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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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würfen erfahre; es sei geradezu so. als bedürfe man für alle Unternehmungen
der Zustimmung Friedrichs. "Wenn es in der Macht des letzteren stünde",
schreibt Joseph im Januar 1786, "die Hölle gegen mich und meine Freunde
herbeizurufen, so thäte er es gewiß, ohne an alle die Folgen eines solchen
Beginnens zu denken." Friedrich wolle, sagt Joseph weiter, den sogenannten
Fürstenbund bis nach Constantinopel hin ausdehnen. -- Katharina sucht den
Kaiser wegen des Mißlingens der Annexion Baierns zu trösten: man müsse
solche Dinge mit Gleichmuth tragen und solchen Gegnern gegenüber ruhig
scheinen.

In ähnlicher Weise führte auch der Scheldestreit zu keinem Ziele. Indem
Joseph die freie Schifffahrt auf der Scheide für die belgischen Schiffe ver¬
langte, stützte er sich auf die neuen von Katharina vertretenen Grundsätze
des Seerechts. In seinem Schreiben vom 7. October 1784 theilte Joseph
der Kaiserin mit, er sei bereit, es auf einen Conflict ankommen zu lassen;
Antwerpen sei eine Seestadt, da die Fluth bis zur Stadt reiche; werde man
auf seine Schiffe schießen, so werde auch er schießen, übrigens würde es dann
doch eine mehr heitere als ernste Episode abgeben. Mit der größten Bereit¬
willigkeit entsprach Katharina dem Wunsche des Kaisers durch ihren Gesandten
in Haag die Forderungen Joseph's zu unterstützen. Auch hier glaubte man
auf die Ränke Friedrich II. zu stoßen. Ueber den ganzen Conflict, die Ver¬
mittelung Frankreichs, die Verhandlungen, welche zu dem Vertrage von Fon-
tainebleau führten, finden sich manche Einzelnheiten in dem Briefwechsel.
Schließlich zeigte sich Joseph recht zufrieden mit den Geldoortheilen, welche
er bei dieser Gelegenheit erlangte, dankte wiederholt der Kaiserin für die
Thätigkeit des russischen Gesandten und pries die Macht und den Einfluß
der Kaiserin in allen europäischen Angelegenheiten.

Mit inniger Theilnahme folgte Katharina den Ereignissen des Aufstandes
in den Niederlanden. Die Nachricht von dem Ausbruche der Unruhen
empfing der Kaiser in der Krim und beeilte seine Heimreise. Von großer
Aufregung zeugen die von Herrn von Arneth S. 294 und 295 mitgetheilten
Briefe des Kaisers an den Fürsten Kaunitz. Aus seinen Briefen an Katha¬
rina geht hervor, daß letztere ihm während der Reise Mäßigung in dem
Verhalten gegen die Niederländer gerathen hatte.*) Auf die Nachricht, daß
der Aufstand beigelegt sei, antwortete Katharina, welche die Verhältnisse
richtiger beurtheilte als der Kaiser, sie könne, ohne zu wissen warum, nicht
an eine völlige Beilegung dieser Unruhen glauben. Sie hatte Recht. Gerade
die letzten Tage des Kaisers wurden getrübt durch das neue Ausbrechen



-) "it'aursäs avons librs oours mon resseutimeot, si Iss tous Conseils 6s V. N, 5.
s,u suM 6s la mo6srs,tioii, hohe laguslls it ks,IIs,it agir en vsrsillss oooasiölls, Q'se"me
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würfen erfahre; es sei geradezu so. als bedürfe man für alle Unternehmungen
der Zustimmung Friedrichs. „Wenn es in der Macht des letzteren stünde",
schreibt Joseph im Januar 1786, „die Hölle gegen mich und meine Freunde
herbeizurufen, so thäte er es gewiß, ohne an alle die Folgen eines solchen
Beginnens zu denken." Friedrich wolle, sagt Joseph weiter, den sogenannten
Fürstenbund bis nach Constantinopel hin ausdehnen. — Katharina sucht den
Kaiser wegen des Mißlingens der Annexion Baierns zu trösten: man müsse
solche Dinge mit Gleichmuth tragen und solchen Gegnern gegenüber ruhig
scheinen.

In ähnlicher Weise führte auch der Scheldestreit zu keinem Ziele. Indem
Joseph die freie Schifffahrt auf der Scheide für die belgischen Schiffe ver¬
langte, stützte er sich auf die neuen von Katharina vertretenen Grundsätze
des Seerechts. In seinem Schreiben vom 7. October 1784 theilte Joseph
der Kaiserin mit, er sei bereit, es auf einen Conflict ankommen zu lassen;
Antwerpen sei eine Seestadt, da die Fluth bis zur Stadt reiche; werde man
auf seine Schiffe schießen, so werde auch er schießen, übrigens würde es dann
doch eine mehr heitere als ernste Episode abgeben. Mit der größten Bereit¬
willigkeit entsprach Katharina dem Wunsche des Kaisers durch ihren Gesandten
in Haag die Forderungen Joseph's zu unterstützen. Auch hier glaubte man
auf die Ränke Friedrich II. zu stoßen. Ueber den ganzen Conflict, die Ver¬
mittelung Frankreichs, die Verhandlungen, welche zu dem Vertrage von Fon-
tainebleau führten, finden sich manche Einzelnheiten in dem Briefwechsel.
Schließlich zeigte sich Joseph recht zufrieden mit den Geldoortheilen, welche
er bei dieser Gelegenheit erlangte, dankte wiederholt der Kaiserin für die
Thätigkeit des russischen Gesandten und pries die Macht und den Einfluß
der Kaiserin in allen europäischen Angelegenheiten.

