Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.Praktischer Rath für Lyriker von Goethe. Die folgende nirgend gedruckte Niederschrift Goethe's, welche uns durch Die Gedichte, welche mir zugesendet worden, gehören, weil man sie doch Die Deutschen lieben das moralisch-lyrische, diese subjectiven reflectirten Ich würde daher dem Verfasser rathen, seine Lieder durch diejenigen Behagen sie einem Musiker, begleitet er sie mit gefälligen Melodien, fo Grenzboten it. 187" 61
Praktischer Rath für Lyriker von Goethe. Die folgende nirgend gedruckte Niederschrift Goethe's, welche uns durch Die Gedichte, welche mir zugesendet worden, gehören, weil man sie doch Die Deutschen lieben das moralisch-lyrische, diese subjectiven reflectirten Ich würde daher dem Verfasser rathen, seine Lieder durch diejenigen Behagen sie einem Musiker, begleitet er sie mit gefälligen Melodien, fo Grenzboten it. 187« 61
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Praktischer Rath für Lyriker von Goethe.
Die folgende nirgend gedruckte Niederschrift Goethe's, welche uns durch
die Güte eines Freundes zugeht, verdient sehr in seine Werke aufgenommen
zu werden. Die Rathschläge, welche darin ertheilt werden, haben noch in
der Gegenwart ihre Geltung. Da aus dem Schriftstück nicht zu ersehen ist.
Wer der Dichter war, welcher von Goethe berathen wurde, so wäre eine kleine
lockende Aufgabe für Literaturfreunde, die Person festzustellen, oder doch
wahrscheinlich zu machen. — Die Niederschrift lautet folgendermaßen:
Die Gedichte, welche mir zugesendet worden, gehören, weil man sie doch
vor allen Dingen einordnen muß, zu den gemüthlich didactisch-lyrischen. Man
kann von solchen verlangen, daß sie rein empfunden, gut gedacht und bequem
ausgesprochen seyen. Alle diese Vorzüge besitzen die vorliegenden. Dagegen
haben sie kein eigentlich poetisch Verdienst. Unaufhaltsame Natur, unüber¬
windliche Neigung, drängende Leidenschaft, Haupterfordernisse der wahren
Poesie, welche sich im Großen wie im Kleinen, im naiven wie im Patheti¬
schen manifestiren können, zeigen sich nirgends. Demungeachtet kann der
Verfasser bei seinem Talent sich den Beyfall seiner Landsleute versprechen.
Die Deutschen lieben das moralisch-lyrische, diese subjectiven reflectirten
besänge, die einen andern Jemand wieder leicht ansprechen und an allge¬
meine Zustände des Gemüths, an Wünsche Sehnsuchten fehlgeschlagene Hof-
nungen erinnern.
Ich würde daher dem Verfasser rathen, seine Lieder durch diejenigen
Blätter bekannt zu machen, welche sogleich ins große Publicum gelangen;
wie ich mir denn ein Paar davon für Herrn Cotta's Morgenblatt ausbitten
würde. Dabei könnte er sich irgend einen wohlklingenden Namen wählen,
durch den seine Gedichte vor andern ähnlichen sich auszeichneten.
Behagen sie einem Musiker, begleitet er sie mit gefälligen Melodien, fo
Grenzboten it. 187« 61
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