Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.dagegen war es ohne Zweifel erwünscht und werthvoll, bei seinem Eintritt Die leuchtenden Fixsterne, um welche sich damals ihre Betrachtungen Während er in diesen ersten Jahren die Anschauungen sammelte, von Aber mit dem Anfang des Jahres 1757 ward er plötzlich aus der dagegen war es ohne Zweifel erwünscht und werthvoll, bei seinem Eintritt Die leuchtenden Fixsterne, um welche sich damals ihre Betrachtungen Während er in diesen ersten Jahren die Anschauungen sammelte, von Aber mit dem Anfang des Jahres 1757 ward er plötzlich aus der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0370" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/122125"/> <p xml:id="ID_1026" prev="#ID_1025"> dagegen war es ohne Zweifel erwünscht und werthvoll, bei seinem Eintritt<lb/> aus der Welt der Bücher in die Welt der Denkmäler zuerst auf künstlerische<lb/> Ansichten gelenkt zu werden, denn bei den Italienern, unter deren Einfluß er<lb/> in der Folge kam, gab es blos antiquarische Erklärung. Geben und em¬<lb/> pfangen waren dabei so gleich auf beiden Seiten, daß es schwer zu entschei¬<lb/> den ist, was in Beider Lehren ursprünglich und was angeeignet ist. Mengs nahm<lb/> vielleicht platonisirende Gedanken über das Ideal von Winckelmann auf, und<lb/> sicher die Idee von Stilpcrioden der alten Kunst; dieser seinerseits dachte sich<lb/> in Mengs' Theorie der Schönheitslinie hinein; denn merkwürdiger Weise<lb/> traf dieser idealistische Eklektiker in der Theorie ganz mit dem practischen Realisten<lb/> Hogarth zusammen; und die Linearschönheit wurde fortan Winckelmann's<lb/> leitender Gesichtspunkt für die Darstellung stilistischer Entwickelungen. Sie<lb/> drückten dem Aufgenommenen dann ihr eigenes Gepräge auf; Mengs' Ge¬<lb/> danken erhielten bei dem Freunde eine etwas schwärmerisch-supranaturalistische<lb/> Färbung, Winckelmann's Ideen einen strengeren logischen Zusammenhang.<lb/> Denn Mengs war ebenso ein philosophischer Maler wie Winckelmann ein<lb/> künstlerischer Gelehrter. Mengs gebrauchte stets die abstraktesten Ausdrücke<lb/> und entwickelte seine Beobachtungen in Schlußketten, die er den Meistern,<lb/> welche er analysirte, zuversichtlich unterschob; Winckelmann sucht in selbständig<lb/> gerundeten Sätzen mit Ausdrücken von sinnlichem Colorit und oft eigener<lb/> Prägnanz der Sprache eine künstlerische Anschauung abzuringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1027"> Die leuchtenden Fixsterne, um welche sich damals ihre Betrachtungen<lb/> bewegten, waren der Apoll, der Torso, der Laocoon. Jener damals verein¬<lb/> samte Ort am höchsten Punkte des vatikanischen Palasts, den die Erinnerung<lb/> an Bramante und Bonarroti umschwebt, der Hof des Belvedere, um den sich<lb/> zwanzig Jahre später das größte Statuenmuseum der Welt crystallisirte, dies<lb/> war der Ort, wo man Winckelmann am häufigsten sah, in anhaltendes<lb/> Schauen versenkt, und dann ringend, den Eindruck in Worte zu verwandeln,<lb/> dem Kunstwerk des Meißels wo möglich ein nicht ganz unwürdiges Kunst¬<lb/> werk der Sprache zur Seite zu stellen — oder zu Füßen zu legen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1028"> Während er in diesen ersten Jahren die Anschauungen sammelte, von<lb/> denen er später unter oft zerstreuenden Verhältnissen gelebt hat, während er die<lb/> Grundlinien seiner Theorie entwarf, in den zauberischen verfallenen Gärten<lb/> Rom's den empfangenen Eindrücken nachhing und fast in jedem Monat den<lb/> Titel einer neuen Schrift oder wenigstens eines neuen Plans derselben an¬<lb/> kündigte, lebte er, was die Gesellschaft betrifft, vergessen; er sagt, „er habe<lb/> damals den Einfältigen und Stillen im Volke gespielt."