Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Eisenbart stellt sich nun zu diesen schwierigen Fragen folgendermaßen.
Er widerlegt zuerst die socialistische Theorie der progressiven Einkommen¬
steuer, welche alle Capitalansammlung unmöglich machen würde und führt
dann den von uns schon obenbegründeten Satz an, daß die Steuerpflicht
hier wie überall erst mit einem normalen Einkommen beginnen sollte, d. h.
einem solchen, das seiner Bestimmung entspricht, für die Gesammtheit der
menschlichen Lebenszwecke die Mittel zu gewähren, darunter auch diejenigen,
welche nur vermittelst der Staatsgewalt erreicht werden können. Das Existenz¬
minimum, welches am richtigsten nach dem Durchschnitt des gemeinen Arbeits¬
lohns berechnet wird, soll also auch hier respectirt werden und consequenter-
weise auch von dem an sich steuerfähigen Einkommen in Abzug gebracht
werden. Eine verschiedene Abstufung desselben nach der Stärke des Familien¬
standes, wie sie die preußische Classenstener kannte, verwirft der Verfasser als
unpractisch und will die Summen lieber nach dem durchschnittlichen Noth¬
bedarf einer Familie berechnen. Wir pflichten dem ganz bei, denn der Staat
soll die in den ärmeren Classen schon an sich bedauernswerthe übermäßige
Vermehrung des Familienstandes nicht noch Prämiiren; doch ließe sich viel¬
leicht eher der Vorschlag hören, Hagestolze, die dem Staat offenbar weniger
leisten als Familienväter, stärker heranzuziehen. Auch die unterschiedliche Be¬
steuerung des Einkommens nach Fundirtem und Nicht-Fundirtem verwirft
Eisenbart, weil eine stärkere Besteuerung des erstern das Unrecht begehe, gleich
legitimes Eigenthum in ungleichem Verhältniß für den Staatsbedars in
Anspruch zu nehmen, auch große Arbeitsrenten wie der Gewinn von
Fabrikanten, Aerzten, Künstlern leichter Ersparungen ermöglichten als kleine
Capitalien. Ueber diesen Punkt wäre manches für und wider zu sagen, wir
pflichten dem Verfasser hauptsächlich aus der practischen Rücksicht bei, daß man
bei der Unterscheidung von Fundirtem und Nicht - Fundirtem zur Aufstellung
einer Menge von Kategorien genöthigt wird, welche ungemein schwer durch¬
zuführen sind und daß das fundirte Einkommen schon auf andere Weise wie
z, B. durch die Grundsteuer stärker getroffen wird, als das nichtfundirte. Jene
Rücksicht gegen Kategorien kommt für uns ganz besonders in Betracht, weil wir
im Gegensatz zum Verfasser ganz entschieden die Selbsteinschätzung der Steuer¬
pflichtigen als die richtigste Erhebungsart ansehen. Was der Verfasser gegen
dieselbe vorbringt kommt im Wesentlichen auf den oft angebrachten Einwurf
hinaus, daß die Angaben der Steuerpflichtigen unzuverlässig sein müßten, weil
das Verlangen der Selbstschätzung auf die Forderung hinauslaufe, daß
Jemand die Wahrheit in demselben Augenblicke am meisten lieben sollte, wo
ihn der stärkste Eigennutz antreibe, dieselbe zu verleugnen; man gebe damit der
Unehrlichkeit und Gewissenlosigkeit eine Prämie. Uns scheint dieser Einwand
keineswegs durchschlagend, um so weniger, als wir den vom Verfasser ange-


Eisenbart stellt sich nun zu diesen schwierigen Fragen folgendermaßen.
Er widerlegt zuerst die socialistische Theorie der progressiven Einkommen¬
steuer, welche alle Capitalansammlung unmöglich machen würde und führt
dann den von uns schon obenbegründeten Satz an, daß die Steuerpflicht
hier wie überall erst mit einem normalen Einkommen beginnen sollte, d. h.
