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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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über der mittelalterlichen Kirche. -- Schon im Interesse der griechisch-katho¬
lischen Unterthanen Joseph's II. muntert ihn die Kaiserin zu immer größe¬
rer Duldsamkeit auf. Sie erinnert ihn an seinen Ausspruch, er sei der Vater
seiner Unterthanen, unter welchen wohl Stiefkinder nicht darum sein werden,
weil sie einen andern Weg nach der Ewigkeit nehmen. Sie lacht darüber,
daß sie ercommunicirt sei, dabei aber doch mit dem Papst sehr höfliche Briefe
wechsele, und daß sie in ihren Briefen an Pius demselben Toleranz predige.

Im Februar 1782 theilt Joseph der Kaiserin mit, der Papst wolle nach
Wien kommen, "vermuthlich, um in der Geschichte eine Berühmtheit zu er¬
langen, die auf anderem Wege ihm nicht zu Theil werden könne/' Katha¬
rina antwortet, der Papst werde in Wien wohl nicht so sehr die Interessen
der Christenheit als die Vortheile seiner Pfründe vertreten. Sie hofft, er
werde nicht lange in Wien bleiben, und bemerkt, sie beneide Joseph keines-
weges um die Ehre dem Papste so nahe zu sein; nur mit einiger Unruhe
denke sie an den Aufenthalt des Papstes in Wien; für Nichtkatholiken sei
ein italienischer Priester stets ein Gegenstand der Besorgniß oder des Vor¬
urtheils; sie meint, wenn sie in Wien wäre, würde sie mit ihren Toleranz¬
predigten Seiner Heiligkeit so beschwerlich fallen, daß er bald nach Hause reisen
sollte; die Verantwortung dafür werde sie gerne übernehmen, da sie sich
trotz aller Cxcommunication des Papstes sehr wohl befinde. Etwas später
schreibt sie, sie wünsche den Kaiser von dieser Last bald befreit zu sehen, ein
solcher Priester sei "ein unbequemes Möbel." Merkwürdig ist ferner ihre
Aeußerung, sie hätte nichts dagegen den Kaiser an den Thoren des Kapitols
d. h. im Besitze Roms zu sehen.*)

Joseph erzählt in seinem Schreiben vom 1. Juni 1782 recht ausführlich,
wie er den Papst persönlich rücksichtsvoll behandelt habe ohne ihm Zugeständ¬
nisse zu machen. Im Uebrigen sei es recht langweilig gewesen mit Pius
täglich stundenlang über Theologie zu reden ohne zu gegenseitigem Verständ¬
niß zu gelangen.

In dieselbe Zeit fällt die letzte Periode des englisch-französWen Krieges.
Joseph und Katharina spotten vielfach über die Langsamkeit der beiderseitigen
militärischen Operationen, folgen mit einiger Spannung den Ereignissen bei
der Belagerung Gibraltars und wünschen dringend als Friedensvermittler
zwischen den streitenden Mächten aufzutreten. Bei dieser Gelegenheit über¬
häuft Joseph die Kaiserin mit Lobsprüchen wegen der bewaffneten Neutra¬
lität, durch welche eine neue Phase des Seerechts eingeleitet sei. Hätte die
Kaiserin, meint Joseph, diesen Krieg zu führen, so würde er schon lange be-
endet sein. Der plötzliche Abschluß des Friedens, die Verzichtleistung Eng-



") Arneth S. 23, 36--38. 123--127. "on I's, ve-s,u airs, im xrLtre eomms oellli-is, sse
un meublö illoowmockö."
Grenzboten it° 2370. 32

über der mittelalterlichen Kirche. — Schon im Interesse der griechisch-katho¬
lischen Unterthanen Joseph's II. muntert ihn die Kaiserin zu immer größe¬
rer Duldsamkeit auf. Sie erinnert ihn an seinen Ausspruch, er sei der Vater
seiner Unterthanen, unter welchen wohl Stiefkinder nicht darum sein werden,
weil sie einen andern Weg nach der Ewigkeit nehmen. Sie lacht darüber,
daß sie ercommunicirt sei, dabei aber doch mit dem Papst sehr höfliche Briefe
wechsele, und daß sie in ihren Briefen an Pius demselben Toleranz predige.

Im Februar 1782 theilt Joseph der Kaiserin mit, der Papst wolle nach
Wien kommen, „vermuthlich, um in der Geschichte eine Berühmtheit zu er¬
langen, die auf anderem Wege ihm nicht zu Theil werden könne/' Katha¬
rina antwortet, der Papst werde in Wien wohl nicht so sehr die Interessen
der Christenheit als die Vortheile seiner Pfründe vertreten. Sie hofft, er
werde nicht lange in Wien bleiben, und bemerkt, sie beneide Joseph keines-
weges um die Ehre dem Papste so nahe zu sein; nur mit einiger Unruhe
denke sie an den Aufenthalt des Papstes in Wien; für Nichtkatholiken sei
ein italienischer Priester stets ein Gegenstand der Besorgniß oder des Vor¬
urtheils; sie meint, wenn sie in Wien wäre, würde sie mit ihren Toleranz¬
predigten Seiner Heiligkeit so beschwerlich fallen, daß er bald nach Hause reisen
sollte; die Verantwortung dafür werde sie gerne übernehmen, da sie sich
trotz aller Cxcommunication des Papstes sehr wohl befinde. Etwas später
schreibt sie, sie wünsche den Kaiser von dieser Last bald befreit zu sehen, ein
solcher Priester sei „ein unbequemes Möbel." Merkwürdig ist ferner ihre
Aeußerung, sie hätte nichts dagegen den Kaiser an den Thoren des Kapitols
d. h. im Besitze Roms zu sehen.*)

