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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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punkt, daß sich Compositionen pathetischen Inhalts nicht zur Ausschmückung
von Wohnzimmern eignen, erklärt hinreichend, warum gerade die gro߬
artigsten Schöpfungen der hellenistischen Malerei, deren Andenken uns die
Schriftsteller bewahrt haben, in der Wandmalerei der Privathäuser keine Ver¬
wendung fanden. Schwerlich werden die pompeianischen Ausgrabungen
jemals Reproductionen der ergreifenden Compositionen des Theon zu Tage
fördern. Schwerlich haben wir dies zu hoffen von Compositionen, wie der
des Antiphilos, welche den Untergang der Hippolytos darstellte, und ähnlichen
großartigen Schöpfungen pathetischen Inhalts, wie sie die erste Entwickelung
des Hellenismus in beträchtlicher Anzahl hervorbrachte. Ebenso Zwenig werden
wir annehmen dürfen, daß die bedeutenden und zahlreichen Compositionen,
durch welche die hellenistische Kunst Alexander den Großen und die Diadochen
verherrlichte, in ausgedehnter Weise in der griechisch-römischen Wandmalerei
Eingang fanden, wiewohl es möglich ist, daß einige pomveianische Bilder,
welche Nike und siegreiche Krieger darstellen, auf Motive aus derartigen
Bildern zurückgehen. Unter allen Umständen war bei der Kleinheit
der zur Ausmalung vorliegenden Räume die Darstellung umfang¬
reicherer Scenen mit Gestalten in größerem Maßstabe und monumenta¬
len Charakters entschieden mißlich. Das große Gemälde in der (üasg,
ü' ^üomÄs tsrito, welches den verwundeten Adonis darstellt, kommt hierbei
nicht in Betracht, da für dasselbe der Raum einer ganzen Wand ausgespart
und es als Wandbild im eigentlichsten Sinne des Worts, nicht als Tafel¬
bild behandelt ist. Dagegen mußten die großartigen als Tafelbilder behan¬
delten Darstellungen, welche sich im Atrium vom Hause des tragischen Dichters
fanden (Hochzeit des Zeus und der Hera, Geleitung des Chryseis/Mntlassung
der Briseis), in den engen Räumen des Porticus nothwendig gedrückt er¬
scheinen. Kleinere Compositionen von weniger großartigem Charakter fügen
sich ungleich harmonischer den Bedingungen der gegebenen Räume. Die helle¬
nistische Kunst hatte eine reiche Fülle auch solcher Compositionen hervorge¬
bracht. Während die erste Epoche der Entwickelung nach Alexander dem
Großen mit ihren gewaltigen Erschütterungen auf politischem und socialem
Gebiete eine großartig pathetische Richtung der Kunst begünstigt hatte, trat
in der weiteren Entwickelung, als sich die hellenistischen Reiche consolidirt, eine
Periode der Abspannung ein. Der lang vermißte Friede war, abgesehen von
unbedeutenden Unterbrechungen, im Allgemeinen wiederum dauernd geworden
und hatte eine eifrige Pflege der materiellen Interessen und beträchtlichen
Wohlstand in den hellenistischen Städten verbreitet; die neue Regierungs¬
form, die absolute Monarchie, hatte zwar die politische Freiheit vernichtet,
gab aber der ohnehin der Ruhe bedürftigen Gesellschaft um so reichlichere
Muße, ihren vielseitigen Privatneigungen nachzugehen. So entwickelte sich


punkt, daß sich Compositionen pathetischen Inhalts nicht zur Ausschmückung
von Wohnzimmern eignen, erklärt hinreichend, warum gerade die gro߬
artigsten Schöpfungen der hellenistischen Malerei, deren Andenken uns die
Schriftsteller bewahrt haben, in der Wandmalerei der Privathäuser keine Ver¬
wendung fanden. Schwerlich werden die pompeianischen Ausgrabungen
jemals Reproductionen der ergreifenden Compositionen des Theon zu Tage
fördern. Schwerlich haben wir dies zu hoffen von Compositionen, wie der
des Antiphilos, welche den Untergang der Hippolytos darstellte, und ähnlichen
großartigen Schöpfungen pathetischen Inhalts, wie sie die erste Entwickelung
des Hellenismus in beträchtlicher Anzahl hervorbrachte. Ebenso Zwenig werden
wir annehmen dürfen, daß die bedeutenden und zahlreichen Compositionen,
durch welche die hellenistische Kunst Alexander den Großen und die Diadochen
verherrlichte, in ausgedehnter Weise in der griechisch-römischen Wandmalerei
Eingang fanden, wiewohl es möglich ist, daß einige pomveianische Bilder,
welche Nike und siegreiche Krieger darstellen, auf Motive aus derartigen
Bildern zurückgehen. Unter allen Umständen war bei der Kleinheit
der zur Ausmalung vorliegenden Räume die Darstellung umfang¬
reicherer Scenen mit Gestalten in größerem Maßstabe und monumenta¬
len Charakters entschieden mißlich. Das große Gemälde in der (üasg,
ü' ^üomÄs tsrito, welches den verwundeten Adonis darstellt, kommt hierbei
