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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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Es versteht sich von selbst, daß nämliche Grundsätze, welche für das
Volksschulwesen aufgestellt sind, auch auf die Lehrerbildung angewandt wer¬
den und daß "auch in den Seminarien die confessionellen Verhältnisse ihre
angemessene Berücksichtigung finden", während "eine irrthümliche Gestaltung
derselben zu Werkstätten allgemeiner Bildung" ausgeschlossen bleibt. Auch
bei den höheren Schulen wird der confessionelle Charakter vorausgesetzt, bei
der Bestimmung des Lehrplans und der Lehrbücher für den Religionsunter¬
richt und bei der Anstellung besonderer Religionslehrer die Anhörung der
kirchlichen Behörden angeordnet. Der Simultanschule geschieht hier gar keine
Erwähnung und die Zulassung von Lehrern, welche nicht einer der anerkann¬
ten christlichen Religionsparteien angehören, wird nur für solche Unterrichts¬
gegenstände gestattet, "auf deren Behandlung das religiöse Bekenntniß nicht
einen maßgebenden Einfluß hat". In einer von dem organischen Zusammen¬
hange des übrigen Entwurfs ganz losgelösten Gestalt erscheinen die jüdischen
Schulen, welche in einem besonderen Abschnitt hinter dem Privatunterricht
abgehandelt und schon dadurch als eine exceptionelle Einrichtung charakteri-
sirt werden. Für die Kinder jüdischer Einwohner, heißt es, sind auf deren
Antrag nach Maßgabe des Bedürfnisses öffentliche Volksschulen zu er¬
richten Höhere jüdische Schulen, deren Bestand genügend gesichert ist,
können als öffentliche anerkannt werden. In beiden Fällen ist also die
Genehmigung zu der Errichtung von der Willkür der Behörden abhängig
gemacht. Die Motive drücken sich in dieser Beziehung sehr vorsichtig aus
und wir werden schwerlich irren, wenn wir annehmen, daß an maßgebender
Stelle über diesen Punkt ein gewisses Schwanken der Anschauungen waltet.
Man hat eine entschiedene Abneigung dagegen, dem Judenthum neben den
christlichen Bekenntnissen eine gleichberechtigte confessionelle Stellung einzu¬
räumen? Andererseits erscheint eine bedingte Zulassung dieses Princips doch
als ein zwar unwillkommenes, aber unter Umständen gebotenes Schutzmittel
gegen das schlimmere Uebel der "Confessionslosigkeit". Es ist demgemäß
auch in dem Entwurf nach beiden Seiten hin eine gewisse Vagheit der An¬
sicht zu erkennen, bei der jedoch das Bestreben vorwiegt, die Frage von dem
allgemeinen Zusammenhange des Ganzen soviel wie möglich zu isoliren.

Was schließlich die Univ ersitäten anlangt, so ist zunächst die Definition
beachtenswert!), welche die Aufgabe derselben neben der Förderung der Wissen¬
schaft in die "wissenschaftliche Ausbildung künftiger Diener des Staats und
der Kirche" setzt. Von ganz besonderer Tragweite aber ist die Anordnung
des §. 158, wonach in den theologischen Facultäten kein Professor angestellt
werden soll, "gegen dessen Lehre oder Bekenntniß die berufene kirchliche Be"
hörte auf vorher zu bewirkende Anfrage Einspruch erhebt!" Für die katho¬
lisch-theologischen Facultäten bleiben überdies, wie die Motive hinzufügend


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Es versteht sich von selbst, daß nämliche Grundsätze, welche für das
Volksschulwesen aufgestellt sind, auch auf die Lehrerbildung angewandt wer¬
den und daß „auch in den Seminarien die confessionellen Verhältnisse ihre
angemessene Berücksichtigung finden", während „eine irrthümliche Gestaltung
derselben zu Werkstätten allgemeiner Bildung" ausgeschlossen bleibt. Auch
bei den höheren Schulen wird der confessionelle Charakter vorausgesetzt, bei
der Bestimmung des Lehrplans und der Lehrbücher für den Religionsunter¬
richt und bei der Anstellung besonderer Religionslehrer die Anhörung der
kirchlichen Behörden angeordnet. Der Simultanschule geschieht hier gar keine
Erwähnung und die Zulassung von Lehrern, welche nicht einer der anerkann¬
ten christlichen Religionsparteien angehören, wird nur für solche Unterrichts¬
gegenstände gestattet, „auf deren Behandlung das religiöse Bekenntniß nicht
einen maßgebenden Einfluß hat". In einer von dem organischen Zusammen¬
hange des übrigen Entwurfs ganz losgelösten Gestalt erscheinen die jüdischen
Schulen, welche in einem besonderen Abschnitt hinter dem Privatunterricht
abgehandelt und schon dadurch als eine exceptionelle Einrichtung charakteri-
sirt werden. Für die Kinder jüdischer Einwohner, heißt es, sind auf deren
Antrag nach Maßgabe des Bedürfnisses öffentliche Volksschulen zu er¬
richten Höhere jüdische Schulen, deren Bestand genügend gesichert ist,
können als öffentliche anerkannt werden. In beiden Fällen ist also die
Genehmigung zu der Errichtung von der Willkür der Behörden abhängig
gemacht. Die Motive drücken sich in dieser Beziehung sehr vorsichtig aus
und wir werden schwerlich irren, wenn wir annehmen, daß an maßgebender
Stelle über diesen Punkt ein gewisses Schwanken der Anschauungen waltet.
Man hat eine entschiedene Abneigung dagegen, dem Judenthum neben den
christlichen Bekenntnissen eine gleichberechtigte confessionelle Stellung einzu¬
räumen? Andererseits erscheint eine bedingte Zulassung dieses Princips doch
als ein zwar unwillkommenes, aber unter Umständen gebotenes Schutzmittel
gegen das schlimmere Uebel der „Confessionslosigkeit". Es ist demgemäß
auch in dem Entwurf nach beiden Seiten hin eine gewisse Vagheit der An¬
sicht zu erkennen, bei der jedoch das Bestreben vorwiegt, die Frage von dem
allgemeinen Zusammenhange des Ganzen soviel wie möglich zu isoliren.

