Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.lichen, im Grunde mit uns; die ganze Synodalberufung ist ihr nur von lichen, im Grunde mit uns; die ganze Synodalberufung ist ihr nur von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0419" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121640"/> <p xml:id="ID_1288" prev="#ID_1287" next="#ID_1289"> lichen, im Grunde mit uns; die ganze Synodalberufung ist ihr nur von<lb/> der Kammer aufgezwungen worden, weigern wir uns, auf sie einzugehen,<lb/> so wird aus der ganzen Geschichte nichts. Auch die Pastoren, welche für Pres-<lb/> byterial- und Synodalverfassung sind, raisonniren theilweise nicht viel anders.<lb/> „Sehen Sie", sagte mir neulich ein alter Pastor, „wir sind ganz von den<lb/> Consistorien abhängig; ist das Gesammtconsistorium errichtet, so wird das<lb/> vorläufig nicht besser. Nun werden gewiß die rennenden Superintendenten<lb/> u. s. w. doch schließlich ein Mal Mitglieder dieser Behörde, deren Vorstand<lb/> allein ein Altpreuße ist, welcher vielleicht über kurz oder lang versetzt wer¬<lb/> den wird. Glauben Sie denn, jene geistlichen Würdenträger würden es mir<lb/> je persönlich verzeihen, wenn ich mich besonders lebhaft gegen sie erklärt hätte<lb/> und mit der Regierung gegangen wäre?" Die Regierung mag an diesen<lb/> überzeugungstreuen Seelenhirten nicht viel verloren haben. Aber man soll<lb/> arme Leute, die bei 400—600 Thaler Gehalt ihre Söhne gern studiren<lb/> lassen möchten, doch auch nicht zu hart beurtheilen. Soviel steht fest, daß<lb/> durch dieses jahrelange Hin- und Herlaviren der Regierung der Glaube an<lb/> den Ernst des Cultuswinisteriums bei Vielen verloren gegangen ist. Wer<lb/> kennt auch hier zu Lande die ewigen Reibereien zwischen dem Cultusministe¬<lb/> rium und dem Oberkirchenrathe, und wenn man sie genauer kennte, so würde<lb/> daraus doch noch nicht folgern, daß das Cultusministerium jetzt entschlossen sei,<lb/> energisch durchzugreifen, nachdem einmal die Sachen so weit gediehen sind. —<lb/> Und weit genug sind sie gediehen! Durch einen königlichen Erlaß ist die<lb/> Berufung einer außerordentlichen Synode für den Regierungsbezirk Kassel<lb/> angeordnet worden. Die Geistlichkeit soll in dieser Vorsynode, der die Re¬<lb/> gierung ihre Vorlagen über Einführung einer Preebyterial- und Synodal¬<lb/> verfassung ze. machen will, eben so stark als die Laienschaft vertreten sein, nämlich<lb/> durch je 44 Deputirte. Außerdem nehmen an derselben die sechs Super¬<lb/> intendenten^ des Landes Theil und weitere sechs Mitglieder, darunter zwei<lb/> Professoren der Theologie, werden von der Regierung ernannt. Man sieht,<lb/> die Geistlichkeit hat bei dieser Composition der Synode die Majorität un¬<lb/> bedingt auf ihrer Seite, und man sollte glauben, sie werde der Regierung,<lb/> die solches auf Grund der Vorlagen der Kirchencommissionen von 1831<lb/> und 48 und mit Berücksichtigung der Zusammensetzung der seit mehr als<lb/> zwei Jahrhunderten nicht zusammengetretenen althessischem Generalsynoden<lb/> angeordnet hatte, dafür dankbar sein und ihr willig entgegen kommen. Aber<lb/> das Gegentheil ist geschehen. Unsere Geistlichen, die gewohnt waren, sich<lb/> orthodoxer zu geberden als die Kirchenordnung und die dann sicher sein konn¬<lb/> ten, als große Kirchenlichter befördert zu werden, wissen recht gut, daß, je<lb/> ungeberdiger sie sich anstellen und je einsichtsloser sie dem Bewußtsein des<lb/> gebildeten Theiles der Laienwelt ins Gesicht schlagen, sie nicht nur ungestraft</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0419]
lichen, im Grunde mit uns; die ganze Synodalberufung ist ihr nur von
der Kammer aufgezwungen worden, weigern wir uns, auf sie einzugehen,
so wird aus der ganzen Geschichte nichts. Auch die Pastoren, welche für Pres-
byterial- und Synodalverfassung sind, raisonniren theilweise nicht viel anders.
„Sehen Sie", sagte mir neulich ein alter Pastor, „wir sind ganz von den
Consistorien abhängig; ist das Gesammtconsistorium errichtet, so wird das
vorläufig nicht besser. Nun werden gewiß die rennenden Superintendenten
u. s. w. doch schließlich ein Mal Mitglieder dieser Behörde, deren Vorstand
allein ein Altpreuße ist, welcher vielleicht über kurz oder lang versetzt wer¬
den wird. Glauben Sie denn, jene geistlichen Würdenträger würden es mir
je persönlich verzeihen, wenn ich mich besonders lebhaft gegen sie erklärt hätte
und mit der Regierung gegangen wäre?" Die Regierung mag an diesen
überzeugungstreuen Seelenhirten nicht viel verloren haben. Aber man soll
arme Leute, die bei 400—600 Thaler Gehalt ihre Söhne gern studiren
lassen möchten, doch auch nicht zu hart beurtheilen. Soviel steht fest, daß
durch dieses jahrelange Hin- und Herlaviren der Regierung der Glaube an
den Ernst des Cultuswinisteriums bei Vielen verloren gegangen ist. Wer
kennt auch hier zu Lande die ewigen Reibereien zwischen dem Cultusministe¬
rium und dem Oberkirchenrathe, und wenn man sie genauer kennte, so würde
daraus doch noch nicht folgern, daß das Cultusministerium jetzt entschlossen sei,
energisch durchzugreifen, nachdem einmal die Sachen so weit gediehen sind. —
Und weit genug sind sie gediehen! Durch einen königlichen Erlaß ist die
Berufung einer außerordentlichen Synode für den Regierungsbezirk Kassel
angeordnet worden. Die Geistlichkeit soll in dieser Vorsynode, der die Re¬
gierung ihre Vorlagen über Einführung einer Preebyterial- und Synodal¬
verfassung ze. machen will, eben so stark als die Laienschaft vertreten sein, nämlich
durch je 44 Deputirte. Außerdem nehmen an derselben die sechs Super¬
intendenten^ des Landes Theil und weitere sechs Mitglieder, darunter zwei
Professoren der Theologie, werden von der Regierung ernannt. Man sieht,
die Geistlichkeit hat bei dieser Composition der Synode die Majorität un¬
bedingt auf ihrer Seite, und man sollte glauben, sie werde der Regierung,
die solches auf Grund der Vorlagen der Kirchencommissionen von 1831
und 48 und mit Berücksichtigung der Zusammensetzung der seit mehr als
zwei Jahrhunderten nicht zusammengetretenen althessischem Generalsynoden
angeordnet hatte, dafür dankbar sein und ihr willig entgegen kommen. Aber
das Gegentheil ist geschehen. Unsere Geistlichen, die gewohnt waren, sich
orthodoxer zu geberden als die Kirchenordnung und die dann sicher sein konn¬
ten, als große Kirchenlichter befördert zu werden, wissen recht gut, daß, je
ungeberdiger sie sich anstellen und je einsichtsloser sie dem Bewußtsein des
gebildeten Theiles der Laienwelt ins Gesicht schlagen, sie nicht nur ungestraft
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