Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.das Unterliegen fürchten: mit welchem Rechte beanspruchen sie dann die Wer ernstlich wünscht mit den gegenwärtigen Zuständen Oestreichs ver¬ das Unterliegen fürchten: mit welchem Rechte beanspruchen sie dann die Wer ernstlich wünscht mit den gegenwärtigen Zuständen Oestreichs ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0504" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/122259"/> <p xml:id="ID_1421" prev="#ID_1420"> das Unterliegen fürchten: mit welchem Rechte beanspruchen sie dann die<lb/> Führerschaft?</p><lb/> <p xml:id="ID_1422" next="#ID_1423"> Wer ernstlich wünscht mit den gegenwärtigen Zuständen Oestreichs ver¬<lb/> traut zu werden, der darf das Buch Fischhofs nicht ignoriren. eines Mannes,<lb/> welcher mit größerem Rechte als hundert Andere den guten Namen, den er<lb/> sich 1848 gemacht und in der Zeit der Reaction unbefleckt erhalten hatte, dazu<lb/> benutzen konnte, um zu Amt und Würden zu kommen, es aber vorzog unab¬<lb/> hängig, keiner Regierung und keiner Partei dienstbar zu sein. Gestatten Sie<lb/> mir, zur Charakterisirung des Buches einige Stellen hier wiederzugeben. In<lb/> dem einleitenden Rückblicke auf die jüngste Vergangenheit Oestreichs (seit 1848)<lb/> heißt es: „Es verwirrte die Zustände überall, in Italien wie in Deutschland,<lb/> und am schlimmsten daheim im eigenen Hause. Es hinderte die Einigung<lb/> Italiens, indem es ihr entgegen-, und die Einigung Deutschlands, indem es<lb/> ihr beitrat. Es sendete Deputirte nach Frankfurt, Truppen nach Mailand;<lb/> es siegte da und dort, aber nur um zu siechen. Sein ganzes Staatswesen<lb/> war tief erkrankt; denn um unhaltbare Stellungen zu behaupten, zersplitterte<lb/> und erschöpfte es seine Kräfte, verlor es seinen Schwerpunkt im Innern, all'<lb/> seine Stützpunkte nach außen; und so ohne Halt schwankte es hin und her<lb/> und wäre taumelnd in den Abgrund gestürzt, hätte die Vorsehung ihm nicht<lb/> Solferino und Königgrätz beschieden. Wie es früher an seinen Siegen er¬<lb/> krankte, so gesundete es jetzt an seinen Niederlagen. Das Schicksal entriß<lb/> ihm gewaltsam, was es freiwillig hinzugeben nicht die Klugheit hatte." Als<lb/> die schwächlichste und darum gefährlichste Politik wird aber diejenige der<lb/> konstitutionellen Aera bezeichnet. „Sie bewilligt den Nationalitäten zu viel,<lb/> um sie niederzuhalten, zu wenig, um sie zu befriedigen. Ihr theilweises und<lb/> verdrossenes Zugestehen erweckt, als Ausfluß der Schlaffheit und des Uebel-<lb/> wollens, Prätensionen und Mißstimmung, während ein volles freudiges Ge¬<lb/> währen Sättigung und Behagen brächte. Halbheit deutet stets auf Schwäche<lb/> des Charakters oder des Urtheils, und wer einen großen Gedanken nicht<lb/> ganz zu erfassen oder nicht ganz auszuführen vermag, taugt nicht zum Staats¬<lb/> manne, am allerwenigsten zum östreichischen, welcher, des Zieles sich klar bewußt<lb/> und der Wege kundig, festen, sicheren und gleichmäßigen Schrittes vorangehen<lb/> muß, wenn er die Freunde der Monarchie ermuthigen und deren Gegner<lb/> entwaffnen soll. Ein Großstaat aber, den seine Politik dahin bringt, daß<lb/> er seinen Völkern keine Liebe, seinen Freunden kein Vertrauen, seinen Feinden<lb/> keine Furcht einzuflößen vermag, thut wohl daran, sein Haus zu bestellen,<lb/> denn er ist an der Neige seines Daseins!" Solche Sätze und die weiteren<lb/> Auseinandersetzungen, daß die Staatsklugheit erheische, in nationalen Fragen<lb/> das Bewußtsein vor Antastung durch Majoritätsbeschlüsse so sicher zu stellen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0504]
das Unterliegen fürchten: mit welchem Rechte beanspruchen sie dann die
Führerschaft?
