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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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feindselige Haltung ^Napoleons, freilich in sehr abgeschwächten Propor¬
tionen. Nach der Katastrophe von Mendana nun fand der unglückliche
Conferenzvorschlag Moustiers, der darauf hinauslief, den Kirchenstaat italie¬
nischen Gelüsten gegenüber unter die Garantie der Großmächte zu stellen,
nur an Graf Beust einen eifrigen Anhänger; und General Menevrea, der
inzwischen Rattazzis Nachfolger geworden war, der warme Partisan Frank¬
reichs und Oestreichs, sah sich jetzt in der seltsamen Lage, zur Abwendung jener
Gefahr sich auf Preußen und England zu stützen. Der allerdings ebenso
natürliche als fromme Wunsch, Angesichts der Aushebung des Concordats
in Oestreich und der Confessionsgesetze die Curie bei guter Laune zu erhalten,
wirkte in der Folge gleichmäßig auf Beust's Politik Italien gegenüber
bestimmend ein. Noch im Sommer 1868 hielt er dem zürnenden Papst in
einer Depesche vor, welchen Antheil die Fürbitte Franz Josephs bei seinem
Besuch in Paris an der Erhaltung des französischen Occupationscorps in
Rom gehabt habe, ja er war unvorsichtig genug, diese Depesche dem Roth¬
buch einzuverleiben. Man kann denken, welche Entrüstung dieser östreichische
Freundschaftsdienst in ganz Italien hervorrief; auch die Regierung zeigte
eine um so tiefere Verstimmung, als Beust über denselben Punkt durch den
Mund seines Vertreters in Florenz eine ganz andere Sprache geführt hatte.
Schon damals machte der schreibselige Minister die Erfahrung, daß Roth¬
bücher zweischneidige oder zweizüngige Schwerter sind.

Doppelt überraschend war nach solchen Vorgängen der Umschwung, wel¬
cher in diesem Frühjahr eintrat und sich zunächst in einem Kreuzfeuer von
Artigkeiten charakterisirte. Treu der bisherigen Tradition war es auch dies¬
mal wieder eine persönliche Annäherung der beiden Herrscher, der die Minister
anscheinend fremd blieben. Victor Emmanuel benutzte die Reise Franz Josefs
in die südlichen Provinzen des Kaiserstaats, um ihm durch den General della
Rocca einen schriftlichen Gruß nach Trjest zu schicken, den der Kaiser sofort
durch ein von FML. Möring überbrachtes Handschreiben erwiederte. Der
König replicirte mit Sendung seines Adjutanten de Sonnaz nach Wien.
Gleich darauf überbrachte der auf seinen Posten zurückkehrende kaiserliche Ge¬
sandte in Florenz, Baron Kübeck, dem König und Kronprinzen östreichische
Decorationen und die Einladung nach Wien oder Prag, die indessen wegen
Ceremoniellschwierigkeiten -- so hieß es -- aussichtslos blieb. Die Hoskreise
folgten dem gegebenen Signal; die Erzherzöge erschienen auf kaiserliche Wei¬
sung bei dem Diner des Marquis Pepoli und der Telegraph beeilte sich, das
erfreuliche Ereigniß den Völkern zu melden. In Florenz kamen die Oestreicher
in Mode, und der Minister Minghetti hielt kurz nach seinem Eintritt in das
neuconstruirte Cabinet bei einem Diner dem stato moävUo Oestreich eine
feurige Lobrede. Schließlich signalisirte die erwähnte Beust'sche Depesche die


feindselige Haltung ^Napoleons, freilich in sehr abgeschwächten Propor¬
tionen. Nach der Katastrophe von Mendana nun fand der unglückliche
Conferenzvorschlag Moustiers, der darauf hinauslief, den Kirchenstaat italie¬
nischen Gelüsten gegenüber unter die Garantie der Großmächte zu stellen,
nur an Graf Beust einen eifrigen Anhänger; und General Menevrea, der
inzwischen Rattazzis Nachfolger geworden war, der warme Partisan Frank¬
reichs und Oestreichs, sah sich jetzt in der seltsamen Lage, zur Abwendung jener
Gefahr sich auf Preußen und England zu stützen. Der allerdings ebenso
natürliche als fromme Wunsch, Angesichts der Aushebung des Concordats
in Oestreich und der Confessionsgesetze die Curie bei guter Laune zu erhalten,
wirkte in der Folge gleichmäßig auf Beust's Politik Italien gegenüber
bestimmend ein. Noch im Sommer 1868 hielt er dem zürnenden Papst in
einer Depesche vor, welchen Antheil die Fürbitte Franz Josephs bei seinem
Besuch in Paris an der Erhaltung des französischen Occupationscorps in
Rom gehabt habe, ja er war unvorsichtig genug, diese Depesche dem Roth¬
buch einzuverleiben. Man kann denken, welche Entrüstung dieser östreichische
Freundschaftsdienst in ganz Italien hervorrief; auch die Regierung zeigte
eine um so tiefere Verstimmung, als Beust über denselben Punkt durch den
Mund seines Vertreters in Florenz eine ganz andere Sprache geführt hatte.
Schon damals machte der schreibselige Minister die Erfahrung, daß Roth¬
bücher zweischneidige oder zweizüngige Schwerter sind.

