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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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es handelt sich hier nicht einmal um Vorurtheile, sondern um eine ganz
richtige Würdigung thatsächlicher Verhältnisse und tief eingewurzelter, wohl¬
berechtigter Empfindungen -- Rechnung getragen werden muß. wird darauf
denken müssen, wie es möglich sei, gesonderte Hochschulen für Frauen in's
Leben zu rufen. Bei der großen Schwierigkeit eines solchen Unternehmens
ließe sich aber vielleicht vorläufig durch Einrichtung besonderer Frauencurse
an bestehenden Hochschulen helfen. Die meisten unserer Hochschulen leiden
in manchen Fächern eher an einem Ueberfluß wie an Mangelan Lehrkräften,
und es dürfte nicht zu schwierig sein, dafür zu sorgen, daß in jedem
Semester die nämlichen Vorlesungen, natürlich von verschiedenen Docenten,
zweimal, einmal für die männlichen und dann für die weiblichen Studenten
gehalten werden; auch die Sammlungen und sonstigen Lehrmittel den letzteren
zugänglich zu machen, wird nicht unmöglich sein. Gutem Willen und
richtigem Verständniß sind schon weit schwierigere organisatorische Auf¬
gaben gelungen. --

Was die höheren Kunstanstalten anbelangt so sind dieselben schon
jetzt meistentheils auch Frauen zugänglich, wie denn überhaupt auf dem Ge¬
biete der Kunst die Gleichberechtigung der Frauen überall am frühesten an¬
erkannt worden ist. --

Fasse ich das Ergebniß der vorstehenden Erörterungen in aller Kürze
zusammen, so komme ich zu folgenden Sätzen:

1) Da den Frauen der Zutritt zu allen Berufs g ruppen zu eröffnen
ist, muß ihnen auch Gelegenheit zur Vorbildung für alle ver¬
schafft werden.

2) Schon die Elementarschule kann durch die Einführung des Hand¬
arbeitsunterrichtes sachlich vorbereitend wirken.

3) Für weibliche Personen, welche alsbald nach Absolvirung des Ele¬
mentarunterrichts in einen bestimmten Erwerbsberuf eintreten müssen, sind
Fortbildungsschulen mit der Tendenz, theils den Elementarunterricht
fortzusetzen, theils die Schülerinnen je für die verschiedenen Berufsgruppen
tüchtig zu machen, einzurichten. Dieselben müssen auf dem Lande anders als
in der Stadt eingerichtet, und hier, den verschiedenen sachlichen Bedürfnissen
entsprechend, in verschiedene Classen abgetheilt sein.

4) Für weibliche Personen, welche sich zum selbständigen Kleinbetrieb,
oder für Gehilfenstellungen beim Großbetrieb der Landwirthschaft, des Handels,
eines industriellen "der eines Verkehrsgewerbes ausbilden wollen, bedarf es
der Fachmittel Schulen, welche zwar die allgemein-menschliche Erziehung
nicht vernachlässigen dürfen, aber der zweckmäßigen Vorbereitung für das Fach
das Hauptaugenmerk zuwenden müssen, und an denen für jede zu berück¬
sichtigende Gruppe von Gewerben eine besondere Abtheilung zu errichten ist,


Grenzboten IV. 1869. 29

es handelt sich hier nicht einmal um Vorurtheile, sondern um eine ganz
richtige Würdigung thatsächlicher Verhältnisse und tief eingewurzelter, wohl¬
berechtigter Empfindungen — Rechnung getragen werden muß. wird darauf
denken müssen, wie es möglich sei, gesonderte Hochschulen für Frauen in's
Leben zu rufen. Bei der großen Schwierigkeit eines solchen Unternehmens
ließe sich aber vielleicht vorläufig durch Einrichtung besonderer Frauencurse
an bestehenden Hochschulen helfen. Die meisten unserer Hochschulen leiden
in manchen Fächern eher an einem Ueberfluß wie an Mangelan Lehrkräften,
und es dürfte nicht zu schwierig sein, dafür zu sorgen, daß in jedem
Semester die nämlichen Vorlesungen, natürlich von verschiedenen Docenten,
zweimal, einmal für die männlichen und dann für die weiblichen Studenten
gehalten werden; auch die Sammlungen und sonstigen Lehrmittel den letzteren
zugänglich zu machen, wird nicht unmöglich sein. Gutem Willen und
richtigem Verständniß sind schon weit schwierigere organisatorische Auf¬
gaben gelungen. —

Was die höheren Kunstanstalten anbelangt so sind dieselben schon
jetzt meistentheils auch Frauen zugänglich, wie denn überhaupt auf dem Ge¬
biete der Kunst die Gleichberechtigung der Frauen überall am frühesten an¬
erkannt worden ist. —

Fasse ich das Ergebniß der vorstehenden Erörterungen in aller Kürze
zusammen, so komme ich zu folgenden Sätzen:

1) Da den Frauen der Zutritt zu allen Berufs g ruppen zu eröffnen
ist, muß ihnen auch Gelegenheit zur Vorbildung für alle ver¬
schafft werden.

