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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Mehr noch, als die äußere Seite unserer Errungenschaften, bewegt uns jetzt
die innere, die bevorstehende Einigung Deutschlands zu freudigem Erstaunen. Denn
Wer hätte sie, auch nach 66, so nahe vermuthet? Manchem ist es zu Muthe, als
stund' er nach langen Jrrgängen, nachdem er die Hoffnung fast sinken gelassen, ur¬
plötzlich vor dem ersehnten Ziele, als habe er dies am Ende auf einem Wege erreicht,
der ihm bisher am mindesten dazu geeignet erschienen war. Für diese Leute nun
hat Hermann Baumgarten die Frage beantwortet, "wie wir wieder ein Volk
geworden sind." Wenn wir einzelnen Menschen in unserem kleinen Leben nach
Jahren der Mühsal und des Mißgeschicks endlich einmal einen Ruhepunkt des Er¬
folges erreicht haben, auf dem wir von den alten Sorgen um unsere Zukunft uns
erlöst sühlen, so stützen wir wohl den Kopf in die Hand und sinnen eine Weile
nach, wie es denn eigentlich nur so wunderlich gekommen. Da wächst vor unserer
Seele zusammen, was uns so widerspruchsvoll zerstückt gedciucht hatte in unseren
Schicksalen; es stellt sich dar wie ein Weg, der so deutlich heranführt zum Gipfel
des gegenwärtigen Moments, daß wir aller seiner seltsamen Krümmungen nun nur
lächelnd gedenken können; eine milde Heiterkeit erfüllt unser Herz, niemals sonst ge¬
nießen wir so wahr und so rein die Freude des Daseins. Denselben Segen nun
hat für ernste Nationen die geschichtliche Betrachtung ihrer Vergangenheit im Augen¬
blicke, wo sie auf den Höhepunkten ihrer Macht und Herrlichkeit anlangen. Da
kann denn freilich nicht ein jeder sich selber alles sagen, es muß einer für viele auf¬
treten, es muß das Wort ergreifen, wem das Wort verliehen worden. Diese Be¬
deutung, denk' ich, hat die Schrift Baumgarten's und zwar besonders für unsere
lieben Süddeutschen. Eben jene heitere Milde ist darüber ausgegossen, eben jener
Glaube durch sie hingehaucht, daß auf so wunderbaren Wegen unsere Geschichte
habe wandeln müssen, um zu guterletzt noch so herrlich hinausgeführt zu werden.
Aehnliche Früchte vaterländischen Sinnes und historischen Nachdenkens hat schon
das Jahr 1866 gezeitigt; wir erinnern beispielsweise an Aegidi's "Woher und
Wohin?", das wir jedoch mit nichten für dem Baumgarten'schen Büchlein ebenbürtig
erachten. Jene Flugschriften von 66 suchten mehr oder weniger nur den deutschen
Charakter Preußens und seine steigende Bedeutung für all' unsere nationalen Hoff¬
nungen aus den Thatsachen aufzuweisen. Das thut nun Baumgarten freilich auch;
aber in dem Emporkommen Preußens seit dem großen Kurfürsten sieht er doch
nur die eine Hälfte unserer deutschen Entwicklung, die zur Staatsmacht. Daneben
erblickt er die andere in der deutschen Geistesmacht, die sich ganz für sich heran¬
bildete, in nur allzu blöder Zurückgezogenheit von aller öffentlichen Wirklichkeit, ohne
die doch kein Volk entstehen noch bestehen kann. Es hat etwas von der anmuthigen
Ueberraschung einer Novelle, wie uns Baumgarten das endliche Zusammentreffen
des Helden und der Heldin, des deutschen Staates und der deutschen Geistesbildung,
die sich noch in Friedrich dem Großen und Lessing so fremd gegenüberstanden, in
der Erhebungszeit Preußens von 1807, in der Seele der Stein, Gneisenau, Scharn-
horst vor Augen führt. Wir sagen einer Novelle, aber wir wollen damit der ernsten
Behandlung des Sroffes nicht zu nahe treten, es ist die Kunst gefälliger Darstellung,
der jener Ausdruck gilt. In der zweiten Hälfte der Schrift erscheint uns besonders
merkwürdig die aufrichtige Entschuldigung, die gegenüber so vielen landläufigen Kla¬
gen hier einmal dem süddeutschen Verhalten gegenüber dem Preußen nach 1815 und
dem Preußen nach 1848 zu Theil wird. Gerade solche Anerkennung wird dazu
dienen, die Gemüther der Schwaben und Bayern nun auch ihrerseits dem Preußen
von 66 und 70 zu befreunden. Bayern als Staat erhält übrigens von Baumgarten
manche wohlverdiente Rüge. Wir enthalten uns jedoch hier eines näheren Eingehens
a/D. auf die gehaltvolle und helle Schrift, damit sie ein jeder selber lese.




^ Ncrantwortlicher Redacteur: Alfred Doue.
Verlag von'F. L. Hcrvig. -- Druck von Hiithel Si Legler in Leipzig.

