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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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flüchte; die Schiffe, welche den bedürftigen Ländern das Getreide zuführten,
iraportirten dann wohl orientalische Luxuswaaren und edle Metalle.

So führt uns denn das Buch des Herrn Holm in ein Land voll land,
schaftlicher Schönheit und geographischer Eigenthümlichkeit; es entrollt uns
ein Bild wechselvoller Schicksale einer aus den verschiedensten Stämmen ge-
mischten Bevölkerung und deckt uns ein in allen Gebieten der Literatur und
Kunst bewegtes geistiges Leben auf, das sogar in mehreren Richtungen die
anderen griechischen Volkstamme übertrifft. Es ist nicht zu verwundern, daß
der Verfasser mit sichtlicher Liebe seinen Gegenstand behandelt. Von seiner
wissenschaftlichen Gründlichkeit zeugen die Belege und Erläuterungen, die sich
in dem Anhang vorfinden; das ist eine wahre Fundgrube von Gelehrsam¬
keit, aus der auch der Vorgeschrittenste stets Belehrung schöpfen kann. Und
doch ist es als eine richtige Methode hervorzuheben, daß zuerst die zusammen-
hängende Darstellung ohne gelehrte Beimischung gegeben ist. an der sich das
gebildete Laienpublicum erfreuen kann; das wissenschaftliche Material mag
dann den Fachmann nach Belieben beschäftigen. Die Aufgabe war auch
insofern dankbar, als seit langer Zeit die wissenschaftliche Forschung mit
Sicilien im Ganzen sich nicht viel abgegeben hat. Seit dem Erscheinen des
großen Werkes des Herzogs Serradifalco vor fast 30 Jahren, das auch nur
die architektonischen Reste behandelt, waren außer Amari's Geschichte der
Muselmänner in Sicilien größere Arbeiten nicht erschienen, und so dynkens-
Werth "und einzelne Abhandlungen, wie die Siefertschen, oder die künstlerischen
Schilderungen, wie die von Hoffweiler und Metzner sind, so citiren doch die
Gelehrten immer noch aus Clüver. Daher konnte der Verfasser eine Menge
reifer Früchte brechen und die Freude genießen, viele veraltete Irrthümer
mühelos zu beseitigen. Aber er ist zugleich auch dem Standpunkte der heu¬
tigen Wissenschaft durchaus gerecht geworden, und es scheint überhaupt für
die Erforschung Siciliens eine neue Aera angefangen zu haben, seitdem Sa-
lima's umfassende Vorstudien zu einer gesammten Numismatik begannen,
Schubring sich der Topographie der Insel zugewendet hat und Hartwig mit
der mittelalterlichen Geschichte sich beschäftigt, zugleich haben die Ausgra-
bungen der archäologischen Commission von Palermo einen neuen Aufschwung
genommen und jüngst gefundene Inschriften und Vasen interessiren die
Archäologen des römischen Capitals. Auch ist durch die gesammte trigono-
metrische Aufnahme der Insel seitens des italienischen Generalstabes eine un¬
schätzbare Grundlage für die Erkenntniß der Oertlichkeit gewonnen und der
Verfasser hat diese Arbeiten für fünf Specialkarten, so wie für eine detail-
Urte Angabe der Höhen benutzt. Ueberhaupt scheint er Reisen und sonstige
Aufwande zum Zwecke der Selbstbelehrung nicht gescheut zu haben, wie die


Grenzboten II. 1870. 47

flüchte; die Schiffe, welche den bedürftigen Ländern das Getreide zuführten,
iraportirten dann wohl orientalische Luxuswaaren und edle Metalle.