Doppelt überraschend war nach solchen Vorgängen der Umschwung, wel¬
cher in diesem Frühjahr eintrat und sich zunächst in einem Kreuzfeuer von
Artigkeiten charakterisirte. Treu der bisherigen Tradition war es auch dies¬
mal wieder eine persönliche Annäherung der beiden Herrscher, der die Minister
anscheinend fremd blieben. Victor Emmanuel benutzte die Reise Franz Josefs
in die südlichen Provinzen des Kaiserstaats, um ihm durch den General della
Rocca einen schriftlichen Gruß nach Trjest zu schicken, den der Kaiser sofort
durch ein von FML. Möring überbrachtes Handschreiben erwiederte. Der
König replicirte mit Sendung seines Adjutanten de Sonnaz nach Wien.
Gleich darauf überbrachte der auf seinen Posten zurückkehrende kaiserliche Ge¬
sandte in Florenz, Baron Kübeck, dem König und Kronprinzen östreichische
Decorationen und die Einladung nach Wien oder Prag, die indessen wegen
Ceremoniellschwierigkeiten — so hieß es — aussichtslos blieb. Die Hoskreise
folgten dem gegebenen Signal; die Erzherzöge erschienen auf kaiserliche Wei¬
sung bei dem Diner des Marquis Pepoli und der Telegraph beeilte sich, das
erfreuliche Ereigniß den Völkern zu melden. In Florenz kamen die Oestreicher
in Mode, und der Minister Minghetti hielt kurz nach seinem Eintritt in das
neuconstruirte Cabinet bei einem Diner dem stato moävUo Oestreich eine
feurige Lobrede. Schließlich signalisirte die erwähnte Beust'sche Depesche die


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[0162] feindselige Haltung ^Napoleons, freilich in sehr abgeschwächten Propor¬ tionen. Nach der Katastrophe von Mendana nun fand der unglückliche Conferenzvorschlag Moustiers, der darauf hinauslief, den Kirchenstaat italie¬ nischen Gelüsten gegenüber unter die Garantie der Großmächte zu stellen, nur an Graf Beust einen eifrigen Anhänger; und General Menevrea, der inzwischen Rattazzis Nachfolger geworden war, der warme Partisan Frank¬ reichs und Oestreichs, sah sich jetzt in der seltsamen Lage, zur Abwendung jener Gefahr sich auf Preußen und England zu stützen. Der allerdings ebenso natürliche als fromme Wunsch, Angesichts der Aushebung des Concordats in Oestreich und der Confessionsgesetze die Curie bei guter Laune zu erhalten, wirkte in der Folge gleichmäßig auf Beust's Politik Italien gegenüber bestimmend ein. Noch im Sommer 1868 hielt er dem zürnenden Papst in einer Depesche vor, welchen Antheil die Fürbitte Franz Josephs bei seinem Besuch in Paris an der Erhaltung des französischen Occupationscorps in Rom gehabt habe, ja er war unvorsichtig genug, diese Depesche dem Roth¬ buch einzuverleiben. Man kann denken, welche Entrüstung dieser östreichische Freundschaftsdienst in ganz Italien hervorrief; auch die Regierung zeigte eine um so tiefere Verstimmung, als Beust über denselben Punkt durch den Mund seines Vertreters in Florenz eine ganz andere Sprache geführt hatte. Schon damals machte der schreibselige Minister die Erfahrung, daß Roth¬ bücher zweischneidige oder zweizüngige Schwerter sind. Doppelt überraschend war nach solchen Vorgängen der Umschwung, wel¬ cher in diesem Frühjahr eintrat und sich zunächst in einem Kreuzfeuer von Artigkeiten charakterisirte. Treu der bisherigen Tradition war es auch dies¬ mal wieder eine persönliche Annäherung der beiden Herrscher, der die Minister anscheinend fremd blieben. Victor Emmanuel benutzte die Reise Franz Josefs in die südlichen Provinzen des Kaiserstaats, um ihm durch den General della Rocca einen schriftlichen Gruß nach Trjest zu schicken, den der Kaiser sofort durch ein von FML. Möring überbrachtes Handschreiben erwiederte. Der König replicirte mit Sendung seines Adjutanten de Sonnaz nach Wien. Gleich darauf überbrachte der auf seinen Posten zurückkehrende kaiserliche Ge¬ sandte in Florenz, Baron Kübeck, dem König und Kronprinzen östreichische Decorationen und die Einladung nach Wien oder Prag, die indessen wegen Ceremoniellschwierigkeiten — so hieß es — aussichtslos blieb. Die Hoskreise folgten dem gegebenen Signal; die Erzherzöge erschienen auf kaiserliche Wei¬ sung bei dem Diner des Marquis Pepoli und der Telegraph beeilte sich, das erfreuliche Ereigniß den Völkern zu melden. In Florenz kamen die Oestreicher in Mode, und der Minister Minghetti hielt kurz nach seinem Eintritt in das neuconstruirte Cabinet bei einem Diner dem stato moävUo Oestreich eine feurige Lobrede. Schließlich signalisirte die erwähnte Beust'sche Depesche die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/162>, abgerufen am 26.06.2024.