsischen Minister von Einsiedel,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/180>, abgerufen am 22.12.2024.