Wer ernstlich wünscht mit den gegenwärtigen Zuständen Oestreichs ver¬
traut zu werden, der darf das Buch Fischhofs nicht ignoriren. eines Mannes,
welcher mit größerem Rechte als hundert Andere den guten Namen, den er
sich 1848 gemacht und in der Zeit der Reaction unbefleckt erhalten hatte, dazu
benutzen konnte, um zu Amt und Würden zu kommen, es aber vorzog unab¬
hängig, keiner Regierung und keiner Partei dienstbar zu sein. Gestatten Sie
mir, zur Charakterisirung des Buches einige Stellen hier wiederzugeben. In
dem einleitenden Rückblicke auf die jüngste Vergangenheit Oestreichs (seit 1848)
heißt es: „Es verwirrte die Zustände überall, in Italien wie in Deutschland,
und am schlimmsten daheim im eigenen Hause. Es hinderte die Einigung
Italiens, indem es ihr entgegen-, und die Einigung Deutschlands, indem es
ihr beitrat. Es sendete Deputirte nach Frankfurt, Truppen nach Mailand;
es siegte da und dort, aber nur um zu siechen. Sein ganzes Staatswesen
war tief erkrankt; denn um unhaltbare Stellungen zu behaupten, zersplitterte
und erschöpfte es seine Kräfte, verlor es seinen Schwerpunkt im Innern, all'
seine Stützpunkte nach außen; und so ohne Halt schwankte es hin und her
und wäre taumelnd in den Abgrund gestürzt, hätte die Vorsehung ihm nicht
Solferino und Königgrätz beschieden. Wie es früher an seinen Siegen er¬
krankte, so gesundete es jetzt an seinen Niederlagen. Das Schicksal entriß
ihm gewaltsam, was es freiwillig hinzugeben nicht die Klugheit hatte." Als
die schwächlichste und darum gefährlichste Politik wird aber diejenige der
konstitutionellen Aera bezeichnet. „Sie bewilligt den Nationalitäten zu viel,
um sie niederzuhalten, zu wenig, um sie zu befriedigen. Ihr theilweises und
verdrossenes Zugestehen erweckt, als Ausfluß der Schlaffheit und des Uebel-
wollens, Prätensionen und Mißstimmung, während ein volles freudiges Ge¬
währen Sättigung und Behagen brächte. Halbheit deutet stets auf Schwäche
des Charakters oder des Urtheils, und wer einen großen Gedanken nicht
ganz zu erfassen oder nicht ganz auszuführen vermag, taugt nicht zum Staats¬
manne, am allerwenigsten zum östreichischen, welcher, des Zieles sich klar bewußt
und der Wege kundig, festen, sicheren und gleichmäßigen Schrittes vorangehen
muß, wenn er die Freunde der Monarchie ermuthigen und deren Gegner
entwaffnen soll. Ein Großstaat aber, den seine Politik dahin bringt, daß
er seinen Völkern keine Liebe, seinen Freunden kein Vertrauen, seinen Feinden
keine Furcht einzuflößen vermag, thut wohl daran, sein Haus zu bestellen,
denn er ist an der Neige seines Daseins!" Solche Sätze und die weiteren
Auseinandersetzungen, daß die Staatsklugheit erheische, in nationalen Fragen
das Bewußtsein vor Antastung durch Majoritätsbeschlüsse so sicher zu stellen,
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