Mit inniger Theilnahme folgte Katharina den Ereignissen des Aufstandes
in den Niederlanden. Die Nachricht von dem Ausbruche der Unruhen
empfing der Kaiser in der Krim und beeilte seine Heimreise. Von großer
Aufregung zeugen die von Herrn von Arneth S. 294 und 295 mitgetheilten
Briefe des Kaisers an den Fürsten Kaunitz. Aus seinen Briefen an Katha¬
rina geht hervor, daß letztere ihm während der Reise Mäßigung in dem
Verhalten gegen die Niederländer gerathen hatte.*) Auf die Nachricht, daß
der Aufstand beigelegt sei, antwortete Katharina, welche die Verhältnisse
richtiger beurtheilte als der Kaiser, sie könne, ohne zu wissen warum, nicht
an eine völlige Beilegung dieser Unruhen glauben. Sie hatte Recht. Gerade
die letzten Tage des Kaisers wurden getrübt durch das neue Ausbrechen



-) „it'aursäs avons librs oours mon resseutimeot, si Iss tous Conseils 6s V. N, 5.
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[0257] würfen erfahre; es sei geradezu so. als bedürfe man für alle Unternehmungen der Zustimmung Friedrichs. „Wenn es in der Macht des letzteren stünde", schreibt Joseph im Januar 1786, „die Hölle gegen mich und meine Freunde herbeizurufen, so thäte er es gewiß, ohne an alle die Folgen eines solchen Beginnens zu denken." Friedrich wolle, sagt Joseph weiter, den sogenannten Fürstenbund bis nach Constantinopel hin ausdehnen. — Katharina sucht den Kaiser wegen des Mißlingens der Annexion Baierns zu trösten: man müsse solche Dinge mit Gleichmuth tragen und solchen Gegnern gegenüber ruhig scheinen. In ähnlicher Weise führte auch der Scheldestreit zu keinem Ziele. Indem Joseph die freie Schifffahrt auf der Scheide für die belgischen Schiffe ver¬ langte, stützte er sich auf die neuen von Katharina vertretenen Grundsätze des Seerechts. In seinem Schreiben vom 7. October 1784 theilte Joseph der Kaiserin mit, er sei bereit, es auf einen Conflict ankommen zu lassen; Antwerpen sei eine Seestadt, da die Fluth bis zur Stadt reiche; werde man auf seine Schiffe schießen, so werde auch er schießen, übrigens würde es dann doch eine mehr heitere als ernste Episode abgeben. Mit der größten Bereit¬ willigkeit entsprach Katharina dem Wunsche des Kaisers durch ihren Gesandten in Haag die Forderungen Joseph's zu unterstützen. Auch hier glaubte man auf die Ränke Friedrich II. zu stoßen. Ueber den ganzen Conflict, die Ver¬ mittelung Frankreichs, die Verhandlungen, welche zu dem Vertrage von Fon- tainebleau führten, finden sich manche Einzelnheiten in dem Briefwechsel. Schließlich zeigte sich Joseph recht zufrieden mit den Geldoortheilen, welche er bei dieser Gelegenheit erlangte, dankte wiederholt der Kaiserin für die Thätigkeit des russischen Gesandten und pries die Macht und den Einfluß der Kaiserin in allen europäischen Angelegenheiten. Mit inniger Theilnahme folgte Katharina den Ereignissen des Aufstandes in den Niederlanden. Die Nachricht von dem Ausbruche der Unruhen empfing der Kaiser in der Krim und beeilte seine Heimreise. Von großer Aufregung zeugen die von Herrn von Arneth S. 294 und 295 mitgetheilten Briefe des Kaisers an den Fürsten Kaunitz. Aus seinen Briefen an Katha¬ rina geht hervor, daß letztere ihm während der Reise Mäßigung in dem Verhalten gegen die Niederländer gerathen hatte.*) Auf die Nachricht, daß der Aufstand beigelegt sei, antwortete Katharina, welche die Verhältnisse richtiger beurtheilte als der Kaiser, sie könne, ohne zu wissen warum, nicht an eine völlige Beilegung dieser Unruhen glauben. Sie hatte Recht. Gerade die letzten Tage des Kaisers wurden getrübt durch das neue Ausbrechen -) „it'aursäs avons librs oours mon resseutimeot, si Iss tous Conseils 6s V. N, 5. s,u suM 6s la mo6srs,tioii, hohe laguslls it ks,IIs,it agir en vsrsillss oooasiölls, Q'se»me xrokov6erasllt ßrkve? 6sus nor, s>me." 32*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/257>, abgerufen am 01.09.2024.