Mehr noch, als die äußere Seite unserer Errungenschaften, bewegt uns jetzt
die innere, die bevorstehende Einigung Deutschlands zu freudigem Erstaunen. Denn
Wer hätte sie, auch nach 66, so nahe vermuthet? Manchem ist es zu Muthe, als
stund' er nach langen Jrrgängen, nachdem er die Hoffnung fast sinken gelassen, ur¬
plötzlich vor dem ersehnten Ziele, als habe er dies am Ende auf einem Wege erreicht,
der ihm bisher am mindesten dazu geeignet erschienen war. Für diese Leute nun
hat Hermann Baumgarten die Frage beantwortet, „wie wir wieder ein Volk
geworden sind." Wenn wir einzelnen Menschen in unserem kleinen Leben nach
Jahren der Mühsal und des Mißgeschicks endlich einmal einen Ruhepunkt des Er¬
folges erreicht haben, auf dem wir von den alten Sorgen um unsere Zukunft uns
erlöst sühlen, so stützen wir wohl den Kopf in die Hand und sinnen eine Weile
nach, wie es denn eigentlich nur so wunderlich gekommen. Da wächst vor unserer
Seele zusammen, was uns so widerspruchsvoll zerstückt gedciucht hatte in unseren
Schicksalen; es stellt sich dar wie ein Weg, der so deutlich heranführt zum Gipfel
des gegenwärtigen Moments, daß wir aller seiner seltsamen Krümmungen nun nur
lächelnd gedenken können; eine milde Heiterkeit erfüllt unser Herz, niemals sonst ge¬
nießen wir so wahr und so rein die Freude des Daseins. Denselben Segen nun
hat für ernste Nationen die geschichtliche Betrachtung ihrer Vergangenheit im Augen¬
blicke, wo sie auf den Höhepunkten ihrer Macht und Herrlichkeit anlangen. Da
kann denn freilich nicht ein jeder sich selber alles sagen, es muß einer für viele auf¬
treten, es muß das Wort ergreifen, wem das Wort verliehen worden. Diese Be¬
deutung, denk' ich, hat die Schrift Baumgarten's und zwar besonders für unsere
lieben Süddeutschen. Eben jene heitere Milde ist darüber ausgegossen, eben jener
Glaube durch sie hingehaucht, daß auf so wunderbaren Wegen unsere Geschichte
habe wandeln müssen, um zu guterletzt noch so herrlich hinausgeführt zu werden.
Aehnliche Früchte vaterländischen Sinnes und historischen Nachdenkens hat schon
das Jahr 1866 gezeitigt; wir erinnern beispielsweise an Aegidi's „Woher und
Wohin?", das wir jedoch mit nichten für dem Baumgarten'schen Büchlein ebenbürtig
erachten. Jene Flugschriften von 66 suchten mehr oder weniger nur den deutschen
Charakter Preußens und seine steigende Bedeutung für all' unsere nationalen Hoff¬
nungen aus den Thatsachen aufzuweisen. Das thut nun Baumgarten freilich auch;
aber in dem Emporkommen Preußens seit dem großen Kurfürsten sieht er doch
nur die eine Hälfte unserer deutschen Entwicklung, die zur Staatsmacht. Daneben
erblickt er die andere in der deutschen Geistesmacht, die sich ganz für sich heran¬
bildete, in nur allzu blöder Zurückgezogenheit von aller öffentlichen Wirklichkeit, ohne
die doch kein Volk entstehen noch bestehen kann. Es hat etwas von der anmuthigen
Ueberraschung einer Novelle, wie uns Baumgarten das endliche Zusammentreffen
des Helden und der Heldin, des deutschen Staates und der deutschen Geistesbildung,
die sich noch in Friedrich dem Großen und Lessing so fremd gegenüberstanden, in
der Erhebungszeit Preußens von 1807, in der Seele der Stein, Gneisenau, Scharn-
horst vor Augen führt. Wir sagen einer Novelle, aber wir wollen damit der ernsten
Behandlung des Sroffes nicht zu nahe treten, es ist die Kunst gefälliger Darstellung,
der jener Ausdruck gilt. In der zweiten Hälfte der Schrift erscheint uns besonders
merkwürdig die aufrichtige Entschuldigung, die gegenüber so vielen landläufigen Kla¬
gen hier einmal dem süddeutschen Verhalten gegenüber dem Preußen nach 1815 und
dem Preußen nach 1848 zu Theil wird. Gerade solche Anerkennung wird dazu
dienen, die Gemüther der Schwaben und Bayern nun auch ihrerseits dem Preußen
von 66 und 70 zu befreunden. Bayern als Staat erhält übrigens von Baumgarten
manche wohlverdiente Rüge. Wir enthalten uns jedoch hier eines näheren Eingehens
a/D. auf die gehaltvolle und helle Schrift, damit sie ein jeder selber lese.




^ Ncrantwortlicher Redacteur: Alfred Doue.
