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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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die Bewegungen der deutschen wissenschaftlichen Arbeit. vomMandpunkte na¬
tionaler Bildung beobachtet, wird jede Leistung in einem Spectalfache, die
eine neue Bahn eröffnet, sorgfältig zu registriren haben, und das Buch, welches
Wir besprechen wollen, erhebt und erfüllt diese Bedingung.

Es ist die erste systematische und eingehende Darstellung eines Gegen¬
standes, der bisher fast nur Versuchs- und andeutungsweise behandelt wurde.
Wer die früheren Arbeiten gleicher Aufgabe nicht aus eigener Erfahrung
kennt, mag sich aus der unserem Werke vorangeschickten literargeschichtltchen
Einleitung überzeugen, daß es bis zu dieser Stunde noch an einem solchen
Werke gefehlt hat. Rönne's bekanntes Buch gleichen Titels, jetzt schon in
dritter Auflage, ist etwas weit anderes, nämlich eine übersichtlich geordnete
Materialiensammlung, von größtem Werth für bestimmte practische Zwecke,
für den Politiker und Rechtsgelehrten von Profession, ebenso auch eine un¬
schätzbare Vorarbeit für die systematische Doctrin, und insofern steht auch
diese neue bahnbrechende Arbeit auf den Schultern jenes verdienstvollen Vor¬
gängers. Aber Theorie und Praxis begnügen sich nicht mit einer bloßen
Sammlung und Sichtung des Materials: es gilt für beide überall einen
festen principiellen Standpunkt zu den einzelnen Materien, die zugleich ebenso
^ele "Fragen" sind, einzunehmen. Selbstverständlich wird durch einen solchen
einheitlichen Standpunkt sofort auch eine bestimmte Doctrin ausgeprägt, und
^sofern tritt dieses Buch, wie jedes andere, das auf einem wissenschaftlichen
Principe beruht und mit wissenschaftlicher Methode operirt aus der neutralen
Dbjectivität eines bloßen Sammelwerkes zu seinem Nachtheile heraus. Rönne
^^d und muß von Männern aller Parteien und Doctrinen dankbar be¬
nutzt werden, dieses neue preußische Staatsrecht wird, wir hoffen es. von
sehr vielen wegen der unleugbaren Vorzüge selner formellen Durcharbeitung
und Darstellung mit Beifall aufgenommen werden, aber wenn sie mit der
Grundauffassung seines Verfassers von dem Wesen des Staates im allge¬
meinen und des preußischen insbesondere nicht einverstanden sind, muß seine
Eigentliche Wirkung eine beschränktere sein. Nichtsdestoweniger, setzen wir
sogleich hinzu, doch eine bedeutende. Denn es gehört zu seinen Vorzügen,
es mit streng wissenschaftlicher Begründung und Tendenz eine sehr durch¬
sichtige, allgemein verständliche Formengebung verbindet. Jeder gebildete
^eher kann sich mit ihm befreunden und weil ein unleugbares Bedürfniß auch
'Ur eine stets wachsende Menge von Nichtjuristen vorhanden ist. über staats¬
rechtliche Fragen im Zusammenhang und gründlich belehrt zu werden, darf
^ auch nach dieser Seite hin, wo Belehrung zu verbreiten nach unserer Med-
"ung ebenso verdienstlich und jedenfalls von unmittelbareren Nutzen für das
G°nze -ist als in dem Kreise der Fachgenossen, eine bahnbrechende Leistung
genannt werden.


die Bewegungen der deutschen wissenschaftlichen Arbeit. vomMandpunkte na¬
tionaler Bildung beobachtet, wird jede Leistung in einem Spectalfache, die
eine neue Bahn eröffnet, sorgfältig zu registriren haben, und das Buch, welches
Wir besprechen wollen, erhebt und erfüllt diese Bedingung.

