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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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für Geßner's "Abel" Theilnahme zu erwecken vermochte. Mit um so leb¬
hafterem Eifer dagegen wandten sich Einige zu Kant's Abhandlungen, An¬
dere zu den Dramen von Goethe und Schiller.

Im Herbste 1794 war Scott Zeuge einer Vorlesung von William
Taylor's Uebersetzung der Bürger'schen "Lenore", die, 1773 gedichtet, be¬
kanntlich ihrerseits wieder unter dem Eindruck von "8>v<zet 'Mitla.in's (Alost"
in Percy's "Ueberresten altenglischer Dichtung" entstanden war. Scott
ruhte nicht eher, als bis er sich das Original verschafft und die eigenen
Kräfte daran versucht hatte. Seine Uebertragung der "Lenore" ward 1796
zugleich mit der des "Wilden Jägers" dem Druck übergeben. Das Exemplar
von Bürger's Gedichten verdankte er einer Verwandten, der jungen Frau
Scott von Harden, Tochter des Grafen Brühl, früheren sächsischen Gesandten
am Hofe von Se. James, die ihn mit noch anderen deutschen Dichtern und
mit dem Adelung'sehen Wörterbuche versah.

Ein Blick sowohl in W. Taylor's (von Norwich) als in W. Scott's
(unter dem Titel: "William und Helena") gelieferten Uebersetzungen dieser
Bürger'schen Geniestücke verräth die Arbeiten grundsatzloser Dilettanten, die
mehr auf rasche Ausbeutung als auf schonende und zugleich respectirende
Wiedergabe des Meisters der drastisch belebten Ballade bedacht sind. Weder
Reim noch Rhythmus, noch Costüm des Originals finden die nöthige Be¬
achtung. Die dem 18. Jahrhundert angehörige Episode vom nächtlichen
Reiter, der "mit König Friedrich's Macht gezogen in die Prager Schlacht",
wird ohne Bedenken auf englischen Boden und in die dunkeln Zeiten der
Kreuzzüge versetzt, wo weder die Heere "mit Sing und Sang" in dichten
Schaaren heimkehrten, noch die Bürgermädchen so empfindsam liebten wie
unsere "Lenore". Doch hören wir zunächst W. Taylor, denselben, der auch
von Goethe's "Iphigenie" die erste englische Uebersetzung gegeben hat:


^.t brsak ok <Za^ kron lriZlUkul clrsams
IIpstarteÄ Dllsnoro:
"Nz^ "William, "re thou sia^n, sbs sa^Ah,
äost non loof no more?^
Ho vent a.broa,av viril Kiobarä's Kost-
IKs l?aZcm kosZ to quoll;
Lud Ilk no vorä to Kör K^ä nritt
^.n, l>6 ^vers siolc or voll.
Witlr blor-z ok trnmx cruel tlrump ok arna
Jus tsIlo^soläLors oomo,
?lreir dslms bciäoolct vakafn bouZIis,
Ibo^ sssks tueir IcmA'et-lor Iromc: etc öde.

für Geßner's „Abel" Theilnahme zu erwecken vermochte. Mit um so leb¬
hafterem Eifer dagegen wandten sich Einige zu Kant's Abhandlungen, An¬
dere zu den Dramen von Goethe und Schiller.

Im Herbste 1794 war Scott Zeuge einer Vorlesung von William
Taylor's Uebersetzung der Bürger'schen „Lenore", die, 1773 gedichtet, be¬
kanntlich ihrerseits wieder unter dem Eindruck von „8>v<zet 'Mitla.in's (Alost"
in Percy's „Ueberresten altenglischer Dichtung" entstanden war. Scott
ruhte nicht eher, als bis er sich das Original verschafft und die eigenen
Kräfte daran versucht hatte. Seine Uebertragung der „Lenore" ward 1796
zugleich mit der des „Wilden Jägers" dem Druck übergeben. Das Exemplar
von Bürger's Gedichten verdankte er einer Verwandten, der jungen Frau
Scott von Harden, Tochter des Grafen Brühl, früheren sächsischen Gesandten
am Hofe von Se. James, die ihn mit noch anderen deutschen Dichtern und
mit dem Adelung'sehen Wörterbuche versah.

