Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.Fiction sucht man das ungesetzliche Verhältniß zu schützen. -- Ist es schon Fiction sucht man das ungesetzliche Verhältniß zu schützen. — Ist es schon <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0082" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124232"/> <p xml:id="ID_220" prev="#ID_219"> Fiction sucht man das ungesetzliche Verhältniß zu schützen. — Ist es schon<lb/> an sich befremdlich, die Museen für ein Krongut, nicht sür Nationalbesitz er¬<lb/> klärt zu sehen, so wächst unser Erstaunen, wenn wir beachten, wie gering die<lb/> demselben zugewandten Summen sind. Es sind nämlich vier Museen, auf<lb/> welche diese 442,200 Frs. vertheilt werden müssen. Davon müssen gleich<lb/> 50,000 Frs. abgezogen werden, die der Senateur-Surintendant ass bsaux-<lb/> arts, wie wir sicher zu wissen glauben, außer seiner palastartigen Wohnung im<lb/> Louvre als Gehalt bezieht. Das Bedienungs- und Aufsichtspersonal eines<lb/> ungeheueren, weitläufigen Gebäudes, wie,der Louvre oder das Versailler<lb/> Schloß, muß natürlich sehr zahlreich sein; jede Abtheilung (Sculptur, Malerei,<lb/> Aegyptologie, Marine) hat ihren Conservaleur und, außer der Marine, ihren<lb/> L0llservÄtLur-g,6Mut, die meisten noch mehr Beamten, alle wie billig mit an¬<lb/> sehnlicher Besoldung. So ist es kein Wunder, wenn der Louvre für An¬<lb/> schaffung von Kunstwerken nur über 100,000 Francs (sage hunderttausend<lb/> Francs) jährlich verfügen kann: wie wenig diese Summe zur Wichtigkeit und<lb/> zum Ruhme der Anstalt, wie zur Größe eines Landes wie Frankreich im<lb/> Verhältnisse steht, sieht Jeder ein. Da nun die gesammte Verwaltung zur<lb/> Civilliste gehört, so ist jede Controle hier unmöglich; der Kaiser darf natür¬<lb/> lich seine 25 Millionen so anwenden, wie ihm gut dünkt, kein Mensch hat hier<lb/> mitzureden. Was im Louvre vorgeht, ist unerforschlich sür die Außenwelt,<lb/> die nur weiß, daß der Surintendant Ä63 böimx-arts eben so viel Urteilslosig¬<lb/> keit in Kunstsachen als Berühmtheit in der LKromyuö L(ÄnäaIeus6 der Haupt¬<lb/> stadt besitzt. Ob die so und so vielen bestellten Dutzend grüner Fracks je<lb/> aus die Schultern der Aufseher zu sitzen gekommen, oder ob das dafür be¬<lb/> stimmte Geld nicht in höheren Regionen geblieben, warum die Magazine des<lb/> Museums verschlossener sind als die Pforten der Hölle, warum z. B. Hand<lb/> und Arm der Venus von Milo Jahre lang im Cabinet eines Direktors<lb/> blieben, sodaß sie als verschollen zu gelten anfingen, warum die im Erdge¬<lb/> schosse befindlichen Stallungen mit Heu und Stroh angefüllt sind, während<lb/> das Voihandensein entzündbarer Stoffe im Museumsgebäude durch die streng¬<lb/> sten Vorschriften verboten ist, — das alles hat man nie erfahren und wird man<lb/> nie erfahren, so lange die Museen dem kaiserlichen Hause überwiesen bleiben.<lb/> Es bedarf eines öffentlichen Scandals, um die Verwaltung zum Reden zu<lb/> zwingen, wie vor kurzem die Aufstellung einer ganzen Reihe vorzüglicher Ge¬<lb/> mälde im kaiserlichen Club und in den Privatzimmern des Herrn von Nieu-<lb/> werkerke statt in den Sälen, wohin sie gehörten. Willkür herrscht hier im<lb/> Kleinen wie im Großen: Säle werden wochenlang geschlossen, ohne daß dem<lb/> Publikum ein Wort über den Grund dieser Schließung mitgetheilt würde, —<lb/> seit zwei Jahren haben wir das afrikanische Museum nicht sehen können —,<lb/> da doch französische Höflichkeit wenigstens einen kleinen Anschlag „zur Nach-<lb/> richt" fordert! Das Publikum ist sretlich bei der Krone nur zu Gast und<lb/> hat kein Recht auf solche Ansprüche.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0082]