2) Schon die Elementarschule kann durch die Einführung des Hand¬
arbeitsunterrichtes sachlich vorbereitend wirken.

3) Für weibliche Personen, welche alsbald nach Absolvirung des Ele¬
mentarunterrichts in einen bestimmten Erwerbsberuf eintreten müssen, sind
Fortbildungsschulen mit der Tendenz, theils den Elementarunterricht
fortzusetzen, theils die Schülerinnen je für die verschiedenen Berufsgruppen
tüchtig zu machen, einzurichten. Dieselben müssen auf dem Lande anders als
in der Stadt eingerichtet, und hier, den verschiedenen sachlichen Bedürfnissen
entsprechend, in verschiedene Classen abgetheilt sein.

4) Für weibliche Personen, welche sich zum selbständigen Kleinbetrieb,
oder für Gehilfenstellungen beim Großbetrieb der Landwirthschaft, des Handels,
eines industriellen «der eines Verkehrsgewerbes ausbilden wollen, bedarf es
der Fachmittel Schulen, welche zwar die allgemein-menschliche Erziehung
nicht vernachlässigen dürfen, aber der zweckmäßigen Vorbereitung für das Fach
das Hauptaugenmerk zuwenden müssen, und an denen für jede zu berück¬
sichtigende Gruppe von Gewerben eine besondere Abtheilung zu errichten ist,


Grenzboten IV. 1869. 29
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[0233] es handelt sich hier nicht einmal um Vorurtheile, sondern um eine ganz richtige Würdigung thatsächlicher Verhältnisse und tief eingewurzelter, wohl¬ berechtigter Empfindungen — Rechnung getragen werden muß. wird darauf denken müssen, wie es möglich sei, gesonderte Hochschulen für Frauen in's Leben zu rufen. Bei der großen Schwierigkeit eines solchen Unternehmens ließe sich aber vielleicht vorläufig durch Einrichtung besonderer Frauencurse an bestehenden Hochschulen helfen. Die meisten unserer Hochschulen leiden in manchen Fächern eher an einem Ueberfluß wie an Mangelan Lehrkräften, und es dürfte nicht zu schwierig sein, dafür zu sorgen, daß in jedem Semester die nämlichen Vorlesungen, natürlich von verschiedenen Docenten, zweimal, einmal für die männlichen und dann für die weiblichen Studenten gehalten werden; auch die Sammlungen und sonstigen Lehrmittel den letzteren zugänglich zu machen, wird nicht unmöglich sein. Gutem Willen und richtigem Verständniß sind schon weit schwierigere organisatorische Auf¬ gaben gelungen. — Was die höheren Kunstanstalten anbelangt so sind dieselben schon jetzt meistentheils auch Frauen zugänglich, wie denn überhaupt auf dem Ge¬ biete der Kunst die Gleichberechtigung der Frauen überall am frühesten an¬ erkannt worden ist. — Fasse ich das Ergebniß der vorstehenden Erörterungen in aller Kürze zusammen, so komme ich zu folgenden Sätzen: 1) Da den Frauen der Zutritt zu allen Berufs g ruppen zu eröffnen ist, muß ihnen auch Gelegenheit zur Vorbildung für alle ver¬ schafft werden. 2) Schon die Elementarschule kann durch die Einführung des Hand¬ arbeitsunterrichtes sachlich vorbereitend wirken. 3) Für weibliche Personen, welche alsbald nach Absolvirung des Ele¬ mentarunterrichts in einen bestimmten Erwerbsberuf eintreten müssen, sind Fortbildungsschulen mit der Tendenz, theils den Elementarunterricht fortzusetzen, theils die Schülerinnen je für die verschiedenen Berufsgruppen tüchtig zu machen, einzurichten. Dieselben müssen auf dem Lande anders als in der Stadt eingerichtet, und hier, den verschiedenen sachlichen Bedürfnissen entsprechend, in verschiedene Classen abgetheilt sein. 4) Für weibliche Personen, welche sich zum selbständigen Kleinbetrieb, oder für Gehilfenstellungen beim Großbetrieb der Landwirthschaft, des Handels, eines industriellen «der eines Verkehrsgewerbes ausbilden wollen, bedarf es der Fachmittel Schulen, welche zwar die allgemein-menschliche Erziehung nicht vernachlässigen dürfen, aber der zweckmäßigen Vorbereitung für das Fach das Hauptaugenmerk zuwenden müssen, und an denen für jede zu berück¬ sichtigende Gruppe von Gewerben eine besondere Abtheilung zu errichten ist, Grenzboten IV. 1869. 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/233>, abgerufen am 15.01.2025.