Verlag von'F. L. Hcrvig. — Druck von Hiithel Si Legler in Leipzig.
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[0168] Mehr noch, als die äußere Seite unserer Errungenschaften, bewegt uns jetzt die innere, die bevorstehende Einigung Deutschlands zu freudigem Erstaunen. Denn Wer hätte sie, auch nach 66, so nahe vermuthet? Manchem ist es zu Muthe, als stund' er nach langen Jrrgängen, nachdem er die Hoffnung fast sinken gelassen, ur¬ plötzlich vor dem ersehnten Ziele, als habe er dies am Ende auf einem Wege erreicht, der ihm bisher am mindesten dazu geeignet erschienen war. Für diese Leute nun hat Hermann Baumgarten die Frage beantwortet, „wie wir wieder ein Volk geworden sind." Wenn wir einzelnen Menschen in unserem kleinen Leben nach Jahren der Mühsal und des Mißgeschicks endlich einmal einen Ruhepunkt des Er¬ folges erreicht haben, auf dem wir von den alten Sorgen um unsere Zukunft uns erlöst sühlen, so stützen wir wohl den Kopf in die Hand und sinnen eine Weile nach, wie es denn eigentlich nur so wunderlich gekommen. Da wächst vor unserer Seele zusammen, was uns so widerspruchsvoll zerstückt gedciucht hatte in unseren Schicksalen; es stellt sich dar wie ein Weg, der so deutlich heranführt zum Gipfel des gegenwärtigen Moments, daß wir aller seiner seltsamen Krümmungen nun nur lächelnd gedenken können; eine milde Heiterkeit erfüllt unser Herz, niemals sonst ge¬ nießen wir so wahr und so rein die Freude des Daseins. Denselben Segen nun hat für ernste Nationen die geschichtliche Betrachtung ihrer Vergangenheit im Augen¬ blicke, wo sie auf den Höhepunkten ihrer Macht und Herrlichkeit anlangen. Da kann denn freilich nicht ein jeder sich selber alles sagen, es muß einer für viele auf¬ treten, es muß das Wort ergreifen, wem das Wort verliehen worden. Diese Be¬ deutung, denk' ich, hat die Schrift Baumgarten's und zwar besonders für unsere lieben Süddeutschen. Eben jene heitere Milde ist darüber ausgegossen, eben jener Glaube durch sie hingehaucht, daß auf so wunderbaren Wegen unsere Geschichte habe wandeln müssen, um zu guterletzt noch so herrlich hinausgeführt zu werden. Aehnliche Früchte vaterländischen Sinnes und historischen Nachdenkens hat schon das Jahr 1866 gezeitigt; wir erinnern beispielsweise an Aegidi's „Woher und Wohin?", das wir jedoch mit nichten für dem Baumgarten'schen Büchlein ebenbürtig erachten. Jene Flugschriften von 66 suchten mehr oder weniger nur den deutschen Charakter Preußens und seine steigende Bedeutung für all' unsere nationalen Hoff¬ nungen aus den Thatsachen aufzuweisen. Das thut nun Baumgarten freilich auch; aber in dem Emporkommen Preußens seit dem großen Kurfürsten sieht er doch nur die eine Hälfte unserer deutschen Entwicklung, die zur Staatsmacht. Daneben erblickt er die andere in der deutschen Geistesmacht, die sich ganz für sich heran¬ bildete, in nur allzu blöder Zurückgezogenheit von aller öffentlichen Wirklichkeit, ohne die doch kein Volk entstehen noch bestehen kann. Es hat etwas von der anmuthigen Ueberraschung einer Novelle, wie uns Baumgarten das endliche Zusammentreffen des Helden und der Heldin, des deutschen Staates und der deutschen Geistesbildung, die sich noch in Friedrich dem Großen und Lessing so fremd gegenüberstanden, in der Erhebungszeit Preußens von 1807, in der Seele der Stein, Gneisenau, Scharn- horst vor Augen führt. Wir sagen einer Novelle, aber wir wollen damit der ernsten Behandlung des Sroffes nicht zu nahe treten, es ist die Kunst gefälliger Darstellung, der jener Ausdruck gilt. In der zweiten Hälfte der Schrift erscheint uns besonders merkwürdig die aufrichtige Entschuldigung, die gegenüber so vielen landläufigen Kla¬ gen hier einmal dem süddeutschen Verhalten gegenüber dem Preußen nach 1815 und dem Preußen nach 1848 zu Theil wird. Gerade solche Anerkennung wird dazu dienen, die Gemüther der Schwaben und Bayern nun auch ihrerseits dem Preußen von 66 und 70 zu befreunden. Bayern als Staat erhält übrigens von Baumgarten manche wohlverdiente Rüge. Wir enthalten uns jedoch hier eines näheren Eingehens a/D. auf die gehaltvolle und helle Schrift, damit sie ein jeder selber lese. ^ Ncrantwortlicher Redacteur: Alfred Doue. Verlag von'F. L. Hcrvig. — Druck von Hiithel Si Legler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/168>, abgerufen am 22.12.2024.