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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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sein sollte. Howen an der Spitze einer Deputation sofort nach Petersburg
zu senden.

Der Herzog war aufs Höchste erstaunt, als er die Kunde erhielt, daß
ein Deliberatorium dieser Art im Lande circulire, und glaubte, dasselbe sei
aus Betrieb des russischen Hofes eingebracht worden. Er wandte sich daher
an den Grafen Ostermann, dem er in einem fehr gut geschriebenen Briefe
sein Erstaunen über diesen "verfrühten Schritt" aussprach; gleichzeitig
erließ die curländische Regierung ein Schreiben an diesen Minister, in welchem
sie in energischen Ausdrücken das Unpassende dieses "Deliberatoriurns"
hervorhob.

Die Kaiserin, welche ihre Würde nie verleugnete, erkannte sofort, daß
der Howen'sche Vorschlag nach einer Revolution gegen einen regierenden
Fürsten aussah, dessen Legitimität von Rußland selbst anerkannt war. Sie
befahl daher dem Grafen Ostermann, dem Herzog einen Brief zu schreiben,
den ich nachstehend als Zeugniß für den feinen Tact anführe, welchen Ca-
tharina die Große bei allen ihren politischen Handlungen zu beobachten wußte.

"Monseigneur! Den Brief, mit welchem Eure Hoheit mich am 30.Sep¬
tember (1794) beehrt haben, habe ich der Kaiserin vorgelegt, und es geschieht
auf den besonderen Befehl Ihrer Majestät, daß ich ihn beantworte. In
den Augen Ihrer Majestät rechtfertigt die gegenwärtige Lage der polnischen
Dinge in jeder Rücksicht ebenso den Wunsch, den Eure Hoheit in Ihrem
Schreiben ausgedrückt haben, wie die Bitte, welche die Curländische Ritter¬
schaft vorher gethan. Auch Ihre Majestät hat in Ihrer Weisheit die
dringende Nothwendigkeit anerkannt, eine so wichtige Angelegenheit ohne
Zeitverlust zu regeln und sich namentlich mit Eurer Hoheit über Alles zu
berathen, was auf die Interessen und das Wohlergehen der Stände von
Curland und Semgallen Beziehung hat. Bei dieser Gelegenheit hat Ihre
Majestät sich erinnert, daß Sie selbst, Monseigneur, zu verschiedenen Malen
gewünscht haben, ihren Hof zu besuchen. Demgemäß ladet Ihre Majestät
Sie ein, sich sobald wie möglich auf den Weg nach Petersburg zu begeben,
damit man diese wichtige Angelegenheit direkt mit Eurer Hoheit berathen
und ordnen könne.

"Der Herr Generalgouvemeur (so. von Livland), Baron Pahlen, der die
Ehre haben wird, diesen Brief Eurer Hoheit zu überreichen, hat bereits den
Auftrag erhalten, alle Maßregeln zu treffen, welche für die Bequemlichkeit
von Eurer Hoheit Reise erforderlich sind. während ich im Begriff bin, für
Eure Hoheit das Hütel einzurichten, in welchem Eure Hoheit bei Ihrer An¬
kunft absteigen können.


Ich habe die Ehre u. f. w. Ost ermann." Se, Petersburg. 20. Octbr. 1794.

sein sollte. Howen an der Spitze einer Deputation sofort nach Petersburg
zu senden.

Der Herzog war aufs Höchste erstaunt, als er die Kunde erhielt, daß
ein Deliberatorium dieser Art im Lande circulire, und glaubte, dasselbe sei
aus Betrieb des russischen Hofes eingebracht worden. Er wandte sich daher
an den Grafen Ostermann, dem er in einem fehr gut geschriebenen Briefe
sein Erstaunen über diesen „verfrühten Schritt" aussprach; gleichzeitig
erließ die curländische Regierung ein Schreiben an diesen Minister, in welchem
sie in energischen Ausdrücken das Unpassende dieses „Deliberatoriurns"
hervorhob.

Die Kaiserin, welche ihre Würde nie verleugnete, erkannte sofort, daß
der Howen'sche Vorschlag nach einer Revolution gegen einen regierenden
Fürsten aussah, dessen Legitimität von Rußland selbst anerkannt war. Sie
befahl daher dem Grafen Ostermann, dem Herzog einen Brief zu schreiben,
den ich nachstehend als Zeugniß für den feinen Tact anführe, welchen Ca-
tharina die Große bei allen ihren politischen Handlungen zu beobachten wußte.

„Monseigneur! Den Brief, mit welchem Eure Hoheit mich am 30.Sep¬
tember (1794) beehrt haben, habe ich der Kaiserin vorgelegt, und es geschieht
auf den besonderen Befehl Ihrer Majestät, daß ich ihn beantworte. In
den Augen Ihrer Majestät rechtfertigt die gegenwärtige Lage der polnischen
Dinge in jeder Rücksicht ebenso den Wunsch, den Eure Hoheit in Ihrem
Schreiben ausgedrückt haben, wie die Bitte, welche die Curländische Ritter¬
schaft vorher gethan. Auch Ihre Majestät hat in Ihrer Weisheit die
dringende Nothwendigkeit anerkannt, eine so wichtige Angelegenheit ohne
Zeitverlust zu regeln und sich namentlich mit Eurer Hoheit über Alles zu
berathen, was auf die Interessen und das Wohlergehen der Stände von
Curland und Semgallen Beziehung hat. Bei dieser Gelegenheit hat Ihre
Majestät sich erinnert, daß Sie selbst, Monseigneur, zu verschiedenen Malen
gewünscht haben, ihren Hof zu besuchen. Demgemäß ladet Ihre Majestät
Sie ein, sich sobald wie möglich auf den Weg nach Petersburg zu begeben,
damit man diese wichtige Angelegenheit direkt mit Eurer Hoheit berathen
und ordnen könne.

„Der Herr Generalgouvemeur (so. von Livland), Baron Pahlen, der die
Ehre haben wird, diesen Brief Eurer Hoheit zu überreichen, hat bereits den
Auftrag erhalten, alle Maßregeln zu treffen, welche für die Bequemlichkeit
von Eurer Hoheit Reise erforderlich sind. während ich im Begriff bin, für
Eure Hoheit das Hütel einzurichten, in welchem Eure Hoheit bei Ihrer An¬
kunft absteigen können.


Ich habe die Ehre u. f. w. Ost ermann." Se, Petersburg. 20. Octbr. 1794.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/46>, abgerufen am 22.07.2024.