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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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spruchs. welcher auf den Verlust gewisser Rechte gerichtet ist, deren Ausübung
durch eine ehrenhafte Gesinnung bedingt gedacht wird. Die Möglichkeit einer
von der öffentlichen Stimme abweichenden Beurtheilung durch den Richter
ist auch hier vorhanden. Aber wirkungslos ist das Erkenntniß keinesfalls,
und es könnte gesagt werden, daß es unerläßlich sei, selbst wenn der Richter-
spruch in vereinzelten Fällen sich von der, im Punkte der Ehre untrüg¬
licheren vnx xoxnli entferne, dennoch Menschen von ehrloser Gesinnung vom
Genusse solcher Rechte auszuschließen, welche ihnen ohne Schädigung des Ge¬
meinwohls nicht anvertraut werden können.

Der Verlust der Ehrenrechte ist keine Strafe im eigentlichen Sinne. Denn
man mag über den Strafzweck denken, wie man will, man mag in der
Strafe die Vergeltung des Unrechts, oder die Sühne desselben, oder ein Ab¬
schreckungsmittel sehen, in jedem Falle bleibt sie ein vom Gesetze für die Be¬
gehung gewisser Handlungen angedrohtes Uebel. Der Verlust der Ehren¬
rechte knüpft sich aber nicht an die Handlung des Verbrechers, sondern an
seine Gesinnung, und hat zu seiner Voraussetzung die Annahme einer Fort¬
dauer der durch die Handlung bekundeten ehrlosen Gesinnung in der Zu¬
kunft. Es ist ein Unding, eine Strafe auszusprechen für die zukünftige Ge¬
sinnung des Verbrechers. Nicht minder widerspricht es dem Charakter der
Strafe, daß der Verlust der Ehrenrechte als eine mit der bewiesenen Un-
Würdigkeit in ursächlichen Zusammenhange stehende Folgerung aus derselben
auftritt., Die Strafe wird verhängt auf Grund des Gesetzes und nur kraft
desselben. Erst dadurch, daß eine That vom Gesetze mit Strafe bedroht
wird, wird sie eine strafbare Handlung. Die Geldbuße, die der Thäter er¬
legt, die Freiheitsstrafe, die er erduldet, steht in keinerlei logischer Beziehung
zu seiner That, der Zusammenhang zwischen dieser als Ursache und jener als
Wirkung wird erst durch das Gesetz künstlich geschaffen. Anders ist es mit
dem Verluste der Ehrenrechte. Zwar muß, um darauf erkennen zu können,
gleichfalls ein Gesetz vorhanden sein. Aber der Unterschied besteht darin, daß
hier der Gesetzgeber den ursächlichen Zusammenhang nicht erst schafft, sondern
nur ausspricht. Die Unfähigkeit des Verbrechers zur Ausübung der Politik
schen Rechte liegt vor, mit und ohne das Gesetz. Es mangeln ihm die noth¬
wendigen Bedingungen desselben. Dies ist der Sinn und Grund des Ge¬
setzes, und von einer Strafe kann hierbei ebensowenig die Rede sein, wie
etwa die Zurückweisung der Bewerbung um ein Amt wegen Mangels der
nöthigen Kenntnisse oder anderer Erfordernisse sich als eine Strafe dieses
Mangels auffassen läßt.

Es ist nicht zu bestreiten, daß das Gemeinwohl dabei gewinnen würde,
wenn die ehrlose Gesinnung von den öffentlichen Aemtern, von der Ge¬
schworenenbank und von dem Vertrauensamt eines Vormundes ausgeschlossen


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spruchs. welcher auf den Verlust gewisser Rechte gerichtet ist, deren Ausübung
durch eine ehrenhafte Gesinnung bedingt gedacht wird. Die Möglichkeit einer
von der öffentlichen Stimme abweichenden Beurtheilung durch den Richter
ist auch hier vorhanden. Aber wirkungslos ist das Erkenntniß keinesfalls,
und es könnte gesagt werden, daß es unerläßlich sei, selbst wenn der Richter-
spruch in vereinzelten Fällen sich von der, im Punkte der Ehre untrüg¬
licheren vnx xoxnli entferne, dennoch Menschen von ehrloser Gesinnung vom
Genusse solcher Rechte auszuschließen, welche ihnen ohne Schädigung des Ge¬
meinwohls nicht anvertraut werden können.

