Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.wird, zumeist der Förderung der Landwirthschaft; der Bürgerstand ist auch Wir Deutschen wollen unsere polnischen Mitbürger weder von ihrem Diese wenigen Bemerkungen über den vielbesprochenen Nationalitäten¬ wird, zumeist der Förderung der Landwirthschaft; der Bürgerstand ist auch Wir Deutschen wollen unsere polnischen Mitbürger weder von ihrem Diese wenigen Bemerkungen über den vielbesprochenen Nationalitäten¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0181" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124331"/> <p xml:id="ID_486" prev="#ID_485"> wird, zumeist der Förderung der Landwirthschaft; der Bürgerstand ist auch<lb/> jetzt noch das Stiefkind der polnischen Nationalität. Und doch würde den<lb/> Bestrebungen auf diesem Felde der Erfolg am wenigsten ausbleiben, da hier<lb/> der Verdacht eines blos agitatorischen Zwecks nicht aufkommen könnte, die<lb/> Regierung sich daher entgegenkommend, nicht abwehrend verhalten würde.<lb/> Die Gründung einer Gewerbeschule in der Provinz, gewerbliche Ausstellungen<lb/> in kleineren Kreisen, die Bildung von Fonds, um befähigten Bürgersöhnen<lb/> die Mittel zur besseren Ausbildung in ihrem Gewerbe zu gewähren, dies<lb/> und Aehnliches sind Dinge, in denen sich das Bestreben zur Schaffung eines<lb/> tüchtigen Bürgerstandes mit Erfolg äußern könnte. Aber, sie würden freilich<lb/> theils kein exclusiv nationales Gepräge tragen, theils nur einen langsamen Er¬<lb/> folg verheißen, und dies, scheint uns, ist der Grund, weshalb sie den Führern<lb/> weniger am Herzen liegen, als etwa die Errichtung einer polnischen Uni¬<lb/> versität und die Vermehrung der polnischen Gymnasien.</p><lb/> <p xml:id="ID_487"> Wir Deutschen wollen unsere polnischen Mitbürger weder von ihrem<lb/> heimischen Boden verdrängen, noch sie zu Deutschen machen. Unter Ger-<lb/> manisirung verstehen wir die friedliche Verbreitung deutscher Kultur über die<lb/> Provinz. In landwirtschaftlicher und gewerblicher Thätigkeit sollen die<lb/> Polen uns ebenbürtig werden; die innere Kräftigung, welche die Nation<lb/> dadurch gewinnen wird, ihr erhöhtes Selbstgefühl sind für uns kein Gegen¬<lb/> stand der Besorgniß. Denn unser Heil liegt nicht in der Schwächung der<lb/> polnischen Nation, sondern in der Stärke unseres Rechts. Die Ansprüche,<lb/> welche die Polen auf die ausschließliche Herrschaft in diesem Lande erheben,<lb/> werden ihre höchst mangelhafte Begründung immer nur in einer seltsamen<lb/> Vermischung von conservativen historischen Recht und revolutionärem Natio¬<lb/> nalitätsprincip finden. Das historische Recht ist eine schwache Stütze sür<lb/> Ansprüche, welche eine bald hundertjährige Entwicklung ignoriren. Das<lb/> Nationalitätsprincip aber bedeutet doch nur das Selbstbestimmungsrecht der<lb/> Völker, keineswegs die Majorisirung einer Nation durch die andere. Wenn<lb/> ein Land von zwei Nationen in gemischter Bevölkerung bewohnt wird, hat<lb/> das Volk, dem die Mehrzahl der Bewohner angehört, nicht das Recht, über<lb/> das Schicksal des Landes ausschließlich zu bestimmen. Was die Macht an¬<lb/> langt, so haben wir die deutsche Nation hinter uns. Als ächte Deutsche<lb/> wollen wir unsere Macht nicht zur Unterdrückung einer fremden Nation<lb/> gemißbraucht wissen, aber ihre Anwendung ist sicherlich gerechtfertigt, wenn<lb/> es die Zurückweisung unberechtigter Ansprüche gilt.</p><lb/> <p xml:id="ID_488" next="#ID_489"> Diese wenigen Bemerkungen über den vielbesprochenen Nationalitäten¬<lb/> streit in unserer Provinz mögen zur Orientirung des Lesers den bescheidenen<lb/> Skizzen vorausgeschickt sein, welche ich in dem nächsten Hefte von einigen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0181]
wird, zumeist der Förderung der Landwirthschaft; der Bürgerstand ist auch
jetzt noch das Stiefkind der polnischen Nationalität. Und doch würde den
Bestrebungen auf diesem Felde der Erfolg am wenigsten ausbleiben, da hier
der Verdacht eines blos agitatorischen Zwecks nicht aufkommen könnte, die
Regierung sich daher entgegenkommend, nicht abwehrend verhalten würde.
