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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Die Eisenbahngesellschaft wird durch etwa drei oder vier vertreten, von denen der
erste ein enormes Honorar bezieht während alle reichlich bezahlt werden. Tech¬
niker, welche ansehnliche Besoldung erhalten, auch eine Menge anderer Sachver¬
ständigen werden zugezogen, und nachdem alle Parteien ihre Sache verfochten
haben und der Anwalt der Antragsteller gehört ist, gibt die Commission ihre
Entscheidung ab. Wenn sie erklärt, daß die Vorbedingungen nicht nach¬
gewiesen seien, fällt die Bill, und ihre Petenten habe eine Masse Geld um¬
sonst ausgegeben. Wenn sie erklärt, daß die Vorbedingungen nachgewiesen
seien (ddo pröÄmdls is provsä), so zieht sie die einzelnen Bestimmungen in
Erwägung und legt für diese specielle Linie specielle Bedingungen auf, welche auf
den Schutz von Interessen abzielen, deren Berücksichtigung sich durch die Ver¬
handlungen als wünschenswerth herausgestellt hat und besondere Erleichterungen
zum gemeinen Besten gewähren sollen. Diese Bedingungen werden oft von
den Antragstellern zugestanden, um den Rückzug der Opposition zu ver¬
anlassen; fernere Bedingungen, den Leg-mains ol-cierf entnommen, werden
allen Bills zugesetzt, z. B. daß keine Gesellschaft autorisire ist. mehr als
ein Dritttheil ihres Anlagecapitals auf dem Wege der Anleihe zu beschaffen,
oder auch nur das Geringste von der gestatteten Anleihe zu effectuiren, ehe
50 Procent des ganzen Capitals baar eingezahlt sind, oder vorher Zinsen aus
dem Capitale zu bezahlen -- Einschränkungen, die oft nicht eingehalten werden.
In jenen Orders stehen ferner Bestimmungen gegen das Kreuzen öffentlicher
Straßen auf der Ebene; man zwingt die Gesellschaften in der Regel, die
Straße mit einem Tunnel zu unterbauen oder mit einer Brücke zu über¬
schreiten; Eisenbahngesellschaften dürfen nicht zugleich Eigenthümer von Docks
oder Dampfbooten sein, wenn nicht die Commission ausdrücklich die Erlaub¬
niß dazu beantragt. Die Commission fixirt ferner die Abgaben und das
Maximum des Tarifs für die projectirte Linie und die Termine, bis zu welchen
der Bau begonnen und beendet werden muß.

Wenn die Bill die Commission passirr hat, geht sie wieder zurück an
das Plenum und für das eine Haus sind ihre Wehen in der Regel vorüber.
Zuweilen wird noch bei der dritten Lesung erfolgreich opponire. Diese Oppo¬
sition aber, wie auch die gegen die zweite Lesung und jede im Parlamente
selbst nicht vor den lisköregs oder der Commission sich erhebende, stützt sich
wenigstens in den meisten Fällen auf öffentliche, nicht auf private Motive.

Die Bill geht nun weiter ans Oberhaus, wo sie fast ganz denselben
Proceß durchzumachen hat. Es muß nachgewiesen werden, daß die Be¬
dingungen der LttmäinA orclers erfüllt sind, und in gewissen Fällen muß
eine besondere Versammlung der Actieninhaber die Vorlage nochmals be¬
stätigen, nachdem dieselbe das eine Haus passirt hat und nunmehr die Ver¬
handlung in dem anderen erwartet. Im Oberhause gibt es keine RLtsrees


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Die Eisenbahngesellschaft wird durch etwa drei oder vier vertreten, von denen der
erste ein enormes Honorar bezieht während alle reichlich bezahlt werden. Tech¬
niker, welche ansehnliche Besoldung erhalten, auch eine Menge anderer Sachver¬
ständigen werden zugezogen, und nachdem alle Parteien ihre Sache verfochten
haben und der Anwalt der Antragsteller gehört ist, gibt die Commission ihre
Entscheidung ab. Wenn sie erklärt, daß die Vorbedingungen nicht nach¬
gewiesen seien, fällt die Bill, und ihre Petenten habe eine Masse Geld um¬
sonst ausgegeben. Wenn sie erklärt, daß die Vorbedingungen nachgewiesen
seien (ddo pröÄmdls is provsä), so zieht sie die einzelnen Bestimmungen in
Erwägung und legt für diese specielle Linie specielle Bedingungen auf, welche auf
den Schutz von Interessen abzielen, deren Berücksichtigung sich durch die Ver¬
handlungen als wünschenswerth herausgestellt hat und besondere Erleichterungen
zum gemeinen Besten gewähren sollen. Diese Bedingungen werden oft von
den Antragstellern zugestanden, um den Rückzug der Opposition zu ver¬
anlassen; fernere Bedingungen, den Leg-mains ol-cierf entnommen, werden
allen Bills zugesetzt, z. B. daß keine Gesellschaft autorisire ist. mehr als
ein Dritttheil ihres Anlagecapitals auf dem Wege der Anleihe zu beschaffen,
oder auch nur das Geringste von der gestatteten Anleihe zu effectuiren, ehe
50 Procent des ganzen Capitals baar eingezahlt sind, oder vorher Zinsen aus
dem Capitale zu bezahlen — Einschränkungen, die oft nicht eingehalten werden.
In jenen Orders stehen ferner Bestimmungen gegen das Kreuzen öffentlicher
Straßen auf der Ebene; man zwingt die Gesellschaften in der Regel, die
Straße mit einem Tunnel zu unterbauen oder mit einer Brücke zu über¬
schreiten; Eisenbahngesellschaften dürfen nicht zugleich Eigenthümer von Docks
oder Dampfbooten sein, wenn nicht die Commission ausdrücklich die Erlaub¬
niß dazu beantragt. Die Commission fixirt ferner die Abgaben und das
Maximum des Tarifs für die projectirte Linie und die Termine, bis zu welchen
der Bau begonnen und beendet werden muß.

Wenn die Bill die Commission passirr hat, geht sie wieder zurück an
das Plenum und für das eine Haus sind ihre Wehen in der Regel vorüber.
Zuweilen wird noch bei der dritten Lesung erfolgreich opponire. Diese Oppo¬
sition aber, wie auch die gegen die zweite Lesung und jede im Parlamente
selbst nicht vor den lisköregs oder der Commission sich erhebende, stützt sich
wenigstens in den meisten Fällen auf öffentliche, nicht auf private Motive.

Die Bill geht nun weiter ans Oberhaus, wo sie fast ganz denselben
Proceß durchzumachen hat. Es muß nachgewiesen werden, daß die Be¬
dingungen der LttmäinA orclers erfüllt sind, und in gewissen Fällen muß
eine besondere Versammlung der Actieninhaber die Vorlage nochmals be¬
stätigen, nachdem dieselbe das eine Haus passirt hat und nunmehr die Ver¬
handlung in dem anderen erwartet. Im Oberhause gibt es keine RLtsrees


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/43>, abgerufen am 22.07.2024.