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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Die Ausgrabungen in Ostia.

Ostia verdankt seine Bedeutung wie seinen Namen der Mündung des
Tiber. An der gleichen linken Flußseite, wie Rom gelegen, kaum drei Meilen
entfernt war es Roms natürlicher Hafenplatz und galt als seine früheste
Colonie. Seitdem die Stadt sich eine Flotte geschaffen hatte und ihre Macht
über die Länder des Mittelmeeres auszudehnen begann, wuchs auch die
politische Bedeutung des römischen Hafens. Er theilte alle Schicksale der
Hauptstadt und es gibt kein sprechenderes Zeugniß für die Vernachlässi¬
gung des Gemeinwesens in der Periode der Bürgerkriege, die das Ende der
Republik herbeiführte, als die Thatsache, daß es damals Piraten gelang,
die römische, von einem der höchsten Magistrate befehligte Flotte bei Ostia
gefangen zu nehmen und zu versenken. Gesichertere Zustände gab die Kaiser¬
zeit, doch stellte sich immer mehr und mehr heraus, daß der Hafen, der in
einfacher Weise durch das Bett des Flusses selber gebildet wurde, an sich
mangelhaft und zugleich in hohem Grade der Versandung ausgesetzt war.
Der "von vielem Sande gelbe" Tiber und die vorherrschende Richtung der
Winterstürme bewirken, daß das Meer weiter und weiter zurücktritt. Gegen¬
wärtig ist die Küste fast eine halbe Meile von Ostia entfernt, aber schon
beim Beginne unserer Zeitrechnung konnten nur Schiffe von mittlerer Größe
die Barre des Flusses in Ladung passiren, die schwerbelasteten Getreide¬
schiffe waren gezwungen, auf der hohen See einen Theil ihrer Fracht in
kleinere Fahrzeuge umzuladen. Die hiermit verbundenen Schwierigkeiten
waren aber bei dem unwirthlichen Charakter der Küste desto bedenklicher, als
die Ernährung einer so colossalen Stadt, wie das kaiserliche Rom es war,
wesentlich von dem richtigen Eintreffen der Zufuhr aus Afrika abhing, eine
Theuerung und drohender Mangel an Getreide die Regierung dem zahlreichen
Proletariat gegenüber in gefährlicher Weise bloßstellte. Nach mehreren resultat¬
losen Versuchen seiner Vorgänger ward endlich der Kaiser Claudius durch
eine Hungersnoth veranlaßt, eine energische Abhilfe zu schaffen. An einem
Punkte der Küste, welcher weiter westlich, dem Strombette aber vor dessen
letzter Biegung nahe liegt, gründete er einen neuen, künstlichen Hafen und
dieser, von Trajan in großartigem Maßstabe erweitert ward aliena'lig der
Haupthafen, der Portus von Rom. Indessen ließ der ungeheure, stets noch
zunehmende Handelsverkehr in der Hauptstadt der Welt diese Rivalität für
die ältere Colonie zunächst noch wenig fühlbar werden; Ostia war vielleicht
sogar nie blühender, als im zweiten Jahrhundert, dessen Kaiser, vor Allen
Hadrian und Antoninus Pius, die Stadt mit manchen reichen Bauten schmückten.


Die Ausgrabungen in Ostia.