Ein Blick sowohl in W. Taylor's (von Norwich) als in W. Scott's
(unter dem Titel: „William und Helena") gelieferten Uebersetzungen dieser
Bürger'schen Geniestücke verräth die Arbeiten grundsatzloser Dilettanten, die
mehr auf rasche Ausbeutung als auf schonende und zugleich respectirende
Wiedergabe des Meisters der drastisch belebten Ballade bedacht sind. Weder
Reim noch Rhythmus, noch Costüm des Originals finden die nöthige Be¬
achtung. Die dem 18. Jahrhundert angehörige Episode vom nächtlichen
Reiter, der „mit König Friedrich's Macht gezogen in die Prager Schlacht",
wird ohne Bedenken auf englischen Boden und in die dunkeln Zeiten der
Kreuzzüge versetzt, wo weder die Heere „mit Sing und Sang" in dichten
Schaaren heimkehrten, noch die Bürgermädchen so empfindsam liebten wie
unsere „Lenore". Doch hören wir zunächst W. Taylor, denselben, der auch
von Goethe's „Iphigenie" die erste englische Uebersetzung gegeben hat:


^.t brsak ok <Za^ kron lriZlUkul clrsams
IIpstarteÄ Dllsnoro:
"Nz^ "William, »re thou sia^n, sbs sa^Ah,
äost non loof no more?^
Ho vent a.broa,av viril Kiobarä's Kost-
IKs l?aZcm kosZ to quoll;
Lud Ilk no vorä to Kör K^ä nritt
^.n, l>6 ^vers siolc or voll.
Witlr blor-z ok trnmx cruel tlrump ok arna
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[0295] für Geßner's „Abel" Theilnahme zu erwecken vermochte. Mit um so leb¬ hafterem Eifer dagegen wandten sich Einige zu Kant's Abhandlungen, An¬ dere zu den Dramen von Goethe und Schiller. Im Herbste 1794 war Scott Zeuge einer Vorlesung von William Taylor's Uebersetzung der Bürger'schen „Lenore", die, 1773 gedichtet, be¬ kanntlich ihrerseits wieder unter dem Eindruck von „8>v<zet 'Mitla.in's (Alost" in Percy's „Ueberresten altenglischer Dichtung" entstanden war. Scott ruhte nicht eher, als bis er sich das Original verschafft und die eigenen Kräfte daran versucht hatte. Seine Uebertragung der „Lenore" ward 1796 zugleich mit der des „Wilden Jägers" dem Druck übergeben. Das Exemplar von Bürger's Gedichten verdankte er einer Verwandten, der jungen Frau Scott von Harden, Tochter des Grafen Brühl, früheren sächsischen Gesandten am Hofe von Se. James, die ihn mit noch anderen deutschen Dichtern und mit dem Adelung'sehen Wörterbuche versah. Ein Blick sowohl in W. Taylor's (von Norwich) als in W. Scott's (unter dem Titel: „William und Helena") gelieferten Uebersetzungen dieser Bürger'schen Geniestücke verräth die Arbeiten grundsatzloser Dilettanten, die mehr auf rasche Ausbeutung als auf schonende und zugleich respectirende Wiedergabe des Meisters der drastisch belebten Ballade bedacht sind. Weder Reim noch Rhythmus, noch Costüm des Originals finden die nöthige Be¬ achtung. Die dem 18. Jahrhundert angehörige Episode vom nächtlichen Reiter, der „mit König Friedrich's Macht gezogen in die Prager Schlacht", wird ohne Bedenken auf englischen Boden und in die dunkeln Zeiten der Kreuzzüge versetzt, wo weder die Heere „mit Sing und Sang" in dichten Schaaren heimkehrten, noch die Bürgermädchen so empfindsam liebten wie unsere „Lenore". Doch hören wir zunächst W. Taylor, denselben, der auch von Goethe's „Iphigenie" die erste englische Uebersetzung gegeben hat: ^.t brsak ok <Za^ kron lriZlUkul clrsams IIpstarteÄ Dllsnoro: "Nz^ "William, »re thou sia^n, sbs sa^Ah, äost non loof no more?^ Ho vent a.broa,av viril Kiobarä's Kost- IKs l?aZcm kosZ to quoll; Lud Ilk no vorä to Kör K^ä nritt ^.n, l>6 ^vers siolc or voll. Witlr blor-z ok trnmx cruel tlrump ok arna Jus tsIlo^soläLors oomo, ?lreir dslms bciäoolct vakafn bouZIis, Ibo^ sssks tueir IcmA'et-lor Iromc: etc öde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/295>, abgerufen am 24.08.2024.