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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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welche die liberale Seite des Abgeordnetenhauses zu den Eulenburg'schen Vor¬
schlägen genommen, ist diese Annahme mit einer Amendirung von wenigstens
zwei Hauptpunkten gleichbedeutend geworden. Aber auch wenn man die
Nothwendigkeit positiver Garantien für die Bildung levens- und leistungs-
fähiger Amtsbezirke vollständig anerkennt und wenn man der Meinung ist, daß
die Ehrenämter entsprechend der Struktur unseres deutschen ländlichen Lebens,
zwischen großen und mittleren Grundbesitzern getheilt werden müssen, wird
man sich des Kopfschüttelns über die Art und Weise kaum erwehren können,
in welcher die Vorberathung dieses Gesetzentwurfs im Abgeordnetenhause vor
sich gegangen ist. Nachdem von Seiten der liberalen Partei und der zu
dieser stehenden Presse wiederholt und nachdrücklich anerkannt worden war, daß
der neue Entwurf nicht nur seine sämmtlichen Vorgänger, sondern auch die
Erwartungen übertreffe, mit welchen demselben entgegen gesehen worden, nach
dem selbst verschiedene Führer der Fortschrittspartei diesem Urtheil zuge¬
stimmt hatten, mußte es in hohem Grade überraschen, daß die General-
Debatte schon am zweiten Tage eine Wendung nahm, die eigentlich den
Eindruck machte, der Mittelpartei sei mehr an dem Scheitern, als an der
Annahme der Vorlage gelegen, und dieselbe habe in dieser Frage ein größeres
Interesse an der Uebereinstimmung mit der Demokratie, als an der Ueber¬
einstimmung mit sich selbst. Nichts konnte unserer Meinung nach unge¬
schickter sein, als dem Entgegenkommen, das der Minister durch seine Bereit¬
schaft zu Abänderungen bewies, die Versicherung entgegen zu setzen: die liberale
Partei könne warten und habe allen Grund die Jnconvenienzen des gegen¬
wärtigen Zustandes einem weitergehenden Compromiß vorzuziehen. Ebenso
unzweckmäßig war es, daß die Nothwendigkeit der Zulassung des mittleren
Grundbesitzes zu den Ehrenämtern nicht mit ihrem wahren Namen genannt
und genau umschrieben, sondern statt dessen ganz allgemein auf die Noth¬
wendigkeit demokratischer Institutionen provocirt wurde. Der Abgeordnete
Laster scheint die Nothwendigkeit, Mißverständnissen über seine Ausdrucksweise
und deren Tragweite vorzubeugen, hinterher selbst anerkannt zu haben, denn er
verwahrte sich nachträglich gegen falsche Schlußfolgerungen, die aus seiner
Rede gezogen werden könnten. Damit war der Eindruck derselben aber nicht
verwischt und die Art und Weise, in welcher Graf Eulenburg am dritten Tage
der Debatte replicirte, bewies nur zu deutlich, daß der angeschlagene Ton
eine Verständigung erschwert und nicht erleichtert habe. Uns will be-
dünken, dieser Ton habe ebensowenig dem Zweck, auf den es abgesehen war,
wie der Stimmung der national-liberalen Partei entsprochen. Ein Zusam¬
mengehen mit den übrigen Mittelparteien von vornherein abzuschneiden
oder zu erschweren, kann in der Absicht dieser Partei um so weniger gelegen


welche die liberale Seite des Abgeordnetenhauses zu den Eulenburg'schen Vor¬
schlägen genommen, ist diese Annahme mit einer Amendirung von wenigstens
zwei Hauptpunkten gleichbedeutend geworden. Aber auch wenn man die
Nothwendigkeit positiver Garantien für die Bildung levens- und leistungs-
fähiger Amtsbezirke vollständig anerkennt und wenn man der Meinung ist, daß
die Ehrenämter entsprechend der Struktur unseres deutschen ländlichen Lebens,
zwischen großen und mittleren Grundbesitzern getheilt werden müssen, wird
man sich des Kopfschüttelns über die Art und Weise kaum erwehren können,
in welcher die Vorberathung dieses Gesetzentwurfs im Abgeordnetenhause vor
sich gegangen ist. Nachdem von Seiten der liberalen Partei und der zu
dieser stehenden Presse wiederholt und nachdrücklich anerkannt worden war, daß
der neue Entwurf nicht nur seine sämmtlichen Vorgänger, sondern auch die
Erwartungen übertreffe, mit welchen demselben entgegen gesehen worden, nach
dem selbst verschiedene Führer der Fortschrittspartei diesem Urtheil zuge¬
stimmt hatten, mußte es in hohem Grade überraschen, daß die General-
Debatte schon am zweiten Tage eine Wendung nahm, die eigentlich den
Eindruck machte, der Mittelpartei sei mehr an dem Scheitern, als an der
Annahme der Vorlage gelegen, und dieselbe habe in dieser Frage ein größeres
Interesse an der Uebereinstimmung mit der Demokratie, als an der Ueber¬
