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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Bevölkerung in den eroberten Provinzen die zu Mordbrennern ausgemalten
Preußen mit sich verkehren sah, sondern auch die Berichte unserer Ver¬
wandten und Freunde, die uns die strenge Zucht versichern, der unsre Sol¬
daten unterworfen sind, so daß überall die Häuser geschont, die Familien ge¬
achtet und alle außerordentlichen Bedürfnisse baar bezahlt werden. Selbst
diejenigen Ihrer Landsleute, die jetzt in unsrer Gewalt sind, nicht nur die
Verwundeten, die man eben so sorgsam wie die eignen Pflegt, sondern auch
die Gefangnen -- selbst die Turcos, die jetzt ganz demüthig sind und dankbar
und knechtisch jedes Geschenk hinnehmen, wie geprügelte Hunde -- wie achtet
man ihr Unglück, wie schonungsvoll werden sie behandelt, wie reichlich mit
gesunder Nahrung versorgt -- jetzt sogar auf höhere Anordnung mit Wei߬
brod, weil sie angeblich das schwarze nicht vertragen können! Nein, lieber
Freund, die Deutschen sind noch dieselben, die Sie ehemals geliebt und ge¬
achtet haben. Ich selbst würde der erste sein, der laut aufschreien würde
gegen ein Betragen, wie Sie es unsern Soldaten zuschreiben; aber nein, ich
bin stolz darauf, meine Landsleute auf der Bahn der Ehre und Menschlich¬
keit auch in einem so mörderischen Kriege wandeln zu sehen, der die Gefühle
des Mitleids und der Barmherzigkeit so leicht ersticken kann. Wenn vielleicht
-- möge es Ihnen durch weise Ergebung Ihrer jetzigen Machthaber erspart
bleiben! -- unsre Truppen kämpfend in, Ihre Hauptstadt eindringen sollten,
dann würden Sie sich selbst überzeugen, wie weit sie von der Barbarei ent¬
fernt sind, die für überwundene Feinde nur den Wahlspruch kennt: V^s
viotis! -- ein Wort, das zuerst aus dem Munde eines Galliers ertönte.

Doch was Sie in die höchste Entrüstung versetzt hat, ist das Bombar¬
dement von Straßburg. Ich und alle Deutsche wir beklagen das traurige
Geschick dieser unglücklichen Stadt eben so lebhaft wie Sie, ja vielleicht mehr
noch, weil wir zuversichtlich hoffen, daß diese Stadt bald wieder Deutschland
angehören wird, dem es durch die verrätherische Rnubthat Ihres Ludwig,
des sogenannten Großen, entrissen ward. Aber dennoch kann ich auch hierin
nicht Ihrem strengen Urtheile beistimmen, das Sie wegen dieses Bombarde¬
ments über die Deutschen aussprechen, die Sie deshalb vor den Richterstuhl
der Welt und der Nachwelt fordern.

Zunächst sind auch hier die Berichte, die Ihnen so sehr den Kopf erhitzt
haben, lügenhaft und übertrieben. Unser König hat ausdrücklich befohlen.
Straßburg und seinen Münster soviel als möglich zu schonen, ebenso wie
den von Toul. Und bis jetzt ist auch jenes herrliche Bauwerk noch fast un¬
versehrt, auch die Zerstörung der Stadt selbst noch nicht so bedeutend, da
man mehr die äußeren Festungswerke und die Citadelle beschossen hat.
Bomben mit Petroleum und Nitroglycerin gibt es bei unserer Armee nicht.
Vielleicht ist dieses Petroleum dasselbe wie das, mit welchem nach dem Be-


Bevölkerung in den eroberten Provinzen die zu Mordbrennern ausgemalten
Preußen mit sich verkehren sah, sondern auch die Berichte unserer Ver¬
wandten und Freunde, die uns die strenge Zucht versichern, der unsre Sol¬
daten unterworfen sind, so daß überall die Häuser geschont, die Familien ge¬
achtet und alle außerordentlichen Bedürfnisse baar bezahlt werden. Selbst
diejenigen Ihrer Landsleute, die jetzt in unsrer Gewalt sind, nicht nur die
Verwundeten, die man eben so sorgsam wie die eignen Pflegt, sondern auch
die Gefangnen — selbst die Turcos, die jetzt ganz demüthig sind und dankbar
und knechtisch jedes Geschenk hinnehmen, wie geprügelte Hunde — wie achtet
man ihr Unglück, wie schonungsvoll werden sie behandelt, wie reichlich mit
gesunder Nahrung versorgt — jetzt sogar auf höhere Anordnung mit Wei߬
brod, weil sie angeblich das schwarze nicht vertragen können! Nein, lieber
Freund, die Deutschen sind noch dieselben, die Sie ehemals geliebt und ge¬
achtet haben. Ich selbst würde der erste sein, der laut aufschreien würde
gegen ein Betragen, wie Sie es unsern Soldaten zuschreiben; aber nein, ich
bin stolz darauf, meine Landsleute auf der Bahn der Ehre und Menschlich¬
keit auch in einem so mörderischen Kriege wandeln zu sehen, der die Gefühle
des Mitleids und der Barmherzigkeit so leicht ersticken kann. Wenn vielleicht
— möge es Ihnen durch weise Ergebung Ihrer jetzigen Machthaber erspart
bleiben! — unsre Truppen kämpfend in, Ihre Hauptstadt eindringen sollten,
dann würden Sie sich selbst überzeugen, wie weit sie von der Barbarei ent¬
fernt sind, die für überwundene Feinde nur den Wahlspruch kennt: V^s
viotis! — ein Wort, das zuerst aus dem Munde eines Galliers ertönte.

