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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Städten waren überall Anfänge größeren Wohlstandes und Erwachen einer
jungen energischen Industrie sichtbar, auch dem kleinen Orte fehlte nicht ein
Kaufmann oder Fabrikant, der in neuem Steinhause wohnte und für den
reichen Mann der Gegend galt. Allmählig kam auch dem Bücherverkehr dies
frische Gedeihen zu Gute, eine große Anzahl neuer Buchhandlungen entstand,
namhafte Schriftsteller wurden von den Verlegern umworben und erhielten
höhere Honorare. Es galt für ein großes Eceigniß, daß Göschen an Wie-
land für eine Prachtausgabe der Werke 7000 Thlr. zu zahlen vermochte.
Freilich gerade Goethe und Schiller sollten erst verhältnißmäßig spät von
dieser Vermehrung des Bücherkaufs Vortheil ziehen; Schiller war 17891 wo
unsere Briefe beginnen, erst im Herauskommen und die großen Erfolge Goethe's
sicherten ihm bis zu seiner Verbindung mit Cotta keineswegs hohe Honorare.
Im Jahre 1790 weigerte sich Göschen sogar, die kleine Schrift "Metamor,
phose der Pflanzen" zu drucken, weil er keinen Absatz erwartete, und Goethe,
der mit Recht dadurch verletzt war. mußte sich einen andern Verleger suchen.

Zum Verständniß des folgenden Briefwechsels mögen einige kurze Be-
Merkungen dienen, Georg Joachim Göschen, -- ein Vorfahr des englischen
Ministers Göschen*). -- Sohn eines Kaufmanns aus Bremen, hatte den Buch-
Handel gelernt und im Jahr 1785, 33 Jahr alt, eine eigene Buchhandlung
in Leipzig gegründet. Er war ohne Vermögen und erhielt einen wesentlichen
Theil seines Betriebscapitals von Christian Gottfried Körner in Dresden,
dem treuen Freund Schillers. Dieser schoß ihm, wie aus einem noch vor"
handelten Schuldschein ersichtlich ist, vom 1. Mai 1785 bis 1/ Mai 87 in
vier Raten ein Capital von 5500 Thlr. Sächsischer Conventionsmünze, nach
heutigem Münzfuß etwas über 6000 Thlr. in die Handlung ein, das Geld
sollte mit 5 pCt. verzinst und erst vom Jahr 1791 mit 500 Thlr. an jeder
Ostermesse zurückgezahlt werden. Aus Briefen Körners an Göschen**) darf
Man schließen, daß den wackeren Körner bei dieser Betheiligung an einer
Buchhandlung vor Allem der Gedanke geleitet hat, seinem Freund Schiller
durch die neue Handlung möglichst hohe Honorare und eine gute Verbindung
mit dem Publicum zu schaffen. Denn Körner schreibt am 6. März 65 an
löschen: "Es äußert sich eine Gelegenheit, Schillern einen Freundschaftsdienst
"zu erweisen und ihn zugleich für unseren Verlag zu gewinnen. Huber hat
"Ihnen schon davon ausführlich geschrieben. Mein Entschluß ist ihm die
"300 Thlr. vorzuschießen, doch muß es das Ansehen haben, als ob es von
-Ihnen geschähe, um den Verlag der Rheinischen Thalia zu bekommen. Ich




") Biographische Notizen über ihn in einem sorgfältigen Buch: Goethe und Leipzig von
Woldemar Freiherrn von Biedermann. II. Theil. Leipzig, F. A. Brockhaus 18K5. S, i>7.
") Gegenwärtig im Besitz des Herrn W. Künzel. welcher die Güte hatte, die folgende Mit¬
theilung zu geben. >*
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Städten waren überall Anfänge größeren Wohlstandes und Erwachen einer
jungen energischen Industrie sichtbar, auch dem kleinen Orte fehlte nicht ein
Kaufmann oder Fabrikant, der in neuem Steinhause wohnte und für den
reichen Mann der Gegend galt. Allmählig kam auch dem Bücherverkehr dies
frische Gedeihen zu Gute, eine große Anzahl neuer Buchhandlungen entstand,
namhafte Schriftsteller wurden von den Verlegern umworben und erhielten
höhere Honorare. Es galt für ein großes Eceigniß, daß Göschen an Wie-
land für eine Prachtausgabe der Werke 7000 Thlr. zu zahlen vermochte.
Freilich gerade Goethe und Schiller sollten erst verhältnißmäßig spät von
dieser Vermehrung des Bücherkaufs Vortheil ziehen; Schiller war 17891 wo
unsere Briefe beginnen, erst im Herauskommen und die großen Erfolge Goethe's
sicherten ihm bis zu seiner Verbindung mit Cotta keineswegs hohe Honorare.
Im Jahre 1790 weigerte sich Göschen sogar, die kleine Schrift „Metamor,
phose der Pflanzen" zu drucken, weil er keinen Absatz erwartete, und Goethe,
der mit Recht dadurch verletzt war. mußte sich einen andern Verleger suchen.