Der Verlust der Ehrenrechte ist keine Strafe im eigentlichen Sinne. Denn
man mag über den Strafzweck denken, wie man will, man mag in der
Strafe die Vergeltung des Unrechts, oder die Sühne desselben, oder ein Ab¬
schreckungsmittel sehen, in jedem Falle bleibt sie ein vom Gesetze für die Be¬
gehung gewisser Handlungen angedrohtes Uebel. Der Verlust der Ehren¬
rechte knüpft sich aber nicht an die Handlung des Verbrechers, sondern an
seine Gesinnung, und hat zu seiner Voraussetzung die Annahme einer Fort¬
dauer der durch die Handlung bekundeten ehrlosen Gesinnung in der Zu¬
kunft. Es ist ein Unding, eine Strafe auszusprechen für die zukünftige Ge¬
sinnung des Verbrechers. Nicht minder widerspricht es dem Charakter der
Strafe, daß der Verlust der Ehrenrechte als eine mit der bewiesenen Un-
Würdigkeit in ursächlichen Zusammenhange stehende Folgerung aus derselben
auftritt., Die Strafe wird verhängt auf Grund des Gesetzes und nur kraft
desselben. Erst dadurch, daß eine That vom Gesetze mit Strafe bedroht
wird, wird sie eine strafbare Handlung. Die Geldbuße, die der Thäter er¬
legt, die Freiheitsstrafe, die er erduldet, steht in keinerlei logischer Beziehung
zu seiner That, der Zusammenhang zwischen dieser als Ursache und jener als
Wirkung wird erst durch das Gesetz künstlich geschaffen. Anders ist es mit
dem Verluste der Ehrenrechte. Zwar muß, um darauf erkennen zu können,
gleichfalls ein Gesetz vorhanden sein. Aber der Unterschied besteht darin, daß
hier der Gesetzgeber den ursächlichen Zusammenhang nicht erst schafft, sondern
nur ausspricht. Die Unfähigkeit des Verbrechers zur Ausübung der Politik
schen Rechte liegt vor, mit und ohne das Gesetz. Es mangeln ihm die noth¬
wendigen Bedingungen desselben. Dies ist der Sinn und Grund des Ge¬
setzes, und von einer Strafe kann hierbei ebensowenig die Rede sein, wie
etwa die Zurückweisung der Bewerbung um ein Amt wegen Mangels der
nöthigen Kenntnisse oder anderer Erfordernisse sich als eine Strafe dieses
Mangels auffassen läßt.

Es ist nicht zu bestreiten, daß das Gemeinwohl dabei gewinnen würde,
wenn die ehrlose Gesinnung von den öffentlichen Aemtern, von der Ge¬
schworenenbank und von dem Vertrauensamt eines Vormundes ausgeschlossen


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[0233] spruchs. welcher auf den Verlust gewisser Rechte gerichtet ist, deren Ausübung durch eine ehrenhafte Gesinnung bedingt gedacht wird. Die Möglichkeit einer von der öffentlichen Stimme abweichenden Beurtheilung durch den Richter ist auch hier vorhanden. Aber wirkungslos ist das Erkenntniß keinesfalls, und es könnte gesagt werden, daß es unerläßlich sei, selbst wenn der Richter- spruch in vereinzelten Fällen sich von der, im Punkte der Ehre untrüg¬ licheren vnx xoxnli entferne, dennoch Menschen von ehrloser Gesinnung vom Genusse solcher Rechte auszuschließen, welche ihnen ohne Schädigung des Ge¬ meinwohls nicht anvertraut werden können. Der Verlust der Ehrenrechte ist keine Strafe im eigentlichen Sinne. Denn man mag über den Strafzweck denken, wie man will, man mag in der Strafe die Vergeltung des Unrechts, oder die Sühne desselben, oder ein Ab¬ schreckungsmittel sehen, in jedem Falle bleibt sie ein vom Gesetze für die Be¬ gehung gewisser Handlungen angedrohtes Uebel. Der Verlust der Ehren¬ rechte knüpft sich aber nicht an die Handlung des Verbrechers, sondern an seine Gesinnung, und hat zu seiner Voraussetzung die Annahme einer Fort¬ dauer der durch die Handlung bekundeten ehrlosen Gesinnung in der Zu¬ kunft. Es ist ein Unding, eine Strafe auszusprechen für die zukünftige Ge¬ sinnung des Verbrechers. Nicht minder widerspricht es dem Charakter der Strafe, daß der Verlust der Ehrenrechte als eine mit der bewiesenen Un- Würdigkeit in ursächlichen Zusammenhange stehende Folgerung aus derselben auftritt., Die Strafe wird verhängt auf Grund des Gesetzes und nur kraft desselben. Erst dadurch, daß eine That vom Gesetze mit Strafe bedroht wird, wird sie eine strafbare Handlung. Die Geldbuße, die der Thäter er¬ legt, die Freiheitsstrafe, die er erduldet, steht in keinerlei logischer Beziehung zu seiner That, der Zusammenhang zwischen dieser als Ursache und jener als Wirkung wird erst durch das Gesetz künstlich geschaffen. Anders ist es mit dem Verluste der Ehrenrechte. Zwar muß, um darauf erkennen zu können, gleichfalls ein Gesetz vorhanden sein. Aber der Unterschied besteht darin, daß hier der Gesetzgeber den ursächlichen Zusammenhang nicht erst schafft, sondern nur ausspricht. Die Unfähigkeit des Verbrechers zur Ausübung der Politik schen Rechte liegt vor, mit und ohne das Gesetz. Es mangeln ihm die noth¬ wendigen Bedingungen desselben. Dies ist der Sinn und Grund des Ge¬ setzes, und von einer Strafe kann hierbei ebensowenig die Rede sein, wie etwa die Zurückweisung der Bewerbung um ein Amt wegen Mangels der nöthigen Kenntnisse oder anderer Erfordernisse sich als eine Strafe dieses Mangels auffassen läßt. Es ist nicht zu bestreiten, daß das Gemeinwohl dabei gewinnen würde, wenn die ehrlose Gesinnung von den öffentlichen Aemtern, von der Ge¬ schworenenbank und von dem Vertrauensamt eines Vormundes ausgeschlossen 29*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/233>, abgerufen am 27.07.2024.