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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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schwarz. Wenn man das Bild betrachtet, fühlt man sich aufgefordert, das
"rechte Licht" und "eine gewisse Distanz" zu suchen, obwohl auch bei näherer
Besichtigung keine Unklarheit bemerkbar scheint. Wenn es Velasquez wirk¬
lich gemalt hat, dann ist es ein Unicum in seiner Art, eine seltsame Mischung
aus seinem und Munllo's Stil. -- Was die Ausstellung sonst noch unter
Velasquez Namen bietet, reizt näheres Eingehen nicht. Wir werfen nur noch
einen Blick auf die italienischen Bilder. Sind sie auch der Zahl und der
Bedeutung nach gering, so enthalten sie doch wenigstens zwei Stücke, welche
Aufmerksamkeit verdienen.

Hart, steif und ohne Reiz der Zeichnung, merkwürdig nur durch sein
Gemisch von Gold und Polychromie sieht uns die Krönung Maria's von
Paolo von Venedig an (Bes. Herr Maillinger in München). Charakteristisch
für die Altvenezianer ist bekanntlich das zähe Festhalten an uralten Hand-
wecksformen. Das Byzantinische stand bei ihnen als lebendige Tradition in
Ehren und sie begnügten sich länger als andere Schulen Italiens, die archaischen
Formen wiederzugeben ohne sie an der Natur zu corrigiren. Bis gegen Ende
des 15. Jahrhunderts kann man unter ihnen noch keinen Coloristen und keinen
Bruch mit den altheiliger Schulgesetzen nachweisen. Warum das so war,
dafür gibt die hier ausgestellte, mit der Jahreszahl 1358 versehene Tafel des
Magister Paulus von Venedig eine Erklärung mehr; denn es wird schwer
halten, im ganzen Trecento ein Bild von lindischerer Formbehandlung zu
finden. Solche Specimina besitzen freilich nicht die geringste ästhetische An¬
ziehungskraft, aber sie gehören zu den werthvollsten Urkunden, die dem Forscher
begegnen können. Die Signatur nennt als Verfertiger den Paulus und
seinen Sohn Johanninus. -- Zu ein Paar kleinen, ganz durch Uebermalung
ruinirten Bildern -- Auferstehung des Evangelisten Johannes und Heim¬
suchung -- muß Simone ti Martino den Namen hergeben. Sollte der
Eigenthümer (Herr Prof. Sepp in München) nicht wissen, daß das eine die Nach¬
bildung des Frescogemäldes von Giotto in einer Capelle zu S. Croce in
Florenz von weit modernerer Hand und das andere ein Schulstück gleichen
Schlages von einem Giottisten vierter Classe ist?

Dagegen hat Herr Widmann in München eine echte Arbeit von Sandro
Botticelli (Madonna mit dem Kinde und dem kleinen Johannes) bei¬
gesteuert, eines jener grauen fleckigen Hausaltarstücke, von denen bei Lebzeiten
des Meisters so viele Wiederholungen gemacht wurden, daß er sich durch
ihren Verkauf selber schadete. Eine zweite Madonna mit Kind unter Botti-
eelli's Namen (Bes. Graf Berchem) sieht kaum nach florentinischen Ursprung
aus, wie es denn handfest in Oel rewuchirt ist. Dem Sandro wird es
schwerlich nachzuweisen sein. -- Andrea del Sarto figurirt mit zwei Bildern:
einem dunkeln grauen Porträt (Bes. Dr. Trettenbacher in München), Schul-


schwarz. Wenn man das Bild betrachtet, fühlt man sich aufgefordert, das
„rechte Licht" und „eine gewisse Distanz" zu suchen, obwohl auch bei näherer
Besichtigung keine Unklarheit bemerkbar scheint. Wenn es Velasquez wirk¬
lich gemalt hat, dann ist es ein Unicum in seiner Art, eine seltsame Mischung
aus seinem und Munllo's Stil. — Was die Ausstellung sonst noch unter
Velasquez Namen bietet, reizt näheres Eingehen nicht. Wir werfen nur noch
einen Blick auf die italienischen Bilder. Sind sie auch der Zahl und der
Bedeutung nach gering, so enthalten sie doch wenigstens zwei Stücke, welche
Aufmerksamkeit verdienen.

Hart, steif und ohne Reiz der Zeichnung, merkwürdig nur durch sein
Gemisch von Gold und Polychromie sieht uns die Krönung Maria's von
Paolo von Venedig an (Bes. Herr Maillinger in München). Charakteristisch
für die Altvenezianer ist bekanntlich das zähe Festhalten an uralten Hand-
wecksformen. Das Byzantinische stand bei ihnen als lebendige Tradition in
Ehren und sie begnügten sich länger als andere Schulen Italiens, die archaischen
Formen wiederzugeben ohne sie an der Natur zu corrigiren. Bis gegen Ende
des 15. Jahrhunderts kann man unter ihnen noch keinen Coloristen und keinen
Bruch mit den altheiliger Schulgesetzen nachweisen. Warum das so war,
dafür gibt die hier ausgestellte, mit der Jahreszahl 1358 versehene Tafel des
Magister Paulus von Venedig eine Erklärung mehr; denn es wird schwer
halten, im ganzen Trecento ein Bild von lindischerer Formbehandlung zu
finden. Solche Specimina besitzen freilich nicht die geringste ästhetische An¬
ziehungskraft, aber sie gehören zu den werthvollsten Urkunden, die dem Forscher
begegnen können. Die Signatur nennt als Verfertiger den Paulus und
seinen Sohn Johanninus. — Zu ein Paar kleinen, ganz durch Uebermalung
ruinirten Bildern — Auferstehung des Evangelisten Johannes und Heim¬
suchung — muß Simone ti Martino den Namen hergeben. Sollte der
Eigenthümer (Herr Prof. Sepp in München) nicht wissen, daß das eine die Nach¬
bildung des Frescogemäldes von Giotto in einer Capelle zu S. Croce in
Florenz von weit modernerer Hand und das andere ein Schulstück gleichen
Schlages von einem Giottisten vierter Classe ist?

Dagegen hat Herr Widmann in München eine echte Arbeit von Sandro
Botticelli (Madonna mit dem Kinde und dem kleinen Johannes) bei¬
gesteuert, eines jener grauen fleckigen Hausaltarstücke, von denen bei Lebzeiten
des Meisters so viele Wiederholungen gemacht wurden, daß er sich durch
ihren Verkauf selber schadete. Eine zweite Madonna mit Kind unter Botti-
eelli's Namen (Bes. Graf Berchem) sieht kaum nach florentinischen Ursprung
aus, wie es denn handfest in Oel rewuchirt ist. Dem Sandro wird es
schwerlich nachzuweisen sein. — Andrea del Sarto figurirt mit zwei Bildern:
einem dunkeln grauen Porträt (Bes. Dr. Trettenbacher in München), Schul-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/71>, abgerufen am 15.01.2025.