Zum Verständniß des folgenden Briefwechsels mögen einige kurze Be-
Merkungen dienen, Georg Joachim Göschen, — ein Vorfahr des englischen
Ministers Göschen*). — Sohn eines Kaufmanns aus Bremen, hatte den Buch-
Handel gelernt und im Jahr 1785, 33 Jahr alt, eine eigene Buchhandlung
in Leipzig gegründet. Er war ohne Vermögen und erhielt einen wesentlichen
Theil seines Betriebscapitals von Christian Gottfried Körner in Dresden,
dem treuen Freund Schillers. Dieser schoß ihm, wie aus einem noch vor«
handelten Schuldschein ersichtlich ist, vom 1. Mai 1785 bis 1/ Mai 87 in
vier Raten ein Capital von 5500 Thlr. Sächsischer Conventionsmünze, nach
heutigem Münzfuß etwas über 6000 Thlr. in die Handlung ein, das Geld
sollte mit 5 pCt. verzinst und erst vom Jahr 1791 mit 500 Thlr. an jeder
Ostermesse zurückgezahlt werden. Aus Briefen Körners an Göschen**) darf
Man schließen, daß den wackeren Körner bei dieser Betheiligung an einer
Buchhandlung vor Allem der Gedanke geleitet hat, seinem Freund Schiller
durch die neue Handlung möglichst hohe Honorare und eine gute Verbindung
mit dem Publicum zu schaffen. Denn Körner schreibt am 6. März 65 an
löschen: „Es äußert sich eine Gelegenheit, Schillern einen Freundschaftsdienst
»zu erweisen und ihn zugleich für unseren Verlag zu gewinnen. Huber hat
»Ihnen schon davon ausführlich geschrieben. Mein Entschluß ist ihm die
»300 Thlr. vorzuschießen, doch muß es das Ansehen haben, als ob es von
-Ihnen geschähe, um den Verlag der Rheinischen Thalia zu bekommen. Ich




") Biographische Notizen über ihn in einem sorgfältigen Buch: Goethe und Leipzig von
Woldemar Freiherrn von Biedermann. II. Theil. Leipzig, F. A. Brockhaus 18K5. S, i>7.
") Gegenwärtig im Besitz des Herrn W. Künzel. welcher die Güte hatte, die folgende Mit¬
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[0377] Städten waren überall Anfänge größeren Wohlstandes und Erwachen einer jungen energischen Industrie sichtbar, auch dem kleinen Orte fehlte nicht ein Kaufmann oder Fabrikant, der in neuem Steinhause wohnte und für den reichen Mann der Gegend galt. Allmählig kam auch dem Bücherverkehr dies frische Gedeihen zu Gute, eine große Anzahl neuer Buchhandlungen entstand, namhafte Schriftsteller wurden von den Verlegern umworben und erhielten höhere Honorare. Es galt für ein großes Eceigniß, daß Göschen an Wie- land für eine Prachtausgabe der Werke 7000 Thlr. zu zahlen vermochte. Freilich gerade Goethe und Schiller sollten erst verhältnißmäßig spät von dieser Vermehrung des Bücherkaufs Vortheil ziehen; Schiller war 17891 wo unsere Briefe beginnen, erst im Herauskommen und die großen Erfolge Goethe's sicherten ihm bis zu seiner Verbindung mit Cotta keineswegs hohe Honorare. Im Jahre 1790 weigerte sich Göschen sogar, die kleine Schrift „Metamor, phose der Pflanzen" zu drucken, weil er keinen Absatz erwartete, und Goethe, der mit Recht dadurch verletzt war. mußte sich einen andern Verleger suchen. Zum Verständniß des folgenden Briefwechsels mögen einige kurze Be- Merkungen dienen, Georg Joachim Göschen, — ein Vorfahr des englischen Ministers Göschen*). — Sohn eines Kaufmanns aus Bremen, hatte den Buch- Handel gelernt und im Jahr 1785, 33 Jahr alt, eine eigene Buchhandlung in Leipzig gegründet. Er war ohne Vermögen und erhielt einen wesentlichen Theil seines Betriebscapitals von Christian Gottfried Körner in Dresden, dem treuen Freund Schillers. Dieser schoß ihm, wie aus einem noch vor« handelten Schuldschein ersichtlich ist, vom 1. Mai 1785 bis 1/ Mai 87 in vier Raten ein Capital von 5500 Thlr. Sächsischer Conventionsmünze, nach heutigem Münzfuß etwas über 6000 Thlr. in die Handlung ein, das Geld sollte mit 5 pCt. verzinst und erst vom Jahr 1791 mit 500 Thlr. an jeder Ostermesse zurückgezahlt werden. Aus Briefen Körners an Göschen**) darf Man schließen, daß den wackeren Körner bei dieser Betheiligung an einer Buchhandlung vor Allem der Gedanke geleitet hat, seinem Freund Schiller durch die neue Handlung möglichst hohe Honorare und eine gute Verbindung mit dem Publicum zu schaffen. Denn Körner schreibt am 6. März 65 an löschen: „Es äußert sich eine Gelegenheit, Schillern einen Freundschaftsdienst »zu erweisen und ihn zugleich für unseren Verlag zu gewinnen. Huber hat »Ihnen schon davon ausführlich geschrieben. Mein Entschluß ist ihm die »300 Thlr. vorzuschießen, doch muß es das Ansehen haben, als ob es von -Ihnen geschähe, um den Verlag der Rheinischen Thalia zu bekommen. Ich ") Biographische Notizen über ihn in einem sorgfältigen Buch: Goethe und Leipzig von Woldemar Freiherrn von Biedermann. II. Theil. Leipzig, F. A. Brockhaus 18K5. S, i>7. ") Gegenwärtig im Besitz des Herrn W. Künzel. welcher die Güte hatte, die folgende Mit¬ theilung zu geben. >* 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/377>, abgerufen am 27.07.2024.