Fiction sucht man das ungesetzliche Verhältniß zu schützen. — Ist es schon
an sich befremdlich, die Museen für ein Krongut, nicht sür Nationalbesitz er¬
klärt zu sehen, so wächst unser Erstaunen, wenn wir beachten, wie gering die
demselben zugewandten Summen sind. Es sind nämlich vier Museen, auf
welche diese 442,200 Frs. vertheilt werden müssen. Davon müssen gleich
50,000 Frs. abgezogen werden, die der Senateur-Surintendant ass bsaux-
arts, wie wir sicher zu wissen glauben, außer seiner palastartigen Wohnung im
Louvre als Gehalt bezieht. Das Bedienungs- und Aufsichtspersonal eines
ungeheueren, weitläufigen Gebäudes, wie,der Louvre oder das Versailler
Schloß, muß natürlich sehr zahlreich sein; jede Abtheilung (Sculptur, Malerei,
Aegyptologie, Marine) hat ihren Conservaleur und, außer der Marine, ihren
L0llservÄtLur-g,6Mut, die meisten noch mehr Beamten, alle wie billig mit an¬
sehnlicher Besoldung. So ist es kein Wunder, wenn der Louvre für An¬
schaffung von Kunstwerken nur über 100,000 Francs (sage hunderttausend
Francs) jährlich verfügen kann: wie wenig diese Summe zur Wichtigkeit und
zum Ruhme der Anstalt, wie zur Größe eines Landes wie Frankreich im
Verhältnisse steht, sieht Jeder ein. Da nun die gesammte Verwaltung zur
Civilliste gehört, so ist jede Controle hier unmöglich; der Kaiser darf natür¬
lich seine 25 Millionen so anwenden, wie ihm gut dünkt, kein Mensch hat hier
mitzureden. Was im Louvre vorgeht, ist unerforschlich sür die Außenwelt,
die nur weiß, daß der Surintendant Ä63 böimx-arts eben so viel Urteilslosig¬
keit in Kunstsachen als Berühmtheit in der LKromyuö L(ÄnäaIeus6 der Haupt¬
stadt besitzt. Ob die so und so vielen bestellten Dutzend grüner Fracks je
aus die Schultern der Aufseher zu sitzen gekommen, oder ob das dafür be¬
stimmte Geld nicht in höheren Regionen geblieben, warum die Magazine des
Museums verschlossener sind als die Pforten der Hölle, warum z. B. Hand
und Arm der Venus von Milo Jahre lang im Cabinet eines Direktors
blieben, sodaß sie als verschollen zu gelten anfingen, warum die im Erdge¬
schosse befindlichen Stallungen mit Heu und Stroh angefüllt sind, während
das Voihandensein entzündbarer Stoffe im Museumsgebäude durch die streng¬
sten Vorschriften verboten ist, — das alles hat man nie erfahren und wird man
nie erfahren, so lange die Museen dem kaiserlichen Hause überwiesen bleiben.
Es bedarf eines öffentlichen Scandals, um die Verwaltung zum Reden zu
zwingen, wie vor kurzem die Aufstellung einer ganzen Reihe vorzüglicher Ge¬
mälde im kaiserlichen Club und in den Privatzimmern des Herrn von Nieu-
werkerke statt in den Sälen, wohin sie gehörten. Willkür herrscht hier im
Kleinen wie im Großen: Säle werden wochenlang geschlossen, ohne daß dem
Publikum ein Wort über den Grund dieser Schließung mitgetheilt würde, —
seit zwei Jahren haben wir das afrikanische Museum nicht sehen können —,
da doch französische Höflichkeit wenigstens einen kleinen Anschlag „zur Nach-
richt" fordert! Das Publikum ist sretlich bei der Krone nur zu Gast und
hat kein Recht auf solche Ansprüche.
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