Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.lung des Bundes wird damit eine wesentlich freiere. "In Zeiten der Ge¬ Zu Art. 21 der Bundesverfassung, welcher dem Bunde das Recht gibt, Der ganz neu redigirte Art. 29 stellt gegenüber der bisher nur für ge¬ Grenzboten III. 1870. 12
lung des Bundes wird damit eine wesentlich freiere. „In Zeiten der Ge¬ Zu Art. 21 der Bundesverfassung, welcher dem Bunde das Recht gibt, Der ganz neu redigirte Art. 29 stellt gegenüber der bisher nur für ge¬ Grenzboten III. 1870. 12
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0097" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124247"/> <p xml:id="ID_264" prev="#ID_263"> lung des Bundes wird damit eine wesentlich freiere. „In Zeiten der Ge¬<lb/> fahr kann der Bund auch über die nicht zum Bundesheer gehörende Mann¬<lb/> schaft sowie die übrigen Streitmittel der Kantone verfügen." Derselbe erhält<lb/> so das directe Recht der Aushebung und freie Hand bezüglich der Instruktion.<lb/> Dagegen wird das Militär den Kantonen nicht genug aus der Hand ge¬<lb/> nommen: „Die Kantone verfügen über ihre Wehrkraft, soweit sie nicht durch<lb/> verfassungsmäßige und gesetzliche Anordnungen des Bundes beschränkt sind."<lb/> Herr Bundesrath Welti, der bei seinem allgemein günstig aufgenommenen<lb/> Militärreformproject die Devise „Eine Armee" zu der seinigen gemacht hatte,<lb/> ist also damit gegenüber den widerstrebenden Vertretern der romanischen<lb/> Schweiz einstweilen nicht völlig durchgedrungen. An der constitutionellen<lb/> Basis, daß die Armee den Kantonen gehört, soweit der Bund ihrer nicht<lb/> bedarf, wurde nicht gerührt, blos die Proportionen der praktischen Befug¬<lb/> nisse der Kantone und des Bundes verändert und damit das Hauptziel, das<lb/> man bei der Reform im Auge hatte: die allgemeinere Wehrpflicht in streng¬<lb/> ster Durchführung und freie Hand für den Bund in der Frage der weiteren<lb/> Organisation, also auch namentlich die vielfach gewünschte Centralisation der<lb/> Instruction der Infanterie in der Hand des Bundes — (bisher galt dies<lb/> nur von den Specialwaffen) — wird damit erreicht, wenn auch letzterer<lb/> Punkt ferneren gesetzgeberischen Erlassen vorbehalten bleibt. Die Demokraten<lb/> möchten freilich hier noch weiter gehen, die Liberalen hingegen halten das für<lb/> gefährlich; Centralisation in dem Sinne, daß wenn z. B. eine Compagnie<lb/> für das Geleit einer Procession aufgeboten weiden sollte, die Erlaubniß dazu<lb/> von Bern erst eingeholt werden müßte, dürfte selbst den Radicalen im Volke<lb/> nicht behagen.</p><lb/> <p xml:id="ID_265"> Zu Art. 21 der Bundesverfassung, welcher dem Bunde das Recht gibt,<lb/> öffentliche Werke zu errichten oder zu unterstützen, macht der Bundesrath den<lb/> Zusatz: „der Bund ist befugt, gesetzliche Bestimmungen zu erlassen zur Er¬<lb/> haltung oder Wiederherstellung der Gebirgswaldungen in denjenigen<lb/> Wassergebieten der Flüsse und Waldbäche, deren Eindämmung und Verdau¬<lb/> ung unter Beihilfe der Cidgenossenschast stattgefunden hat oder stattfinden<lb/> wird." Daß dem Bunde hier nicht kurzweg das Recht der Gesetzgebung über<lb/> Forst- und Wasserbau sämmtlicher Flußgebiete eingeräumt ist. wird von<lb/> den Demokraten laut getadelt; die Liberalen aber machen darauf aufmerk¬<lb/> sam, daß dieser Artikel schon in der abgeschwächten Form bei den weit ver.<lb/> breiteten eigennützigen Vorurtheilen in vielen Gebirgskantonen auf heftige<lb/> Opposition stoßen werde, und daß er wenigstens das Erreichbare darbiete.</p><lb/> <p xml:id="ID_266" next="#ID_267"> Der ganz neu redigirte Art. 29 stellt gegenüber der bisher nur für ge¬<lb/> wisse Waarengattungen gestatteten und selbst hier sehr verclausulirten Ver¬<lb/> kehrs- und Handelsfreiheit den Grundsatz der Verkehrsfreiheit .sowie</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1870. 12</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0097]
lung des Bundes wird damit eine wesentlich freiere. „In Zeiten der Ge¬
fahr kann der Bund auch über die nicht zum Bundesheer gehörende Mann¬
schaft sowie die übrigen Streitmittel der Kantone verfügen." Derselbe erhält
so das directe Recht der Aushebung und freie Hand bezüglich der Instruktion.
