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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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und daß die badische Division nach langem Belagerungsdienst Gelegenheit er¬
hält, auch im Felde ihre Kciegstüchtigkeit zu erweisen.

Noch bei einer andern Forderung, die bereits zur Sprache kam, empfin¬
den wir ein Mißbehagen, welches wir mit den sehr verständigen Gründen
der Heischenden nicht zu bewältigen vermögen. Es liegt nahe genug, als
Entschädigung für zugefügten Seeschaden einen Theil der französischen
Kriegsflotte zu fordern. Dergleichen Forderung ist einem besiegten Feinde
in früheren Jahrhunderten mehr als einmal aufgelegt worden, wir Deutsche
sind zur Zeit nicht im Stande, große Panzerschiffe im Inlands zu
bauen, wir vermögen bei den größten Geldmitteln vor 3 bis 5 Jahren nicht
eine größere Anzahl der besten Schiffe im Auslande gebaut zu elhalten, und
wir würden bei solchem Bau für die nächste Zeit wohl auf England allein
angewiesen sein. Das Alles ist unbestreitbar, und ebenso einleuchtend ist,
daß es für uns grade in den nächsten Jahren von besonderer Bedeutung
sein kann, als eine Seemacht zweiten Ranges fertig gerüstet dazustehen.
Dennoch hat es für deutsche Empfindung etwas Unbehagliches, in solcher
Weise durch Besitz der Fremden reicher zu werden. Wir haben die Schiffe
nicht als Schlachtenbeute gewonnen, wir betrachten die französische Marine,
was männliche Gesinnung und persönliche Tüchtigkeit der Offiziere und
Mannschaften betrifft, als den ehrenhaftesten und besten Thut der französi¬
schen Kriegsmacht, und wir glauben uns in der Annahme nicht zu irren,
daß auch unsere braven deutschen Seeleute freudiger auf einem Schiff fahren
werden, das mit unserem Gelde gebaut ist, als auf den Planken, die ihren
unbesiegten Gegnern durch große Niederlagen des französischen Landheeres
unter den Füßen weggezogen worden sind.

Wir haben in den nächsten Wochen die Hoffnung, die militärischen
Früchte der größten Operationen einzuernten, welche je in modernem Kriege
gemacht worden sind, die Ergebung Bazaine's, die Einnahme von
Paris. Aber wir vermögen zur Zeit noch nicht zu erkennen, wie
aus Dem, was wir in Frankreich zerschlagen müssen, eine Auto"
rität herauswachsen wird, mit welcher ein Friedensschluß möglich und rath¬
sam ist. Zuletzt werden wir doch den Versuch machen müssen, mit den
Aovocaten und Landsassen zu pactiren, welche durch die beiden leitenden
Mächte des hilflosen Frankreichs, durch die französischen Journalisten und
die katholischen Geistlichen den Wählern für eine Constituante empfohlen
werden.


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und daß die badische Division nach langem Belagerungsdienst Gelegenheit er¬
hält, auch im Felde ihre Kciegstüchtigkeit zu erweisen.

Noch bei einer andern Forderung, die bereits zur Sprache kam, empfin¬
den wir ein Mißbehagen, welches wir mit den sehr verständigen Gründen
der Heischenden nicht zu bewältigen vermögen. Es liegt nahe genug, als
Entschädigung für zugefügten Seeschaden einen Theil der französischen
Kriegsflotte zu fordern. Dergleichen Forderung ist einem besiegten Feinde
in früheren Jahrhunderten mehr als einmal aufgelegt worden, wir Deutsche
sind zur Zeit nicht im Stande, große Panzerschiffe im Inlands zu
bauen, wir vermögen bei den größten Geldmitteln vor 3 bis 5 Jahren nicht
eine größere Anzahl der besten Schiffe im Auslande gebaut zu elhalten, und
wir würden bei solchem Bau für die nächste Zeit wohl auf England allein
angewiesen sein. Das Alles ist unbestreitbar, und ebenso einleuchtend ist,
daß es für uns grade in den nächsten Jahren von besonderer Bedeutung
sein kann, als eine Seemacht zweiten Ranges fertig gerüstet dazustehen.
Dennoch hat es für deutsche Empfindung etwas Unbehagliches, in solcher
Weise durch Besitz der Fremden reicher zu werden. Wir haben die Schiffe
nicht als Schlachtenbeute gewonnen, wir betrachten die französische Marine,
was männliche Gesinnung und persönliche Tüchtigkeit der Offiziere und
Mannschaften betrifft, als den ehrenhaftesten und besten Thut der französi¬
schen Kriegsmacht, und wir glauben uns in der Annahme nicht zu irren,
daß auch unsere braven deutschen Seeleute freudiger auf einem Schiff fahren
werden, das mit unserem Gelde gebaut ist, als auf den Planken, die ihren
unbesiegten Gegnern durch große Niederlagen des französischen Landheeres
unter den Füßen weggezogen worden sind.

Wir haben in den nächsten Wochen die Hoffnung, die militärischen
Früchte der größten Operationen einzuernten, welche je in modernem Kriege
gemacht worden sind, die Ergebung Bazaine's, die Einnahme von
Paris. Aber wir vermögen zur Zeit noch nicht zu erkennen, wie
aus Dem, was wir in Frankreich zerschlagen müssen, eine Auto»
rität herauswachsen wird, mit welcher ein Friedensschluß möglich und rath¬
sam ist. Zuletzt werden wir doch den Versuch machen müssen, mit den
Aovocaten und Landsassen zu pactiren, welche durch die beiden leitenden
Mächte des hilflosen Frankreichs, durch die französischen Journalisten und
die katholischen Geistlichen den Wählern für eine Constituante empfohlen
werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/18>, abgerufen am 22.12.2024.