einem solchen, das seiner Bestimmung entspricht, für die Gesammtheit der
menschlichen Lebenszwecke die Mittel zu gewähren, darunter auch diejenigen,
welche nur vermittelst der Staatsgewalt erreicht werden können. Das Existenz¬
minimum, welches am richtigsten nach dem Durchschnitt des gemeinen Arbeits¬
lohns berechnet wird, soll also auch hier respectirt werden und consequenter-
weise auch von dem an sich steuerfähigen Einkommen in Abzug gebracht
werden. Eine verschiedene Abstufung desselben nach der Stärke des Familien¬
standes, wie sie die preußische Classenstener kannte, verwirft der Verfasser als
unpractisch und will die Summen lieber nach dem durchschnittlichen Noth¬
bedarf einer Familie berechnen. Wir pflichten dem ganz bei, denn der Staat
soll die in den ärmeren Classen schon an sich bedauernswerthe übermäßige
Vermehrung des Familienstandes nicht noch Prämiiren; doch ließe sich viel¬
leicht eher der Vorschlag hören, Hagestolze, die dem Staat offenbar weniger
leisten als Familienväter, stärker heranzuziehen. Auch die unterschiedliche Be¬
steuerung des Einkommens nach Fundirtem und Nicht-Fundirtem verwirft
Eisenbart, weil eine stärkere Besteuerung des erstern das Unrecht begehe, gleich
legitimes Eigenthum in ungleichem Verhältniß für den Staatsbedars in
Anspruch zu nehmen, auch große Arbeitsrenten wie der Gewinn von
Fabrikanten, Aerzten, Künstlern leichter Ersparungen ermöglichten als kleine
Capitalien. Ueber diesen Punkt wäre manches für und wider zu sagen, wir
pflichten dem Verfasser hauptsächlich aus der practischen Rücksicht bei, daß man
bei der Unterscheidung von Fundirtem und Nicht - Fundirtem zur Aufstellung
einer Menge von Kategorien genöthigt wird, welche ungemein schwer durch¬
zuführen sind und daß das fundirte Einkommen schon auf andere Weise wie
z, B. durch die Grundsteuer stärker getroffen wird, als das nichtfundirte. Jene
Rücksicht gegen Kategorien kommt für uns ganz besonders in Betracht, weil wir
im Gegensatz zum Verfasser ganz entschieden die Selbsteinschätzung der Steuer¬
pflichtigen als die richtigste Erhebungsart ansehen. Was der Verfasser gegen
dieselbe vorbringt kommt im Wesentlichen auf den oft angebrachten Einwurf
hinaus, daß die Angaben der Steuerpflichtigen unzuverlässig sein müßten, weil
das Verlangen der Selbstschätzung auf die Forderung hinauslaufe, daß
Jemand die Wahrheit in demselben Augenblicke am meisten lieben sollte, wo
ihn der stärkste Eigennutz antreibe, dieselbe zu verleugnen; man gebe damit der
Unehrlichkeit und Gewissenlosigkeit eine Prämie. Uns scheint dieser Einwand
keineswegs durchschlagend, um so weniger, als wir den vom Verfasser ange-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0392" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/122147"/>
          <p xml:id="ID_1092" next="#ID_1093"> Eisenbart stellt sich nun zu diesen schwierigen Fragen folgendermaßen.<lb/>
Er widerlegt zuerst die socialistische Theorie der progressiven Einkommen¬<lb/>
steuer, welche alle Capitalansammlung unmöglich machen würde und führt<lb/>
dann den von uns schon obenbegründeten Satz an, daß die Steuerpflicht<lb/>
hier wie überall erst mit einem normalen Einkommen beginnen sollte, d. h.<lb/>
einem solchen, das seiner Bestimmung entspricht, für die Gesammtheit der<lb/>
menschlichen Lebenszwecke die Mittel zu gewähren, darunter auch diejenigen,<lb/>
welche nur vermittelst der Staatsgewalt erreicht werden können. Das Existenz¬<lb/>
minimum, welches am richtigsten nach dem Durchschnitt des gemeinen Arbeits¬<lb/>
lohns berechnet wird, soll also auch hier respectirt werden und consequenter-<lb/>
weise auch von dem an sich steuerfähigen Einkommen in Abzug gebracht<lb/>
werden. Eine verschiedene Abstufung desselben nach der Stärke des Familien¬<lb/>
standes, wie sie die preußische Classenstener kannte, verwirft der Verfasser als<lb/>
unpractisch und will die Summen lieber nach dem durchschnittlichen Noth¬<lb/>
bedarf einer Familie berechnen. Wir pflichten dem ganz bei, denn der Staat<lb/>
soll die in den ärmeren Classen schon an sich bedauernswerthe übermäßige<lb/>
Vermehrung des Familienstandes nicht noch Prämiiren; doch ließe sich viel¬<lb/>
leicht eher der Vorschlag hören, Hagestolze, die dem Staat offenbar weniger<lb/>
leisten als Familienväter, stärker heranzuziehen. Auch die unterschiedliche Be¬<lb/>
steuerung des Einkommens nach Fundirtem und Nicht-Fundirtem verwirft<lb/>
Eisenbart, weil eine stärkere Besteuerung des erstern das Unrecht begehe, gleich<lb/>
legitimes Eigenthum in ungleichem Verhältniß für den Staatsbedars in<lb/>
Anspruch zu nehmen, auch große Arbeitsrenten wie der Gewinn von<lb/>