Was schließlich die Univ ersitäten anlangt, so ist zunächst die Definition
beachtenswert!), welche die Aufgabe derselben neben der Förderung der Wissen¬
schaft in die „wissenschaftliche Ausbildung künftiger Diener des Staats und
der Kirche" setzt. Von ganz besonderer Tragweite aber ist die Anordnung
des §. 158, wonach in den theologischen Facultäten kein Professor angestellt
werden soll, „gegen dessen Lehre oder Bekenntniß die berufene kirchliche Be"
hörte auf vorher zu bewirkende Anfrage Einspruch erhebt!" Für die katho¬
lisch-theologischen Facultäten bleiben überdies, wie die Motive hinzufügend


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[0363] Es versteht sich von selbst, daß nämliche Grundsätze, welche für das Volksschulwesen aufgestellt sind, auch auf die Lehrerbildung angewandt wer¬ den und daß „auch in den Seminarien die confessionellen Verhältnisse ihre angemessene Berücksichtigung finden", während „eine irrthümliche Gestaltung derselben zu Werkstätten allgemeiner Bildung" ausgeschlossen bleibt. Auch bei den höheren Schulen wird der confessionelle Charakter vorausgesetzt, bei der Bestimmung des Lehrplans und der Lehrbücher für den Religionsunter¬ richt und bei der Anstellung besonderer Religionslehrer die Anhörung der kirchlichen Behörden angeordnet. Der Simultanschule geschieht hier gar keine Erwähnung und die Zulassung von Lehrern, welche nicht einer der anerkann¬ ten christlichen Religionsparteien angehören, wird nur für solche Unterrichts¬ gegenstände gestattet, „auf deren Behandlung das religiöse Bekenntniß nicht einen maßgebenden Einfluß hat". In einer von dem organischen Zusammen¬ hange des übrigen Entwurfs ganz losgelösten Gestalt erscheinen die jüdischen Schulen, welche in einem besonderen Abschnitt hinter dem Privatunterricht abgehandelt und schon dadurch als eine exceptionelle Einrichtung charakteri- sirt werden. Für die Kinder jüdischer Einwohner, heißt es, sind auf deren Antrag nach Maßgabe des Bedürfnisses öffentliche Volksschulen zu er¬ richten Höhere jüdische Schulen, deren Bestand genügend gesichert ist, können als öffentliche anerkannt werden. In beiden Fällen ist also die Genehmigung zu der Errichtung von der Willkür der Behörden abhängig gemacht. Die Motive drücken sich in dieser Beziehung sehr vorsichtig aus und wir werden schwerlich irren, wenn wir annehmen, daß an maßgebender Stelle über diesen Punkt ein gewisses Schwanken der Anschauungen waltet. Man hat eine entschiedene Abneigung dagegen, dem Judenthum neben den christlichen Bekenntnissen eine gleichberechtigte confessionelle Stellung einzu¬ räumen? Andererseits erscheint eine bedingte Zulassung dieses Princips doch als ein zwar unwillkommenes, aber unter Umständen gebotenes Schutzmittel gegen das schlimmere Uebel der „Confessionslosigkeit". Es ist demgemäß auch in dem Entwurf nach beiden Seiten hin eine gewisse Vagheit der An¬ sicht zu erkennen, bei der jedoch das Bestreben vorwiegt, die Frage von dem allgemeinen Zusammenhange des Ganzen soviel wie möglich zu isoliren. Was schließlich die Univ ersitäten anlangt, so ist zunächst die Definition beachtenswert!), welche die Aufgabe derselben neben der Förderung der Wissen¬ schaft in die „wissenschaftliche Ausbildung künftiger Diener des Staats und der Kirche" setzt. Von ganz besonderer Tragweite aber ist die Anordnung des §. 158, wonach in den theologischen Facultäten kein Professor angestellt werden soll, „gegen dessen Lehre oder Bekenntniß die berufene kirchliche Be" hörte auf vorher zu bewirkende Anfrage Einspruch erhebt!" Für die katho¬ lisch-theologischen Facultäten bleiben überdies, wie die Motive hinzufügend 46 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/363>, abgerufen am 26.06.2024.