So führt uns denn das Buch des Herrn Holm in ein Land voll land,
schaftlicher Schönheit und geographischer Eigenthümlichkeit; es entrollt uns
ein Bild wechselvoller Schicksale einer aus den verschiedensten Stämmen ge-
mischten Bevölkerung und deckt uns ein in allen Gebieten der Literatur und
Kunst bewegtes geistiges Leben auf, das sogar in mehreren Richtungen die
anderen griechischen Volkstamme übertrifft. Es ist nicht zu verwundern, daß
der Verfasser mit sichtlicher Liebe seinen Gegenstand behandelt. Von seiner
wissenschaftlichen Gründlichkeit zeugen die Belege und Erläuterungen, die sich
in dem Anhang vorfinden; das ist eine wahre Fundgrube von Gelehrsam¬
keit, aus der auch der Vorgeschrittenste stets Belehrung schöpfen kann. Und
doch ist es als eine richtige Methode hervorzuheben, daß zuerst die zusammen-
hängende Darstellung ohne gelehrte Beimischung gegeben ist. an der sich das
gebildete Laienpublicum erfreuen kann; das wissenschaftliche Material mag
dann den Fachmann nach Belieben beschäftigen. Die Aufgabe war auch
insofern dankbar, als seit langer Zeit die wissenschaftliche Forschung mit
Sicilien im Ganzen sich nicht viel abgegeben hat. Seit dem Erscheinen des
großen Werkes des Herzogs Serradifalco vor fast 30 Jahren, das auch nur
die architektonischen Reste behandelt, waren außer Amari's Geschichte der
Muselmänner in Sicilien größere Arbeiten nicht erschienen, und so dynkens-
Werth «und einzelne Abhandlungen, wie die Siefertschen, oder die künstlerischen
Schilderungen, wie die von Hoffweiler und Metzner sind, so citiren doch die
Gelehrten immer noch aus Clüver. Daher konnte der Verfasser eine Menge
reifer Früchte brechen und die Freude genießen, viele veraltete Irrthümer
mühelos zu beseitigen. Aber er ist zugleich auch dem Standpunkte der heu¬
tigen Wissenschaft durchaus gerecht geworden, und es scheint überhaupt für
die Erforschung Siciliens eine neue Aera angefangen zu haben, seitdem Sa-
lima's umfassende Vorstudien zu einer gesammten Numismatik begannen,
Schubring sich der Topographie der Insel zugewendet hat und Hartwig mit
der mittelalterlichen Geschichte sich beschäftigt, zugleich haben die Ausgra-
bungen der archäologischen Commission von Palermo einen neuen Aufschwung
genommen und jüngst gefundene Inschriften und Vasen interessiren die
Archäologen des römischen Capitals. Auch ist durch die gesammte trigono-
metrische Aufnahme der Insel seitens des italienischen Generalstabes eine un¬
schätzbare Grundlage für die Erkenntniß der Oertlichkeit gewonnen und der
Verfasser hat diese Arbeiten für fünf Specialkarten, so wie für eine detail-
Urte Angabe der Höhen benutzt. Ueberhaupt scheint er Reisen und sonstige
Aufwande zum Zwecke der Selbstbelehrung nicht gescheut zu haben, wie die


Grenzboten II. 1870. 47
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[0375] flüchte; die Schiffe, welche den bedürftigen Ländern das Getreide zuführten, iraportirten dann wohl orientalische Luxuswaaren und edle Metalle. So führt uns denn das Buch des Herrn Holm in ein Land voll land, schaftlicher Schönheit und geographischer Eigenthümlichkeit; es entrollt uns ein Bild wechselvoller Schicksale einer aus den verschiedensten Stämmen ge- mischten Bevölkerung und deckt uns ein in allen Gebieten der Literatur und Kunst bewegtes geistiges Leben auf, das sogar in mehreren Richtungen die anderen griechischen Volkstamme übertrifft. Es ist nicht zu verwundern, daß der Verfasser mit sichtlicher Liebe seinen Gegenstand behandelt. Von seiner wissenschaftlichen Gründlichkeit zeugen die Belege und Erläuterungen, die sich in dem Anhang vorfinden; das ist eine wahre Fundgrube von Gelehrsam¬ keit, aus der auch der Vorgeschrittenste stets Belehrung schöpfen kann. Und doch ist es als eine richtige Methode hervorzuheben, daß zuerst die zusammen- hängende Darstellung ohne gelehrte Beimischung gegeben ist. an der sich das gebildete Laienpublicum erfreuen kann; das wissenschaftliche Material mag dann den Fachmann nach Belieben beschäftigen. Die Aufgabe war auch insofern dankbar, als seit langer Zeit die wissenschaftliche Forschung mit Sicilien im Ganzen sich nicht viel abgegeben hat. Seit dem Erscheinen des großen Werkes des Herzogs Serradifalco vor fast 30 Jahren, das auch nur die architektonischen Reste behandelt, waren außer Amari's Geschichte der Muselmänner in Sicilien größere Arbeiten nicht erschienen, und so dynkens- Werth «und einzelne Abhandlungen, wie die Siefertschen, oder die künstlerischen Schilderungen, wie die von Hoffweiler und Metzner sind, so citiren doch die Gelehrten immer noch aus Clüver. Daher konnte der Verfasser eine Menge reifer Früchte brechen und die Freude genießen, viele veraltete Irrthümer mühelos zu beseitigen. Aber er ist zugleich auch dem Standpunkte der heu¬ tigen Wissenschaft durchaus gerecht geworden, und es scheint überhaupt für die Erforschung Siciliens eine neue Aera angefangen zu haben, seitdem Sa- lima's umfassende Vorstudien zu einer gesammten Numismatik begannen, Schubring sich der Topographie der Insel zugewendet hat und Hartwig mit der mittelalterlichen Geschichte sich beschäftigt, zugleich haben die Ausgra- bungen der archäologischen Commission von Palermo einen neuen Aufschwung genommen und jüngst gefundene Inschriften und Vasen interessiren die Archäologen des römischen Capitals. Auch ist durch die gesammte trigono- metrische Aufnahme der Insel seitens des italienischen Generalstabes eine un¬ schätzbare Grundlage für die Erkenntniß der Oertlichkeit gewonnen und der Verfasser hat diese Arbeiten für fünf Specialkarten, so wie für eine detail- Urte Angabe der Höhen benutzt. Ueberhaupt scheint er Reisen und sonstige Aufwande zum Zwecke der Selbstbelehrung nicht gescheut zu haben, wie die Grenzboten II. 1870. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/375>, abgerufen am 27.07.2024.