einstimmung mit sich selbst. Nichts konnte unserer Meinung nach unge¬
schickter sein, als dem Entgegenkommen, das der Minister durch seine Bereit¬
schaft zu Abänderungen bewies, die Versicherung entgegen zu setzen: die liberale
Partei könne warten und habe allen Grund die Jnconvenienzen des gegen¬
wärtigen Zustandes einem weitergehenden Compromiß vorzuziehen. Ebenso
unzweckmäßig war es, daß die Nothwendigkeit der Zulassung des mittleren
Grundbesitzes zu den Ehrenämtern nicht mit ihrem wahren Namen genannt
und genau umschrieben, sondern statt dessen ganz allgemein auf die Noth¬
wendigkeit demokratischer Institutionen provocirt wurde. Der Abgeordnete
Laster scheint die Nothwendigkeit, Mißverständnissen über seine Ausdrucksweise
und deren Tragweite vorzubeugen, hinterher selbst anerkannt zu haben, denn er
verwahrte sich nachträglich gegen falsche Schlußfolgerungen, die aus seiner
Rede gezogen werden könnten. Damit war der Eindruck derselben aber nicht
verwischt und die Art und Weise, in welcher Graf Eulenburg am dritten Tage
der Debatte replicirte, bewies nur zu deutlich, daß der angeschlagene Ton
eine Verständigung erschwert und nicht erleichtert habe. Uns will be-
dünken, dieser Ton habe ebensowenig dem Zweck, auf den es abgesehen war,
wie der Stimmung der national-liberalen Partei entsprochen. Ein Zusam¬
mengehen mit den übrigen Mittelparteien von vornherein abzuschneiden
oder zu erschweren, kann in der Absicht dieser Partei um so weniger gelegen


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[0206] welche die liberale Seite des Abgeordnetenhauses zu den Eulenburg'schen Vor¬ schlägen genommen, ist diese Annahme mit einer Amendirung von wenigstens zwei Hauptpunkten gleichbedeutend geworden. Aber auch wenn man die Nothwendigkeit positiver Garantien für die Bildung levens- und leistungs- fähiger Amtsbezirke vollständig anerkennt und wenn man der Meinung ist, daß die Ehrenämter entsprechend der Struktur unseres deutschen ländlichen Lebens, zwischen großen und mittleren Grundbesitzern getheilt werden müssen, wird man sich des Kopfschüttelns über die Art und Weise kaum erwehren können, in welcher die Vorberathung dieses Gesetzentwurfs im Abgeordnetenhause vor sich gegangen ist. Nachdem von Seiten der liberalen Partei und der zu dieser stehenden Presse wiederholt und nachdrücklich anerkannt worden war, daß der neue Entwurf nicht nur seine sämmtlichen Vorgänger, sondern auch die Erwartungen übertreffe, mit welchen demselben entgegen gesehen worden, nach dem selbst verschiedene Führer der Fortschrittspartei diesem Urtheil zuge¬ stimmt hatten, mußte es in hohem Grade überraschen, daß die General- Debatte schon am zweiten Tage eine Wendung nahm, die eigentlich den Eindruck machte, der Mittelpartei sei mehr an dem Scheitern, als an der Annahme der Vorlage gelegen, und dieselbe habe in dieser Frage ein größeres Interesse an der Uebereinstimmung mit der Demokratie, als an der Ueber¬ einstimmung mit sich selbst. Nichts konnte unserer Meinung nach unge¬ schickter sein, als dem Entgegenkommen, das der Minister durch seine Bereit¬ schaft zu Abänderungen bewies, die Versicherung entgegen zu setzen: die liberale Partei könne warten und habe allen Grund die Jnconvenienzen des gegen¬ wärtigen Zustandes einem weitergehenden Compromiß vorzuziehen. Ebenso unzweckmäßig war es, daß die Nothwendigkeit der Zulassung des mittleren Grundbesitzes zu den Ehrenämtern nicht mit ihrem wahren Namen genannt und genau umschrieben, sondern statt dessen ganz allgemein auf die Noth¬ wendigkeit demokratischer Institutionen provocirt wurde. Der Abgeordnete Laster scheint die Nothwendigkeit, Mißverständnissen über seine Ausdrucksweise und deren Tragweite vorzubeugen, hinterher selbst anerkannt zu haben, denn er verwahrte sich nachträglich gegen falsche Schlußfolgerungen, die aus seiner Rede gezogen werden könnten. Damit war der Eindruck derselben aber nicht verwischt und die Art und Weise, in welcher Graf Eulenburg am dritten Tage der Debatte replicirte, bewies nur zu deutlich, daß der angeschlagene Ton eine Verständigung erschwert und nicht erleichtert habe. Uns will be- dünken, dieser Ton habe ebensowenig dem Zweck, auf den es abgesehen war, wie der Stimmung der national-liberalen Partei entsprochen. Ein Zusam¬ mengehen mit den übrigen Mittelparteien von vornherein abzuschneiden oder zu erschweren, kann in der Absicht dieser Partei um so weniger gelegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/206>, abgerufen am 22.07.2024.