Doch was Sie in die höchste Entrüstung versetzt hat, ist das Bombar¬
dement von Straßburg. Ich und alle Deutsche wir beklagen das traurige
Geschick dieser unglücklichen Stadt eben so lebhaft wie Sie, ja vielleicht mehr
noch, weil wir zuversichtlich hoffen, daß diese Stadt bald wieder Deutschland
angehören wird, dem es durch die verrätherische Rnubthat Ihres Ludwig,
des sogenannten Großen, entrissen ward. Aber dennoch kann ich auch hierin
nicht Ihrem strengen Urtheile beistimmen, das Sie wegen dieses Bombarde¬
ments über die Deutschen aussprechen, die Sie deshalb vor den Richterstuhl
der Welt und der Nachwelt fordern.

Zunächst sind auch hier die Berichte, die Ihnen so sehr den Kopf erhitzt
haben, lügenhaft und übertrieben. Unser König hat ausdrücklich befohlen.
Straßburg und seinen Münster soviel als möglich zu schonen, ebenso wie
den von Toul. Und bis jetzt ist auch jenes herrliche Bauwerk noch fast un¬
versehrt, auch die Zerstörung der Stadt selbst noch nicht so bedeutend, da
man mehr die äußeren Festungswerke und die Citadelle beschossen hat.
Bomben mit Petroleum und Nitroglycerin gibt es bei unserer Armee nicht.
Vielleicht ist dieses Petroleum dasselbe wie das, mit welchem nach dem Be-


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[0144] Bevölkerung in den eroberten Provinzen die zu Mordbrennern ausgemalten Preußen mit sich verkehren sah, sondern auch die Berichte unserer Ver¬ wandten und Freunde, die uns die strenge Zucht versichern, der unsre Sol¬ daten unterworfen sind, so daß überall die Häuser geschont, die Familien ge¬ achtet und alle außerordentlichen Bedürfnisse baar bezahlt werden. Selbst diejenigen Ihrer Landsleute, die jetzt in unsrer Gewalt sind, nicht nur die Verwundeten, die man eben so sorgsam wie die eignen Pflegt, sondern auch die Gefangnen — selbst die Turcos, die jetzt ganz demüthig sind und dankbar und knechtisch jedes Geschenk hinnehmen, wie geprügelte Hunde — wie achtet man ihr Unglück, wie schonungsvoll werden sie behandelt, wie reichlich mit gesunder Nahrung versorgt — jetzt sogar auf höhere Anordnung mit Wei߬ brod, weil sie angeblich das schwarze nicht vertragen können! Nein, lieber Freund, die Deutschen sind noch dieselben, die Sie ehemals geliebt und ge¬ achtet haben. Ich selbst würde der erste sein, der laut aufschreien würde gegen ein Betragen, wie Sie es unsern Soldaten zuschreiben; aber nein, ich bin stolz darauf, meine Landsleute auf der Bahn der Ehre und Menschlich¬ keit auch in einem so mörderischen Kriege wandeln zu sehen, der die Gefühle des Mitleids und der Barmherzigkeit so leicht ersticken kann. Wenn vielleicht — möge es Ihnen durch weise Ergebung Ihrer jetzigen Machthaber erspart bleiben! — unsre Truppen kämpfend in, Ihre Hauptstadt eindringen sollten, dann würden Sie sich selbst überzeugen, wie weit sie von der Barbarei ent¬ fernt sind, die für überwundene Feinde nur den Wahlspruch kennt: V^s viotis! — ein Wort, das zuerst aus dem Munde eines Galliers ertönte. Doch was Sie in die höchste Entrüstung versetzt hat, ist das Bombar¬ dement von Straßburg. Ich und alle Deutsche wir beklagen das traurige Geschick dieser unglücklichen Stadt eben so lebhaft wie Sie, ja vielleicht mehr noch, weil wir zuversichtlich hoffen, daß diese Stadt bald wieder Deutschland angehören wird, dem es durch die verrätherische Rnubthat Ihres Ludwig, des sogenannten Großen, entrissen ward. Aber dennoch kann ich auch hierin nicht Ihrem strengen Urtheile beistimmen, das Sie wegen dieses Bombarde¬ ments über die Deutschen aussprechen, die Sie deshalb vor den Richterstuhl der Welt und der Nachwelt fordern. Zunächst sind auch hier die Berichte, die Ihnen so sehr den Kopf erhitzt haben, lügenhaft und übertrieben. Unser König hat ausdrücklich befohlen. Straßburg und seinen Münster soviel als möglich zu schonen, ebenso wie den von Toul. Und bis jetzt ist auch jenes herrliche Bauwerk noch fast un¬ versehrt, auch die Zerstörung der Stadt selbst noch nicht so bedeutend, da man mehr die äußeren Festungswerke und die Citadelle beschossen hat. Bomben mit Petroleum und Nitroglycerin gibt es bei unserer Armee nicht. Vielleicht ist dieses Petroleum dasselbe wie das, mit welchem nach dem Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/144>, abgerufen am 23.12.2024.