nicht in Betracht, da für dasselbe der Raum einer ganzen Wand ausgespart
und es als Wandbild im eigentlichsten Sinne des Worts, nicht als Tafel¬
bild behandelt ist. Dagegen mußten die großartigen als Tafelbilder behan¬
delten Darstellungen, welche sich im Atrium vom Hause des tragischen Dichters
fanden (Hochzeit des Zeus und der Hera, Geleitung des Chryseis/Mntlassung
der Briseis), in den engen Räumen des Porticus nothwendig gedrückt er¬
scheinen. Kleinere Compositionen von weniger großartigem Charakter fügen
sich ungleich harmonischer den Bedingungen der gegebenen Räume. Die helle¬
nistische Kunst hatte eine reiche Fülle auch solcher Compositionen hervorge¬
bracht. Während die erste Epoche der Entwickelung nach Alexander dem
Großen mit ihren gewaltigen Erschütterungen auf politischem und socialem
Gebiete eine großartig pathetische Richtung der Kunst begünstigt hatte, trat
in der weiteren Entwickelung, als sich die hellenistischen Reiche consolidirt, eine
Periode der Abspannung ein. Der lang vermißte Friede war, abgesehen von
unbedeutenden Unterbrechungen, im Allgemeinen wiederum dauernd geworden
und hatte eine eifrige Pflege der materiellen Interessen und beträchtlichen
Wohlstand in den hellenistischen Städten verbreitet; die neue Regierungs¬
form, die absolute Monarchie, hatte zwar die politische Freiheit vernichtet,
gab aber der ohnehin der Ruhe bedürftigen Gesellschaft um so reichlichere
Muße, ihren vielseitigen Privatneigungen nachzugehen. So entwickelte sich


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[0302] punkt, daß sich Compositionen pathetischen Inhalts nicht zur Ausschmückung von Wohnzimmern eignen, erklärt hinreichend, warum gerade die gro߬ artigsten Schöpfungen der hellenistischen Malerei, deren Andenken uns die Schriftsteller bewahrt haben, in der Wandmalerei der Privathäuser keine Ver¬ wendung fanden. Schwerlich werden die pompeianischen Ausgrabungen jemals Reproductionen der ergreifenden Compositionen des Theon zu Tage fördern. Schwerlich haben wir dies zu hoffen von Compositionen, wie der des Antiphilos, welche den Untergang der Hippolytos darstellte, und ähnlichen großartigen Schöpfungen pathetischen Inhalts, wie sie die erste Entwickelung des Hellenismus in beträchtlicher Anzahl hervorbrachte. Ebenso Zwenig werden wir annehmen dürfen, daß die bedeutenden und zahlreichen Compositionen, durch welche die hellenistische Kunst Alexander den Großen und die Diadochen verherrlichte, in ausgedehnter Weise in der griechisch-römischen Wandmalerei Eingang fanden, wiewohl es möglich ist, daß einige pomveianische Bilder, welche Nike und siegreiche Krieger darstellen, auf Motive aus derartigen Bildern zurückgehen. Unter allen Umständen war bei der Kleinheit der zur Ausmalung vorliegenden Räume die Darstellung umfang¬ reicherer Scenen mit Gestalten in größerem Maßstabe und monumenta¬ len Charakters entschieden mißlich. Das große Gemälde in der (üasg, ü' ^üomÄs tsrito, welches den verwundeten Adonis darstellt, kommt hierbei nicht in Betracht, da für dasselbe der Raum einer ganzen Wand ausgespart und es als Wandbild im eigentlichsten Sinne des Worts, nicht als Tafel¬ bild behandelt ist. Dagegen mußten die großartigen als Tafelbilder behan¬ delten Darstellungen, welche sich im Atrium vom Hause des tragischen Dichters fanden (Hochzeit des Zeus und der Hera, Geleitung des Chryseis/Mntlassung der Briseis), in den engen Räumen des Porticus nothwendig gedrückt er¬ scheinen. Kleinere Compositionen von weniger großartigem Charakter fügen sich ungleich harmonischer den Bedingungen der gegebenen Räume. Die helle¬ nistische Kunst hatte eine reiche Fülle auch solcher Compositionen hervorge¬ bracht. Während die erste Epoche der Entwickelung nach Alexander dem Großen mit ihren gewaltigen Erschütterungen auf politischem und socialem Gebiete eine großartig pathetische Richtung der Kunst begünstigt hatte, trat in der weiteren Entwickelung, als sich die hellenistischen Reiche consolidirt, eine Periode der Abspannung ein. Der lang vermißte Friede war, abgesehen von unbedeutenden Unterbrechungen, im Allgemeinen wiederum dauernd geworden und hatte eine eifrige Pflege der materiellen Interessen und beträchtlichen Wohlstand in den hellenistischen Städten verbreitet; die neue Regierungs¬ form, die absolute Monarchie, hatte zwar die politische Freiheit vernichtet, gab aber der ohnehin der Ruhe bedürftigen Gesellschaft um so reichlichere Muße, ihren vielseitigen Privatneigungen nachzugehen. So entwickelte sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/302>, abgerufen am 01.09.2024.