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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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vergebene Mühe; wir müssen es auf sich beruhen lassen und geben jedem
Urtheilsfähigen anheim, sich seinerseits darüber zu entscheiden, ob er in den
hier aufgeführten Bildern die Hand zweier oder mehrerer Künstler an¬
nehmen will. --

Im Allgemeinen dürfen wir nach unserer Umschau sagen, daß wir ein
Dutzend Privatsammlungen in Europa kennen, die auf dem Gebiete hollän¬
discher Genre- und Landschaftskunst besser fournirt sind, als die diesjährige
Münchener Ausstellung. Capitalstücke von Teniers. Steen oder Adrian
von Ostade sind nicht vorhanden. Flüchtigen Interesses ist ein kleines Bild
des Letzteren, Bauern in der Kneipe (Bes. Graf Berchem in München),
und eine braune unsorgfältige Skizze von Steen, eine Gesellschaft Spieler
(Eigenthum des Herrn Ränder in München) werth. Das beste und wohl
auch das einzige echte Stück von Teniers jun. ist der Entwurf zu den "Amo¬
retten in einer Schmiede", wo die Feinheiten des Stilllebens mit großer
Schärfe gegeben und zwei muntere Kinderfiguren mit einem Linienschwung
und einer durchsichtigen Pinselführung hineingesetzt sind, deren sich Rubens
nicht zu schämen brauchte.

Unter den Landschaften ist nichts sehr Hervorragendes. Eine kleine
Vedute repräsentirt die flache harzige Malweise Van Goyen's, drei Canal-
und Weidenpartien mit Schiffen lassen Salomon Ruysdael's wolligen
Vortrag erkennen, ein Reiter en veäötts in einer Lichtung stehend ist das beste
unter den Jacob Ruysdael's. Zwei Sachen von Philip de Koningh.
ein Falkenbeizzug in bewaldeten Hügelland und ein Forst (bei Berchem
und Ränder in München) sind ebenso charakteristische Proben vom Fein¬
gefühl des Künstlers in der Wiedergabe des atmosphärischen Lebens, wie von
der Unsitte, alle seine Bilder durch aufgesetzte Flecken von schwefelgelb zu
entstellen. Von Hobbema haben wir in einer Waldlandschaft mit Figuren¬
staffage (bei Goulard in Frankfurt) wenigstens eine interessante Skizze, wenn
auch kein ausgeführtes Bild. Eine schwache Vorstellung von Wynants
Talent gibt die kleine melancholisch gestimmte Landschaft von 1666. Both
wird nur durch eine große bedeutende Abendlandschaft (bei Ränder) mit dünn¬
belaubten Bäumen vertreten; im Vordergrund sieht man Reiter, die einen
pfeifenden Schäfer nach dem Wege fragen. Unter die werthvollen Beiträge
dieser Gattung ist dann noch ein nächtliches Lichteffektstück Van der Neer'S zu
zählen, welches das Geschick des Meisters in der Darstellung weiter Flächen
überschwemmten Landes auf voller Höhe zeigt.

Aermlich ist es mit Viehstücken und Stillleben bestellt, wie sie durch die
Berghem. Ostade. Cuyp und Potter. durch Fyt. Huysum und Heem zur
höchsten Vollendung gebracht sind. Von Berghem sehen wir hier gar nichts,
von Cuyp nur Copien oder dermaßen entstellte Arbeiten, daß sie allen künst¬


vergebene Mühe; wir müssen es auf sich beruhen lassen und geben jedem
Urtheilsfähigen anheim, sich seinerseits darüber zu entscheiden, ob er in den
hier aufgeführten Bildern die Hand zweier oder mehrerer Künstler an¬
nehmen will. —

Im Allgemeinen dürfen wir nach unserer Umschau sagen, daß wir ein
Dutzend Privatsammlungen in Europa kennen, die auf dem Gebiete hollän¬
discher Genre- und Landschaftskunst besser fournirt sind, als die diesjährige
Münchener Ausstellung. Capitalstücke von Teniers. Steen oder Adrian
von Ostade sind nicht vorhanden. Flüchtigen Interesses ist ein kleines Bild
des Letzteren, Bauern in der Kneipe (Bes. Graf Berchem in München),
und eine braune unsorgfältige Skizze von Steen, eine Gesellschaft Spieler
(Eigenthum des Herrn Ränder in München) werth. Das beste und wohl
auch das einzige echte Stück von Teniers jun. ist der Entwurf zu den „Amo¬
retten in einer Schmiede", wo die Feinheiten des Stilllebens mit großer
Schärfe gegeben und zwei muntere Kinderfiguren mit einem Linienschwung
und einer durchsichtigen Pinselführung hineingesetzt sind, deren sich Rubens
nicht zu schämen brauchte.

Unter den Landschaften ist nichts sehr Hervorragendes. Eine kleine
Vedute repräsentirt die flache harzige Malweise Van Goyen's, drei Canal-
und Weidenpartien mit Schiffen lassen Salomon Ruysdael's wolligen
Vortrag erkennen, ein Reiter en veäötts in einer Lichtung stehend ist das beste
unter den Jacob Ruysdael's. Zwei Sachen von Philip de Koningh.
ein Falkenbeizzug in bewaldeten Hügelland und ein Forst (bei Berchem
und Ränder in München) sind ebenso charakteristische Proben vom Fein¬
gefühl des Künstlers in der Wiedergabe des atmosphärischen Lebens, wie von
der Unsitte, alle seine Bilder durch aufgesetzte Flecken von schwefelgelb zu
entstellen. Von Hobbema haben wir in einer Waldlandschaft mit Figuren¬
staffage (bei Goulard in Frankfurt) wenigstens eine interessante Skizze, wenn
auch kein ausgeführtes Bild. Eine schwache Vorstellung von Wynants
Talent gibt die kleine melancholisch gestimmte Landschaft von 1666. Both
wird nur durch eine große bedeutende Abendlandschaft (bei Ränder) mit dünn¬
belaubten Bäumen vertreten; im Vordergrund sieht man Reiter, die einen
pfeifenden Schäfer nach dem Wege fragen. Unter die werthvollen Beiträge
dieser Gattung ist dann noch ein nächtliches Lichteffektstück Van der Neer'S zu
zählen, welches das Geschick des Meisters in der Darstellung weiter Flächen
überschwemmten Landes auf voller Höhe zeigt.

Aermlich ist es mit Viehstücken und Stillleben bestellt, wie sie durch die
Berghem. Ostade. Cuyp und Potter. durch Fyt. Huysum und Heem zur
höchsten Vollendung gebracht sind. Von Berghem sehen wir hier gar nichts,
von Cuyp nur Copien oder dermaßen entstellte Arbeiten, daß sie allen künst¬


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/69>, abgerufen am 22.07.2024.