Ostia verdankt seine Bedeutung wie seinen Namen der Mündung des
Tiber. An der gleichen linken Flußseite, wie Rom gelegen, kaum drei Meilen
entfernt war es Roms natürlicher Hafenplatz und galt als seine früheste
Colonie. Seitdem die Stadt sich eine Flotte geschaffen hatte und ihre Macht
über die Länder des Mittelmeeres auszudehnen begann, wuchs auch die
politische Bedeutung des römischen Hafens. Er theilte alle Schicksale der
Hauptstadt und es gibt kein sprechenderes Zeugniß für die Vernachlässi¬
gung des Gemeinwesens in der Periode der Bürgerkriege, die das Ende der
Republik herbeiführte, als die Thatsache, daß es damals Piraten gelang,
die römische, von einem der höchsten Magistrate befehligte Flotte bei Ostia
gefangen zu nehmen und zu versenken. Gesichertere Zustände gab die Kaiser¬
zeit, doch stellte sich immer mehr und mehr heraus, daß der Hafen, der in
einfacher Weise durch das Bett des Flusses selber gebildet wurde, an sich
mangelhaft und zugleich in hohem Grade der Versandung ausgesetzt war.
Der „von vielem Sande gelbe" Tiber und die vorherrschende Richtung der
Winterstürme bewirken, daß das Meer weiter und weiter zurücktritt. Gegen¬
wärtig ist die Küste fast eine halbe Meile von Ostia entfernt, aber schon
beim Beginne unserer Zeitrechnung konnten nur Schiffe von mittlerer Größe
die Barre des Flusses in Ladung passiren, die schwerbelasteten Getreide¬
schiffe waren gezwungen, auf der hohen See einen Theil ihrer Fracht in
kleinere Fahrzeuge umzuladen. Die hiermit verbundenen Schwierigkeiten
waren aber bei dem unwirthlichen Charakter der Küste desto bedenklicher, als
die Ernährung einer so colossalen Stadt, wie das kaiserliche Rom es war,
wesentlich von dem richtigen Eintreffen der Zufuhr aus Afrika abhing, eine
Theuerung und drohender Mangel an Getreide die Regierung dem zahlreichen
Proletariat gegenüber in gefährlicher Weise bloßstellte. Nach mehreren resultat¬
losen Versuchen seiner Vorgänger ward endlich der Kaiser Claudius durch
eine Hungersnoth veranlaßt, eine energische Abhilfe zu schaffen. An einem
Punkte der Küste, welcher weiter westlich, dem Strombette aber vor dessen
letzter Biegung nahe liegt, gründete er einen neuen, künstlichen Hafen und
dieser, von Trajan in großartigem Maßstabe erweitert ward aliena'lig der
Haupthafen, der Portus von Rom. Indessen ließ der ungeheure, stets noch
zunehmende Handelsverkehr in der Hauptstadt der Welt diese Rivalität für
die ältere Colonie zunächst noch wenig fühlbar werden; Ostia war vielleicht
sogar nie blühender, als im zweiten Jahrhundert, dessen Kaiser, vor Allen
Hadrian und Antoninus Pius, die Stadt mit manchen reichen Bauten schmückten.


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[0340] Die Ausgrabungen in Ostia. Ostia verdankt seine Bedeutung wie seinen Namen der Mündung des Tiber. An der gleichen linken Flußseite, wie Rom gelegen, kaum drei Meilen entfernt war es Roms natürlicher Hafenplatz und galt als seine früheste Colonie. Seitdem die Stadt sich eine Flotte geschaffen hatte und ihre Macht über die Länder des Mittelmeeres auszudehnen begann, wuchs auch die politische Bedeutung des römischen Hafens. Er theilte alle Schicksale der Hauptstadt und es gibt kein sprechenderes Zeugniß für die Vernachlässi¬ gung des Gemeinwesens in der Periode der Bürgerkriege, die das Ende der Republik herbeiführte, als die Thatsache, daß es damals Piraten gelang, die römische, von einem der höchsten Magistrate befehligte Flotte bei Ostia gefangen zu nehmen und zu versenken. Gesichertere Zustände gab die Kaiser¬ zeit, doch stellte sich immer mehr und mehr heraus, daß der Hafen, der in einfacher Weise durch das Bett des Flusses selber gebildet wurde, an sich mangelhaft und zugleich in hohem Grade der Versandung ausgesetzt war. Der „von vielem Sande gelbe" Tiber und die vorherrschende Richtung der Winterstürme bewirken, daß das Meer weiter und weiter zurücktritt. Gegen¬ wärtig ist die Küste fast eine halbe Meile von Ostia entfernt, aber schon beim Beginne unserer Zeitrechnung konnten nur Schiffe von mittlerer Größe die Barre des Flusses in Ladung passiren, die schwerbelasteten Getreide¬ schiffe waren gezwungen, auf der hohen See einen Theil ihrer Fracht in kleinere Fahrzeuge umzuladen. Die hiermit verbundenen Schwierigkeiten waren aber bei dem unwirthlichen Charakter der Küste desto bedenklicher, als die Ernährung einer so colossalen Stadt, wie das kaiserliche Rom es war, wesentlich von dem richtigen Eintreffen der Zufuhr aus Afrika abhing, eine Theuerung und drohender Mangel an Getreide die Regierung dem zahlreichen Proletariat gegenüber in gefährlicher Weise bloßstellte. Nach mehreren resultat¬ losen Versuchen seiner Vorgänger ward endlich der Kaiser Claudius durch eine Hungersnoth veranlaßt, eine energische Abhilfe zu schaffen. An einem Punkte der Küste, welcher weiter westlich, dem Strombette aber vor dessen letzter Biegung nahe liegt, gründete er einen neuen, künstlichen Hafen und dieser, von Trajan in großartigem Maßstabe erweitert ward aliena'lig der Haupthafen, der Portus von Rom. Indessen ließ der ungeheure, stets noch zunehmende Handelsverkehr in der Hauptstadt der Welt diese Rivalität für die ältere Colonie zunächst noch wenig fühlbar werden; Ostia war vielleicht sogar nie blühender, als im zweiten Jahrhundert, dessen Kaiser, vor Allen Hadrian und Antoninus Pius, die Stadt mit manchen reichen Bauten schmückten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/340>, abgerufen am 27.07.2024.