Fabrikanten, Aerzten, Künstlern leichter Ersparungen ermöglichten als kleine<lb/>
Capitalien. Ueber diesen Punkt wäre manches für und wider zu sagen, wir<lb/>
pflichten dem Verfasser hauptsächlich aus der practischen Rücksicht bei, daß man<lb/>
bei der Unterscheidung von Fundirtem und Nicht - Fundirtem zur Aufstellung<lb/>
einer Menge von Kategorien genöthigt wird, welche ungemein schwer durch¬<lb/>
zuführen sind und daß das fundirte Einkommen schon auf andere Weise wie<lb/>
z, B. durch die Grundsteuer stärker getroffen wird, als das nichtfundirte. Jene<lb/>
Rücksicht gegen Kategorien kommt für uns ganz besonders in Betracht, weil wir<lb/>
im Gegensatz zum Verfasser ganz entschieden die Selbsteinschätzung der Steuer¬<lb/>
pflichtigen als die richtigste Erhebungsart ansehen. Was der Verfasser gegen<lb/>
dieselbe vorbringt kommt im Wesentlichen auf den oft angebrachten Einwurf<lb/>
hinaus, daß die Angaben der Steuerpflichtigen unzuverlässig sein müßten, weil<lb/>
das Verlangen der Selbstschätzung auf die Forderung hinauslaufe, daß<lb/>
Jemand die Wahrheit in demselben Augenblicke am meisten lieben sollte, wo<lb/>
ihn der stärkste Eigennutz antreibe, dieselbe zu verleugnen; man gebe damit der<lb/>
Unehrlichkeit und Gewissenlosigkeit eine Prämie. Uns scheint dieser Einwand<lb/>
keineswegs durchschlagend, um so weniger, als wir den vom Verfasser ange-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0392] Eisenbart stellt sich nun zu diesen schwierigen Fragen folgendermaßen. Er widerlegt zuerst die socialistische Theorie der progressiven Einkommen¬ steuer, welche alle Capitalansammlung unmöglich machen würde und führt dann den von uns schon obenbegründeten Satz an, daß die Steuerpflicht hier wie überall erst mit einem normalen Einkommen beginnen sollte, d. h. einem solchen, das seiner Bestimmung entspricht, für die Gesammtheit der menschlichen Lebenszwecke die Mittel zu gewähren, darunter auch diejenigen, welche nur vermittelst der Staatsgewalt erreicht werden können. Das Existenz¬ minimum, welches am richtigsten nach dem Durchschnitt des gemeinen Arbeits¬ lohns berechnet wird, soll also auch hier respectirt werden und consequenter- weise auch von dem an sich steuerfähigen Einkommen in Abzug gebracht werden. Eine verschiedene Abstufung desselben nach der Stärke des Familien¬ standes, wie sie die preußische Classenstener kannte, verwirft der Verfasser als unpractisch und will die Summen lieber nach dem durchschnittlichen Noth¬ bedarf einer Familie berechnen. Wir pflichten dem ganz bei, denn der Staat soll die in den ärmeren Classen schon an sich bedauernswerthe übermäßige Vermehrung des Familienstandes nicht noch Prämiiren; doch ließe sich viel¬ leicht eher der Vorschlag hören, Hagestolze, die dem Staat offenbar weniger leisten als Familienväter, stärker heranzuziehen. Auch die unterschiedliche Be¬ steuerung des Einkommens nach Fundirtem und Nicht-Fundirtem verwirft Eisenbart, weil eine stärkere Besteuerung des erstern das Unrecht begehe, gleich legitimes Eigenthum in ungleichem Verhältniß für den Staatsbedars in Anspruch zu nehmen, auch große Arbeitsrenten wie der Gewinn von Fabrikanten, Aerzten, Künstlern leichter Ersparungen ermöglichten als kleine Capitalien. Ueber diesen Punkt wäre manches für und wider zu sagen, wir pflichten dem Verfasser hauptsächlich aus der practischen Rücksicht bei, daß man bei der Unterscheidung von Fundirtem und Nicht - Fundirtem zur Aufstellung einer Menge von Kategorien genöthigt wird, welche ungemein schwer durch¬ zuführen sind und daß das fundirte Einkommen schon auf andere Weise wie z, B. durch die Grundsteuer stärker getroffen wird, als das nichtfundirte. Jene Rücksicht gegen Kategorien kommt für uns ganz besonders in Betracht, weil wir im Gegensatz zum Verfasser ganz entschieden die Selbsteinschätzung der Steuer¬ pflichtigen als die richtigste Erhebungsart ansehen. Was der Verfasser gegen dieselbe vorbringt kommt im Wesentlichen auf den oft angebrachten Einwurf hinaus, daß die Angaben der Steuerpflichtigen unzuverlässig sein müßten, weil das Verlangen der Selbstschätzung auf die Forderung hinauslaufe, daß Jemand die Wahrheit in demselben Augenblicke am meisten lieben sollte, wo ihn der stärkste Eigennutz antreibe, dieselbe zu verleugnen; man gebe damit der Unehrlichkeit und Gewissenlosigkeit eine Prämie. Uns scheint dieser Einwand keineswegs durchschlagend, um so weniger, als wir den vom Verfasser ange-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/392
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/392>, abgerufen am 24.08.2024.