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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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Adam Smith stellte bekanntlich den Satz auf, daß Gleichheit der Be¬
steuerung practisch bedeuten müsse, daß Jeder im Verhältniß zu seinem Ein¬
kommen zu steuern habe (Buch V. Cap. 2). "Die Unterthanen jedes Staa¬
tes sollten zur Unterhaltung der Regierung so genau als möglich im Ver¬
hältniß ihrer verschiedenen Fähigkeit beitragen, d. h. im Verhältniß zu dem
Einkommen, welches sie unter dem Schutze des Staates beziehen. Demnach
wären, wenn ein Mann von 3000 Thlr. Einkommen 600 Thlr. Steuern
zahlte, von dem. der 100 Thlr. hat. 10 zu erheben. Aber Bentham, Mill
u. A. wiesen nach, daß ein solches Verhältniß nicht gerecht sein würde, weil
die 10 Thlr. für den Armen ein weit größeres Opfer seien, als die 500 Thlr.
für den Reichen; ersterer müsse sich die Steuer vom nothwendigsten abknap¬
pen, letzterer bezahle sie von seinem Ueberfluß. Es müsse also für den Aer-
meren ein anderer Procentsatz gelten als für den Wohlhabenden und ein ge¬
wisses Einkommen als Existenzminimal überhaupt steuerfrei bleiben, weil
dessen Besteuerung nur zu einer Vermehrung der Armenlast führen müsse.
Dies führt für die indirecten Steuern dazu, die nothwendigsten Lebensbedürf¬
nisse, wie Brod, Fleisch, Salz, Milch freizugeben, dagegen die Luxusartikel
und namentlich solche, deren starker Verbrauch zu Lastern führt, hoch zu be¬
steuern, so daß der Mäßige es in seiner Hand hat, weniger zu zahlen, der
Unmäßige sich nicht beklagen darf, wenn er schärfer betroffen wird. Setzt
man nun noch mit Smith hinzu, daß alle Steuern festbestimmt sein und nie
dem Belieben des Einnehmers Spielraum gestatten sollten, daß bei ihrer
Veranlagung auf den größtmöglichster Steuerertrag für die Staatscasse zu
sehen ist und daß jede Steuer zu der Zeit und in der Art erhoben werden
muß, wo ihre Entrichtung dem Pflichtigen am leichtesten wird, so hat man
mit kurzen Zügen die Grundregeln aufgestellt, von denen eine Gesetzgebung
auszugehen hat, welche auf der Höhe der Zeit stehen will. Eine zweckmäßige
Ausführung dieser Regeln hätten wir als wesentliche Bereicherung des tüch¬
tigen Buchs von Eisenbart angesehen. Sehr richtig sondert derselbe denn auch,
ehe er auf die allgemeine Steuerfrage eingeht, von der Besprechung die Ge¬
bühren aus, welche qualificirte Aequivalente für bestimmte, besondere Leistungen
sind und deshalb zwar nicht die aufgewandten Kosten erheblich überschreiten,
auch nicht als Privatsporteln der Beamten erhoben werden dürfen, aber
andererseits auch keineswegs abzuschaffen sind. Was im Gegensatz dazu die
Steuern, also die generellen Beiträge auf Grund allgemeiner Staatspflicht
betrifft, so wird die Frage nach der persönlichen Steuerfähigkeit sachlich die
nach der rationellen Steuerquelle, d. h. nach den Gütern, aus welchen Bei¬
träge für die Staatszwecke nachhaltig und doch ohne Schädigung anderer
gleichberechtigter Zwecke geschöpft werden können. Diese Güter faßt die
Volkswirthschaft unter den Namen der Rente zusammen und unterscheidet