Joseph erzählt in seinem Schreiben vom 1. Juni 1782 recht ausführlich,
wie er den Papst persönlich rücksichtsvoll behandelt habe ohne ihm Zugeständ¬
nisse zu machen. Im Uebrigen sei es recht langweilig gewesen mit Pius
täglich stundenlang über Theologie zu reden ohne zu gegenseitigem Verständ¬
niß zu gelangen.

In dieselbe Zeit fällt die letzte Periode des englisch-französWen Krieges.
Joseph und Katharina spotten vielfach über die Langsamkeit der beiderseitigen
militärischen Operationen, folgen mit einiger Spannung den Ereignissen bei
der Belagerung Gibraltars und wünschen dringend als Friedensvermittler
zwischen den streitenden Mächten aufzutreten. Bei dieser Gelegenheit über¬
häuft Joseph die Kaiserin mit Lobsprüchen wegen der bewaffneten Neutra¬
lität, durch welche eine neue Phase des Seerechts eingeleitet sei. Hätte die
Kaiserin, meint Joseph, diesen Krieg zu führen, so würde er schon lange be-
endet sein. Der plötzliche Abschluß des Friedens, die Verzichtleistung Eng-



") Arneth S. 23, 36—38. 123—127. „on I's, ve-s,u airs, im xrLtre eomms oellli-is, sse
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[0255] über der mittelalterlichen Kirche. — Schon im Interesse der griechisch-katho¬ lischen Unterthanen Joseph's II. muntert ihn die Kaiserin zu immer größe¬ rer Duldsamkeit auf. Sie erinnert ihn an seinen Ausspruch, er sei der Vater seiner Unterthanen, unter welchen wohl Stiefkinder nicht darum sein werden, weil sie einen andern Weg nach der Ewigkeit nehmen. Sie lacht darüber, daß sie ercommunicirt sei, dabei aber doch mit dem Papst sehr höfliche Briefe wechsele, und daß sie in ihren Briefen an Pius demselben Toleranz predige. Im Februar 1782 theilt Joseph der Kaiserin mit, der Papst wolle nach Wien kommen, „vermuthlich, um in der Geschichte eine Berühmtheit zu er¬ langen, die auf anderem Wege ihm nicht zu Theil werden könne/' Katha¬ rina antwortet, der Papst werde in Wien wohl nicht so sehr die Interessen der Christenheit als die Vortheile seiner Pfründe vertreten. Sie hofft, er werde nicht lange in Wien bleiben, und bemerkt, sie beneide Joseph keines- weges um die Ehre dem Papste so nahe zu sein; nur mit einiger Unruhe denke sie an den Aufenthalt des Papstes in Wien; für Nichtkatholiken sei ein italienischer Priester stets ein Gegenstand der Besorgniß oder des Vor¬ urtheils; sie meint, wenn sie in Wien wäre, würde sie mit ihren Toleranz¬ predigten Seiner Heiligkeit so beschwerlich fallen, daß er bald nach Hause reisen sollte; die Verantwortung dafür werde sie gerne übernehmen, da sie sich trotz aller Cxcommunication des Papstes sehr wohl befinde. Etwas später schreibt sie, sie wünsche den Kaiser von dieser Last bald befreit zu sehen, ein solcher Priester sei „ein unbequemes Möbel." Merkwürdig ist ferner ihre Aeußerung, sie hätte nichts dagegen den Kaiser an den Thoren des Kapitols d. h. im Besitze Roms zu sehen.*) Joseph erzählt in seinem Schreiben vom 1. Juni 1782 recht ausführlich, wie er den Papst persönlich rücksichtsvoll behandelt habe ohne ihm Zugeständ¬ nisse zu machen. Im Uebrigen sei es recht langweilig gewesen mit Pius täglich stundenlang über Theologie zu reden ohne zu gegenseitigem Verständ¬ niß zu gelangen. In dieselbe Zeit fällt die letzte Periode des englisch-französWen Krieges. Joseph und Katharina spotten vielfach über die Langsamkeit der beiderseitigen militärischen Operationen, folgen mit einiger Spannung den Ereignissen bei der Belagerung Gibraltars und wünschen dringend als Friedensvermittler zwischen den streitenden Mächten aufzutreten. Bei dieser Gelegenheit über¬ häuft Joseph die Kaiserin mit Lobsprüchen wegen der bewaffneten Neutra¬ lität, durch welche eine neue Phase des Seerechts eingeleitet sei. Hätte die Kaiserin, meint Joseph, diesen Krieg zu führen, so würde er schon lange be- endet sein. Der plötzliche Abschluß des Friedens, die Verzichtleistung Eng- ") Arneth S. 23, 36—38. 123—127. „on I's, ve-s,u airs, im xrLtre eomms oellli-is, sse un meublö illoowmockö." Grenzboten it° 2370. 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/255>, abgerufen am 01.09.2024.