</p><lb/> <p xml:id="ID_1029" next="#ID_1030"> Aber mit dem Anfang des Jahres 1757 ward er plötzlich aus der<lb/> Künstler- und Fremdencolonie des Monte Pincio mitten in das Rom der<lb/> Römer hineingeworfen. Im Anfang hatte er jedes Engagement abgewehrt;</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0370]
dagegen war es ohne Zweifel erwünscht und werthvoll, bei seinem Eintritt
aus der Welt der Bücher in die Welt der Denkmäler zuerst auf künstlerische
Ansichten gelenkt zu werden, denn bei den Italienern, unter deren Einfluß er
in der Folge kam, gab es blos antiquarische Erklärung. Geben und em¬
pfangen waren dabei so gleich auf beiden Seiten, daß es schwer zu entschei¬
den ist, was in Beider Lehren ursprünglich und was angeeignet ist. Mengs nahm
vielleicht platonisirende Gedanken über das Ideal von Winckelmann auf, und
sicher die Idee von Stilpcrioden der alten Kunst; dieser seinerseits dachte sich
in Mengs' Theorie der Schönheitslinie hinein; denn merkwürdiger Weise
traf dieser idealistische Eklektiker in der Theorie ganz mit dem practischen Realisten
Hogarth zusammen; und die Linearschönheit wurde fortan Winckelmann's
leitender Gesichtspunkt für die Darstellung stilistischer Entwickelungen. Sie
drückten dem Aufgenommenen dann ihr eigenes Gepräge auf; Mengs' Ge¬
danken erhielten bei dem Freunde eine etwas schwärmerisch-supranaturalistische
Färbung, Winckelmann's Ideen einen strengeren logischen Zusammenhang.
Denn Mengs war ebenso ein philosophischer Maler wie Winckelmann ein
künstlerischer Gelehrter. Mengs gebrauchte stets die abstraktesten Ausdrücke
und entwickelte seine Beobachtungen in Schlußketten, die er den Meistern,
welche er analysirte, zuversichtlich unterschob; Winckelmann sucht in selbständig
gerundeten Sätzen mit Ausdrücken von sinnlichem Colorit und oft eigener
Prägnanz der Sprache eine künstlerische Anschauung abzuringen.
Die leuchtenden Fixsterne, um welche sich damals ihre Betrachtungen
bewegten, waren der Apoll, der Torso, der Laocoon. Jener damals verein¬
samte Ort am höchsten Punkte des vatikanischen Palasts, den die Erinnerung
an Bramante und Bonarroti umschwebt, der Hof des Belvedere, um den sich
zwanzig Jahre später das größte Statuenmuseum der Welt crystallisirte, dies
war der Ort, wo man Winckelmann am häufigsten sah, in anhaltendes
Schauen versenkt, und dann ringend, den Eindruck in Worte zu verwandeln,
dem Kunstwerk des Meißels wo möglich ein nicht ganz unwürdiges Kunst¬
werk der Sprache zur Seite zu stellen — oder zu Füßen zu legen.
Während er in diesen ersten Jahren die Anschauungen sammelte, von
denen er später unter oft zerstreuenden Verhältnissen gelebt hat, während er die
Grundlinien seiner Theorie entwarf, in den zauberischen verfallenen Gärten
Rom's den empfangenen Eindrücken nachhing und fast in jedem Monat den
Titel einer neuen Schrift oder wenigstens eines neuen Plans derselben an¬
kündigte, lebte er, was die Gesellschaft betrifft, vergessen; er sagt, „er habe
damals den Einfältigen und Stillen im Volke gespielt."
Aber mit dem Anfang des Jahres 1757 ward er plötzlich aus der
Künstler- und Fremdencolonie des Monte Pincio mitten in das Rom der
Römer hineingeworfen. Im Anfang hatte er jedes Engagement abgewehrt;
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