Grenzvoten IV. 1369. 48

Adam Smith stellte bekanntlich den Satz auf, daß Gleichheit der Be¬
steuerung practisch bedeuten müsse, daß Jeder im Verhältniß zu seinem Ein¬
kommen zu steuern habe (Buch V. Cap. 2). „Die Unterthanen jedes Staa¬
tes sollten zur Unterhaltung der Regierung so genau als möglich im Ver¬
hältniß ihrer verschiedenen Fähigkeit beitragen, d. h. im Verhältniß zu dem
Einkommen, welches sie unter dem Schutze des Staates beziehen. Demnach
wären, wenn ein Mann von 3000 Thlr. Einkommen 600 Thlr. Steuern
zahlte, von dem. der 100 Thlr. hat. 10 zu erheben. Aber Bentham, Mill
u. A. wiesen nach, daß ein solches Verhältniß nicht gerecht sein würde, weil
die 10 Thlr. für den Armen ein weit größeres Opfer seien, als die 500 Thlr.
für den Reichen; ersterer müsse sich die Steuer vom nothwendigsten abknap¬
pen, letzterer bezahle sie von seinem Ueberfluß. Es müsse also für den Aer-
meren ein anderer Procentsatz gelten als für den Wohlhabenden und ein ge¬
wisses Einkommen als Existenzminimal überhaupt steuerfrei bleiben, weil
dessen Besteuerung nur zu einer Vermehrung der Armenlast führen müsse.
Dies führt für die indirecten Steuern dazu, die nothwendigsten Lebensbedürf¬
nisse, wie Brod, Fleisch, Salz, Milch freizugeben, dagegen die Luxusartikel
und namentlich solche, deren starker Verbrauch zu Lastern führt, hoch zu be¬
steuern, so daß der Mäßige es in seiner Hand hat, weniger zu zahlen, der
Unmäßige sich nicht beklagen darf, wenn er schärfer betroffen wird. Setzt
man nun noch mit Smith hinzu, daß alle Steuern festbestimmt sein und nie
dem Belieben des Einnehmers Spielraum gestatten sollten, daß bei ihrer
Veranlagung auf den größtmöglichster Steuerertrag für die Staatscasse zu
sehen ist und daß jede Steuer zu der Zeit und in der Art erhoben werden
muß, wo ihre Entrichtung dem Pflichtigen am leichtesten wird, so hat man
mit kurzen Zügen die Grundregeln aufgestellt, von denen eine Gesetzgebung
auszugehen hat, welche auf der Höhe der Zeit stehen will. Eine zweckmäßige
Ausführung dieser Regeln hätten wir als wesentliche Bereicherung des tüch¬
tigen Buchs von Eisenbart angesehen. Sehr richtig sondert derselbe denn auch,
ehe er auf die allgemeine Steuerfrage eingeht, von der Besprechung die Ge¬
bühren aus, welche qualificirte Aequivalente für bestimmte, besondere Leistungen
sind und deshalb zwar nicht die aufgewandten Kosten erheblich überschreiten,
auch nicht als Privatsporteln der Beamten erhoben werden dürfen, aber
andererseits auch keineswegs abzuschaffen sind. Was im Gegensatz dazu die
Steuern, also die generellen Beiträge auf Grund allgemeiner Staatspflicht
betrifft, so wird die Frage nach der persönlichen Steuerfähigkeit sachlich die
nach der rationellen Steuerquelle, d. h. nach den Gütern, aus welchen Bei¬
träge für die Staatszwecke nachhaltig und doch ohne Schädigung anderer
gleichberechtigter Zwecke geschöpft werden können. Diese Güter faßt die
Volkswirthschaft unter den Namen der Rente zusammen und unterscheidet


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[0385] Adam Smith stellte bekanntlich den Satz auf, daß Gleichheit der Be¬ steuerung practisch bedeuten müsse, daß Jeder im Verhältniß zu seinem Ein¬ kommen zu steuern habe (Buch V. Cap. 2). „Die Unterthanen jedes Staa¬ tes sollten zur Unterhaltung der Regierung so genau als möglich im Ver¬ hältniß ihrer verschiedenen Fähigkeit beitragen, d. h. im Verhältniß zu dem Einkommen, welches sie unter dem Schutze des Staates beziehen. Demnach wären, wenn ein Mann von 3000 Thlr. Einkommen 600 Thlr. Steuern zahlte, von dem. der 100 Thlr. hat. 10 zu erheben. Aber Bentham, Mill u. A. wiesen nach, daß ein solches Verhältniß nicht gerecht sein würde, weil die 10 Thlr. für den Armen ein weit größeres Opfer seien, als die 500 Thlr. für den Reichen; ersterer müsse sich die Steuer vom nothwendigsten abknap¬ pen, letzterer bezahle sie von seinem Ueberfluß. Es müsse also für den Aer- meren ein anderer Procentsatz gelten als für den Wohlhabenden und ein ge¬ wisses Einkommen als Existenzminimal überhaupt steuerfrei bleiben, weil dessen Besteuerung nur zu einer Vermehrung der Armenlast führen müsse. Dies führt für die indirecten Steuern dazu, die nothwendigsten Lebensbedürf¬ nisse, wie Brod, Fleisch, Salz, Milch freizugeben, dagegen die Luxusartikel und namentlich solche, deren starker Verbrauch zu Lastern führt, hoch zu be¬ steuern, so daß der Mäßige es in seiner Hand hat, weniger zu zahlen, der Unmäßige sich nicht beklagen darf, wenn er schärfer betroffen wird. Setzt man nun noch mit Smith hinzu, daß alle Steuern festbestimmt sein und nie dem Belieben des Einnehmers Spielraum gestatten sollten, daß bei ihrer Veranlagung auf den größtmöglichster Steuerertrag für die Staatscasse zu sehen ist und daß jede Steuer zu der Zeit und in der Art erhoben werden muß, wo ihre Entrichtung dem Pflichtigen am leichtesten wird, so hat man mit kurzen Zügen die Grundregeln aufgestellt, von denen eine Gesetzgebung auszugehen hat, welche auf der Höhe der Zeit stehen will. Eine zweckmäßige Ausführung dieser Regeln hätten wir als wesentliche Bereicherung des tüch¬ tigen Buchs von Eisenbart angesehen. Sehr richtig sondert derselbe denn auch, ehe er auf die allgemeine Steuerfrage eingeht, von der Besprechung die Ge¬ bühren aus, welche qualificirte Aequivalente für bestimmte, besondere Leistungen sind und deshalb zwar nicht die aufgewandten Kosten erheblich überschreiten, auch nicht als Privatsporteln der Beamten erhoben werden dürfen, aber andererseits auch keineswegs abzuschaffen sind. Was im Gegensatz dazu die Steuern, also die generellen Beiträge auf Grund allgemeiner Staatspflicht betrifft, so wird die Frage nach der persönlichen Steuerfähigkeit sachlich die nach der rationellen Steuerquelle, d. h. nach den Gütern, aus welchen Bei¬ träge für die Staatszwecke nachhaltig und doch ohne Schädigung anderer gleichberechtigter Zwecke geschöpft werden können. Diese Güter faßt die Volkswirthschaft unter den Namen der Rente zusammen und unterscheidet Grenzvoten IV. 1369. 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/385>, abgerufen am 15.01.2025.