Dagegen wird das Militär den Kantonen nicht genug aus der Hand ge¬
nommen: „Die Kantone verfügen über ihre Wehrkraft, soweit sie nicht durch
verfassungsmäßige und gesetzliche Anordnungen des Bundes beschränkt sind."
Herr Bundesrath Welti, der bei seinem allgemein günstig aufgenommenen
Militärreformproject die Devise „Eine Armee" zu der seinigen gemacht hatte,
ist also damit gegenüber den widerstrebenden Vertretern der romanischen
Schweiz einstweilen nicht völlig durchgedrungen. An der constitutionellen
Basis, daß die Armee den Kantonen gehört, soweit der Bund ihrer nicht
bedarf, wurde nicht gerührt, blos die Proportionen der praktischen Befug¬
nisse der Kantone und des Bundes verändert und damit das Hauptziel, das
man bei der Reform im Auge hatte: die allgemeinere Wehrpflicht in streng¬
ster Durchführung und freie Hand für den Bund in der Frage der weiteren
Organisation, also auch namentlich die vielfach gewünschte Centralisation der
Instruction der Infanterie in der Hand des Bundes — (bisher galt dies
nur von den Specialwaffen) — wird damit erreicht, wenn auch letzterer
Punkt ferneren gesetzgeberischen Erlassen vorbehalten bleibt. Die Demokraten
möchten freilich hier noch weiter gehen, die Liberalen hingegen halten das für
gefährlich; Centralisation in dem Sinne, daß wenn z. B. eine Compagnie
für das Geleit einer Procession aufgeboten weiden sollte, die Erlaubniß dazu
von Bern erst eingeholt werden müßte, dürfte selbst den Radicalen im Volke
nicht behagen.
Zu Art. 21 der Bundesverfassung, welcher dem Bunde das Recht gibt,
öffentliche Werke zu errichten oder zu unterstützen, macht der Bundesrath den
Zusatz: „der Bund ist befugt, gesetzliche Bestimmungen zu erlassen zur Er¬
haltung oder Wiederherstellung der Gebirgswaldungen in denjenigen
Wassergebieten der Flüsse und Waldbäche, deren Eindämmung und Verdau¬
ung unter Beihilfe der Cidgenossenschast stattgefunden hat oder stattfinden
wird." Daß dem Bunde hier nicht kurzweg das Recht der Gesetzgebung über
Forst- und Wasserbau sämmtlicher Flußgebiete eingeräumt ist. wird von
den Demokraten laut getadelt; die Liberalen aber machen darauf aufmerk¬
sam, daß dieser Artikel schon in der abgeschwächten Form bei den weit ver.
breiteten eigennützigen Vorurtheilen in vielen Gebirgskantonen auf heftige
Opposition stoßen werde, und daß er wenigstens das Erreichbare darbiete.
Der ganz neu redigirte Art. 29 stellt gegenüber der bisher nur für ge¬
wisse Waarengattungen gestatteten und selbst hier sehr verclausulirten Ver¬
kehrs- und Handelsfreiheit den Grundsatz der Verkehrsfreiheit .sowie
Grenzboten III. 1870. 12
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