Es ist die erste systematische und eingehende Darstellung eines Gegen¬
standes, der bisher fast nur Versuchs- und andeutungsweise behandelt wurde.
Wer die früheren Arbeiten gleicher Aufgabe nicht aus eigener Erfahrung
kennt, mag sich aus der unserem Werke vorangeschickten literargeschichtltchen
Einleitung überzeugen, daß es bis zu dieser Stunde noch an einem solchen
Werke gefehlt hat. Rönne's bekanntes Buch gleichen Titels, jetzt schon in
dritter Auflage, ist etwas weit anderes, nämlich eine übersichtlich geordnete
Materialiensammlung, von größtem Werth für bestimmte practische Zwecke,
für den Politiker und Rechtsgelehrten von Profession, ebenso auch eine un¬
schätzbare Vorarbeit für die systematische Doctrin, und insofern steht auch
diese neue bahnbrechende Arbeit auf den Schultern jenes verdienstvollen Vor¬
gängers. Aber Theorie und Praxis begnügen sich nicht mit einer bloßen
Sammlung und Sichtung des Materials: es gilt für beide überall einen
festen principiellen Standpunkt zu den einzelnen Materien, die zugleich ebenso
^ele „Fragen" sind, einzunehmen. Selbstverständlich wird durch einen solchen
einheitlichen Standpunkt sofort auch eine bestimmte Doctrin ausgeprägt, und
^sofern tritt dieses Buch, wie jedes andere, das auf einem wissenschaftlichen
Principe beruht und mit wissenschaftlicher Methode operirt aus der neutralen
Dbjectivität eines bloßen Sammelwerkes zu seinem Nachtheile heraus. Rönne
^^d und muß von Männern aller Parteien und Doctrinen dankbar be¬
nutzt werden, dieses neue preußische Staatsrecht wird, wir hoffen es. von
sehr vielen wegen der unleugbaren Vorzüge selner formellen Durcharbeitung
und Darstellung mit Beifall aufgenommen werden, aber wenn sie mit der
Grundauffassung seines Verfassers von dem Wesen des Staates im allge¬
meinen und des preußischen insbesondere nicht einverstanden sind, muß seine
Eigentliche Wirkung eine beschränktere sein. Nichtsdestoweniger, setzen wir
sogleich hinzu, doch eine bedeutende. Denn es gehört zu seinen Vorzügen,
es mit streng wissenschaftlicher Begründung und Tendenz eine sehr durch¬
sichtige, allgemein verständliche Formengebung verbindet. Jeder gebildete
^eher kann sich mit ihm befreunden und weil ein unleugbares Bedürfniß auch
'Ur eine stets wachsende Menge von Nichtjuristen vorhanden ist. über staats¬
rechtliche Fragen im Zusammenhang und gründlich belehrt zu werden, darf
^ auch nach dieser Seite hin, wo Belehrung zu verbreiten nach unserer Med-
"ung ebenso verdienstlich und jedenfalls von unmittelbareren Nutzen für das
G°nze -ist als in dem Kreise der Fachgenossen, eine bahnbrechende Leistung
genannt werden.


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[0395] die Bewegungen der deutschen wissenschaftlichen Arbeit. vomMandpunkte na¬ tionaler Bildung beobachtet, wird jede Leistung in einem Spectalfache, die eine neue Bahn eröffnet, sorgfältig zu registriren haben, und das Buch, welches Wir besprechen wollen, erhebt und erfüllt diese Bedingung. Es ist die erste systematische und eingehende Darstellung eines Gegen¬ standes, der bisher fast nur Versuchs- und andeutungsweise behandelt wurde. Wer die früheren Arbeiten gleicher Aufgabe nicht aus eigener Erfahrung kennt, mag sich aus der unserem Werke vorangeschickten literargeschichtltchen Einleitung überzeugen, daß es bis zu dieser Stunde noch an einem solchen Werke gefehlt hat. Rönne's bekanntes Buch gleichen Titels, jetzt schon in dritter Auflage, ist etwas weit anderes, nämlich eine übersichtlich geordnete Materialiensammlung, von größtem Werth für bestimmte practische Zwecke, für den Politiker und Rechtsgelehrten von Profession, ebenso auch eine un¬ schätzbare Vorarbeit für die systematische Doctrin, und insofern steht auch diese neue bahnbrechende Arbeit auf den Schultern jenes verdienstvollen Vor¬ gängers. Aber Theorie und Praxis begnügen sich nicht mit einer bloßen Sammlung und Sichtung des Materials: es gilt für beide überall einen festen principiellen Standpunkt zu den einzelnen Materien, die zugleich ebenso ^ele „Fragen" sind, einzunehmen. Selbstverständlich wird durch einen solchen einheitlichen Standpunkt sofort auch eine bestimmte Doctrin ausgeprägt, und ^sofern tritt dieses Buch, wie jedes andere, das auf einem wissenschaftlichen Principe beruht und mit wissenschaftlicher Methode operirt aus der neutralen Dbjectivität eines bloßen Sammelwerkes zu seinem Nachtheile heraus. Rönne ^^d und muß von Männern aller Parteien und Doctrinen dankbar be¬ nutzt werden, dieses neue preußische Staatsrecht wird, wir hoffen es. von sehr vielen wegen der unleugbaren Vorzüge selner formellen Durcharbeitung und Darstellung mit Beifall aufgenommen werden, aber wenn sie mit der Grundauffassung seines Verfassers von dem Wesen des Staates im allge¬ meinen und des preußischen insbesondere nicht einverstanden sind, muß seine Eigentliche Wirkung eine beschränktere sein. Nichtsdestoweniger, setzen wir sogleich hinzu, doch eine bedeutende. Denn es gehört zu seinen Vorzügen, es mit streng wissenschaftlicher Begründung und Tendenz eine sehr durch¬ sichtige, allgemein verständliche Formengebung verbindet. Jeder gebildete ^eher kann sich mit ihm befreunden und weil ein unleugbares Bedürfniß auch 'Ur eine stets wachsende Menge von Nichtjuristen vorhanden ist. über staats¬ rechtliche Fragen im Zusammenhang und gründlich belehrt zu werden, darf ^ auch nach dieser Seite hin, wo Belehrung zu verbreiten nach unserer Med- "ung ebenso verdienstlich und jedenfalls von unmittelbareren Nutzen für das G°nze -ist als in dem Kreise der Fachgenossen, eine bahnbrechende Leistung genannt werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/395>, abgerufen am 27.07.2024.