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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Noch ein Mal die Verfassung des Mrstenthums Natzeliurg.

Das Land Ratzeburg ist ein altes säcularisirtes Bischofsland, welches
nach der Bestimmung des westphälischen Friedens zur Entschädigung für
die an Schweden abgetretene Stadt und Herrschaft Wismar, unter mecklen¬
burgische Herrschaft kam und bei Begründung der mecklenburg-strelitzer Linie
durch den Hamburger Vergleich (8. März 1701) an diese überging. Außer
dem Fürstenthum Ratzeburg, welches den Herzogen von Mecklenburg-Strelitz
die Reichs- und Kreisstandschast zubrachte, erhielten dieselben die zum Herzog-
thum Mecklenburg-Güstrow gehörige Herrschaft Stargard, -- welche in ihren
Beziehungen zum deutschen Reich und zum niedersächsischen Kieise nach wie
vor als ein Theil des Herzogthums Güstrow behandelt und daher auf
Reichs- und Kreistagen von den Herzogen von Mecklenburg-Schwerin-Güstrow
mitvertreten wurde --, und dazu noch eine Rente von 9000 Speciesthalern
aus dem von Mecklenburg-Schwerin erhobenen Elbzoll. Durch dieses Alles
zusammengenommen sollte dem Haupte der neubegründeten Strelitzer Linie
ein Jahreseinkommen von 40,000 Thlr. gesichert werden.

Wie das Land räumlich von der Herrschaft Stargard getrennt war,
von Mecklenburg-Schwerinschem, Lauenburgischen und Lübecker Gebiet um¬
geben, so bewahrte es auch in allen übrigen Beziehungen den Charakter
eines in sich abgeschlossenen, mit Mecklenburg nur durch die Gemeinsamkeit
des Landesfürsten und der oberen Verwaltung verbundenen Staates. Auf
einem Raum von ungefähr 6V" Quadratmeilen enthält es eine Bevölkerung
von etwa 17.000 Seelen, deren Kern 400 Bauern ("Hauswirthe") bilden,
welche zwar zu gewissen Diensten und Abgaben verpflichtet sind, aber nie¬
mals in irgend einem Hörigkeits- oder Leibeigenschaftsverhällnisse zu dem
Grundherrn standen. Außerdem umfaßt das Land drei, erst in dem Zeit¬
raum von 1573 bis 1614 durch Veräußerung von Stiftseigenthum entstan¬
dene Rittergüter, eine kleine Stadt, Namens Schönberg, welche erst im
Jahre 1822 eine, in mancher Hinsicht beschränkte, Stadtverfassung erhielt, von
der Stadt Ratzeburg den auf dem sogenannten Palmberge daselbst belegenen
Dom nebst umliegenden Häusern, und 15 Pachthöfe. Eine Theilnahme an
der Gesetzgebung haben die Bewohner des Landes niemals geübt, was sich



") Obgleich die Ratzeburger Verfassung bereits in der vorigen Nummer d. Bl, eingehend
erörtert worden, hat die Redaction im Interesse der Sache und ihrer Leser zu handeln ge¬
glaubt in dem sie auch da", nachstehende Urtheils" des bewährten, vieljährigen Schweriner
Correspondenten der Grenzboten zum Abdruck brachte.

Noch ein Mal die Verfassung des Mrstenthums Natzeliurg.

Das Land Ratzeburg ist ein altes säcularisirtes Bischofsland, welches
nach der Bestimmung des westphälischen Friedens zur Entschädigung für
die an Schweden abgetretene Stadt und Herrschaft Wismar, unter mecklen¬
burgische Herrschaft kam und bei Begründung der mecklenburg-strelitzer Linie
durch den Hamburger Vergleich (8. März 1701) an diese überging. Außer
dem Fürstenthum Ratzeburg, welches den Herzogen von Mecklenburg-Strelitz
die Reichs- und Kreisstandschast zubrachte, erhielten dieselben die zum Herzog-
thum Mecklenburg-Güstrow gehörige Herrschaft Stargard, — welche in ihren
Beziehungen zum deutschen Reich und zum niedersächsischen Kieise nach wie
vor als ein Theil des Herzogthums Güstrow behandelt und daher auf
Reichs- und Kreistagen von den Herzogen von Mecklenburg-Schwerin-Güstrow
mitvertreten wurde —, und dazu noch eine Rente von 9000 Speciesthalern
aus dem von Mecklenburg-Schwerin erhobenen Elbzoll. Durch dieses Alles
zusammengenommen sollte dem Haupte der neubegründeten Strelitzer Linie
ein Jahreseinkommen von 40,000 Thlr. gesichert werden.

Wie das Land räumlich von der Herrschaft Stargard getrennt war,
von Mecklenburg-Schwerinschem, Lauenburgischen und Lübecker Gebiet um¬
geben, so bewahrte es auch in allen übrigen Beziehungen den Charakter
eines in sich abgeschlossenen, mit Mecklenburg nur durch die Gemeinsamkeit
des Landesfürsten und der oberen Verwaltung verbundenen Staates. Auf
einem Raum von ungefähr 6V» Quadratmeilen enthält es eine Bevölkerung
von etwa 17.000 Seelen, deren Kern 400 Bauern („Hauswirthe") bilden,
welche zwar zu gewissen Diensten und Abgaben verpflichtet sind, aber nie¬
mals in irgend einem Hörigkeits- oder Leibeigenschaftsverhällnisse zu dem
Grundherrn standen. Außerdem umfaßt das Land drei, erst in dem Zeit¬
raum von 1573 bis 1614 durch Veräußerung von Stiftseigenthum entstan¬
dene Rittergüter, eine kleine Stadt, Namens Schönberg, welche erst im
Jahre 1822 eine, in mancher Hinsicht beschränkte, Stadtverfassung erhielt, von
der Stadt Ratzeburg den auf dem sogenannten Palmberge daselbst belegenen
Dom nebst umliegenden Häusern, und 15 Pachthöfe. Eine Theilnahme an
der Gesetzgebung haben die Bewohner des Landes niemals geübt, was sich



") Obgleich die Ratzeburger Verfassung bereits in der vorigen Nummer d. Bl, eingehend
erörtert worden, hat die Redaction im Interesse der Sache und ihrer Leser zu handeln ge¬
glaubt in dem sie auch da«, nachstehende Urtheils" des bewährten, vieljährigen Schweriner
Correspondenten der Grenzboten zum Abdruck brachte.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/51>, abgerufen am 26.06.2024.