Die Gründung einer Gewerbeschule in der Provinz, gewerbliche Ausstellungen
in kleineren Kreisen, die Bildung von Fonds, um befähigten Bürgersöhnen
die Mittel zur besseren Ausbildung in ihrem Gewerbe zu gewähren, dies
und Aehnliches sind Dinge, in denen sich das Bestreben zur Schaffung eines
tüchtigen Bürgerstandes mit Erfolg äußern könnte. Aber, sie würden freilich
theils kein exclusiv nationales Gepräge tragen, theils nur einen langsamen Er¬
folg verheißen, und dies, scheint uns, ist der Grund, weshalb sie den Führern
weniger am Herzen liegen, als etwa die Errichtung einer polnischen Uni¬
versität und die Vermehrung der polnischen Gymnasien.
Wir Deutschen wollen unsere polnischen Mitbürger weder von ihrem
heimischen Boden verdrängen, noch sie zu Deutschen machen. Unter Ger-
manisirung verstehen wir die friedliche Verbreitung deutscher Kultur über die
Provinz. In landwirtschaftlicher und gewerblicher Thätigkeit sollen die
Polen uns ebenbürtig werden; die innere Kräftigung, welche die Nation
dadurch gewinnen wird, ihr erhöhtes Selbstgefühl sind für uns kein Gegen¬
stand der Besorgniß. Denn unser Heil liegt nicht in der Schwächung der
polnischen Nation, sondern in der Stärke unseres Rechts. Die Ansprüche,
welche die Polen auf die ausschließliche Herrschaft in diesem Lande erheben,
werden ihre höchst mangelhafte Begründung immer nur in einer seltsamen
Vermischung von conservativen historischen Recht und revolutionärem Natio¬
nalitätsprincip finden. Das historische Recht ist eine schwache Stütze sür
Ansprüche, welche eine bald hundertjährige Entwicklung ignoriren. Das
Nationalitätsprincip aber bedeutet doch nur das Selbstbestimmungsrecht der
Völker, keineswegs die Majorisirung einer Nation durch die andere. Wenn
ein Land von zwei Nationen in gemischter Bevölkerung bewohnt wird, hat
das Volk, dem die Mehrzahl der Bewohner angehört, nicht das Recht, über
das Schicksal des Landes ausschließlich zu bestimmen. Was die Macht an¬
langt, so haben wir die deutsche Nation hinter uns. Als ächte Deutsche
wollen wir unsere Macht nicht zur Unterdrückung einer fremden Nation
gemißbraucht wissen, aber ihre Anwendung ist sicherlich gerechtfertigt, wenn
es die Zurückweisung unberechtigter Ansprüche gilt.
Diese wenigen Bemerkungen über den vielbesprochenen Nationalitäten¬
streit in unserer Provinz mögen zur Orientirung des Lesers den bescheidenen
Skizzen vorausgeschickt sein, welche ich in dem nächsten Hefte von einigen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |