Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.der Markgraf Wielopolski beseitigte dieselbe. Die Censur kam dadurch in Auch die höheren Lehrinstitute werden russificirt. Nachdem ein poly¬ der Markgraf Wielopolski beseitigte dieselbe. Die Censur kam dadurch in Auch die höheren Lehrinstitute werden russificirt. Nachdem ein poly¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0106" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124256"/> <p xml:id="ID_285" prev="#ID_284"> der Markgraf Wielopolski beseitigte dieselbe. Die Censur kam dadurch in<lb/> die Lage, seitdem sie wieder strenger gehandhabt wurde, wegen einzelner un¬<lb/> zulässiger Stellen ganze Blätter zu confisciren. Man hat es daher jetzt vor¬<lb/> gezogen, das Schwarzen wieder einzuführen.</p><lb/> <p xml:id="ID_286" next="#ID_287"> Auch die höheren Lehrinstitute werden russificirt. Nachdem ein poly¬<lb/> technisch-agronomisches Institut in eine land- und forstwirtschaftliche Lehr¬<lb/> anstalt, und das deutsche Realgymnasium in Lodz in eine Gewerbeschule um¬<lb/> gewandelt worden, ist man im vorigen Jahre auch mit der Umwandlung<lb/> der polnischen Hochschule in Warschau in eine russische Universität vorge¬<lb/> gangen. Ihr Budget ist zwar von 182.000 R. aus 211,780 R. erhöht und<lb/> dem der übrigen russischen Universitäten gleichgestellt worden, aber sie ist<lb/> vollständig russificirt, es ist daraus alles polnische Element entfernt; sogar<lb/> der Lehrstuhl für polnische Geschichte, für polnische Sprache und Literatur<lb/> wird nur gleichmäßig wie sür serbische, slovakische u. s. w. als ein Zweig der<lb/> slavischen Idiome vorgetragen. Der greise bisherige Rhetor maKniüous<lb/> Miakowski hat sein Amt niedergelegt und an seine Stelle ist der Professor<lb/> in Charkow, der russische Staatsrath Lawrowsky gekommen. Nach den neuen<lb/> Statuten sind alle bisherigen nichtrussischen Docenten und Professoren der<lb/> neuen Universität nur als functionirende, nicht als fest angestellte Lehrer und<lb/> nur unter der Bedingung zur einstweiligen Fortführung ihrer Lehrthätigkeit<lb/> berechtigt, daß sie binnen drei Jahren den Doctorgrad auf einer russischen<lb/> Universität erwerben. Ferner wird den nichtrussischen Docenten ein zwei¬<lb/> jähriger Termin gesetzt, bis zu welchem sie sich das Russische soweit ange¬<lb/> eignet haben müssen, daß sie dann in russischer Sprache vortragen können.<lb/> Erst mit dem Beginn der russischen Vorträge tritt der etatsmäßige Gehalt<lb/> und die gesetzmäßige Berechtigung für den Lehrer in Geltung. Endlich sollen<lb/> bei der Zulassung zur Immatriculation von Absolventen russischer, nicht zum<lb/> Warschauer Lehrbezirk gehöriger Gymnasien vorzugsweise die Söhne der in<lb/> Polen wohnenden und angesiedelten Russen berücksichtigt werden. Auch das<lb/> Universitätsgebäude hat eine überall hervortretende russische Physiognomie<lb/> angenommen. Ueber dem Haupteingange prangt der große russische Doppel¬<lb/> adler, zu beiden Seilen desselben die russische Aufschrift „kaiserliche Universität".<lb/> Im Innern sind alle polnischen Aufschriften mit Farbe überstrichen und durch<lb/> russische ersetzt. In der großen Aula hängt dem Eingange gegenüber das<lb/> lebensgroße Bild des Kaisers Alexander II., „des Stifters (!) der Universität."<lb/> Am schwarzen Bret liest man nur Anzeigen und Bekanntmachungen in<lb/> russischer Sprache. Eine der ersten verbietet den Studenten bei strenger<lb/> Strafe das Tragen von Kinn- und Schnurrbärten; das Verbot ist vom<lb/> Universitätsinspektor erlassen. Die Pedelle und untergeordneten Diener der<lb/> Universität bleiben Jedem, der sie polnisch anredet, die Antwort schuldig. —</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0106]
der Markgraf Wielopolski beseitigte dieselbe. Die Censur kam dadurch in
die Lage, seitdem sie wieder strenger gehandhabt wurde, wegen einzelner un¬
zulässiger Stellen ganze Blätter zu confisciren. Man hat es daher jetzt vor¬
gezogen, das Schwarzen wieder einzuführen.
Auch die höheren Lehrinstitute werden russificirt. Nachdem ein poly¬
technisch-agronomisches Institut in eine land- und forstwirtschaftliche Lehr¬
anstalt, und das deutsche Realgymnasium in Lodz in eine Gewerbeschule um¬
gewandelt worden, ist man im vorigen Jahre auch mit der Umwandlung
der polnischen Hochschule in Warschau in eine russische Universität vorge¬
gangen. Ihr Budget ist zwar von 182.000 R. aus 211,780 R. erhöht und
dem der übrigen russischen Universitäten gleichgestellt worden, aber sie ist
vollständig russificirt, es ist daraus alles polnische Element entfernt; sogar
der Lehrstuhl für polnische Geschichte, für polnische Sprache und Literatur
wird nur gleichmäßig wie sür serbische, slovakische u. s. w. als ein Zweig der
slavischen Idiome vorgetragen. Der greise bisherige Rhetor maKniüous
Miakowski hat sein Amt niedergelegt und an seine Stelle ist der Professor
in Charkow, der russische Staatsrath Lawrowsky gekommen. Nach den neuen
Statuten sind alle bisherigen nichtrussischen Docenten und Professoren der
neuen Universität nur als functionirende, nicht als fest angestellte Lehrer und
nur unter der Bedingung zur einstweiligen Fortführung ihrer Lehrthätigkeit
berechtigt, daß sie binnen drei Jahren den Doctorgrad auf einer russischen
Universität erwerben. Ferner wird den nichtrussischen Docenten ein zwei¬
jähriger Termin gesetzt, bis zu welchem sie sich das Russische soweit ange¬
eignet haben müssen, daß sie dann in russischer Sprache vortragen können.
Erst mit dem Beginn der russischen Vorträge tritt der etatsmäßige Gehalt
und die gesetzmäßige Berechtigung für den Lehrer in Geltung. Endlich sollen
bei der Zulassung zur Immatriculation von Absolventen russischer, nicht zum
Warschauer Lehrbezirk gehöriger Gymnasien vorzugsweise die Söhne der in
Polen wohnenden und angesiedelten Russen berücksichtigt werden. Auch das
Universitätsgebäude hat eine überall hervortretende russische Physiognomie
angenommen. Ueber dem Haupteingange prangt der große russische Doppel¬
adler, zu beiden Seilen desselben die russische Aufschrift „kaiserliche Universität".
Im Innern sind alle polnischen Aufschriften mit Farbe überstrichen und durch
russische ersetzt. In der großen Aula hängt dem Eingange gegenüber das
lebensgroße Bild des Kaisers Alexander II., „des Stifters (!) der Universität."
Am schwarzen Bret liest man nur Anzeigen und Bekanntmachungen in
russischer Sprache. Eine der ersten verbietet den Studenten bei strenger
Strafe das Tragen von Kinn- und Schnurrbärten; das Verbot ist vom
Universitätsinspektor erlassen. Die Pedelle und untergeordneten Diener der
Universität bleiben Jedem, der sie polnisch anredet, die Antwort schuldig. —
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |