Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.Zulässigkeit der von Stroußberg und dem Grafen Lehndorf erbetenen Con¬ Auch in Rußland war vielfach angenommen worden, der seit einigen Zulässigkeit der von Stroußberg und dem Grafen Lehndorf erbetenen Con¬ Auch in Rußland war vielfach angenommen worden, der seit einigen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0362" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121583"/> <p xml:id="ID_1128" prev="#ID_1127"> Zulässigkeit der von Stroußberg und dem Grafen Lehndorf erbetenen Con¬<lb/> cession zur Linie Pinsk-Bialystock entbrannt, welcher einzelne Glieder der Re^<lb/> gierung geneigt sind, während die nationale Partei nichts von derselben<lb/> wissen will und diese „preußische Intrigue" als gefährliche Concurrenz der<lb/> Linie Kowno-Libau bekämpft; die Concession für die besfarabische Eisenbahn<lb/> ist inzwischen vergeben worden, und zwar an einen inländischen Bewerber,<lb/> der wohlfeilere Baubedingungen gemacht hatte, als seine Concurrenten. —<lb/> Der Kampf gegen das Polenthum und die katholische Kirche wird mit<lb/> wechselndem Erfolge weiter geführt. Die römisch-katholische Eparchie von<lb/> Minsk ist ausgehoben und mit der von Wilna verschmolzen worden. Da¬<lb/> gegen ist die bereits in Angriff genommene Einführung der russischen Sprache<lb/> in die katholischen Kirchen Lithauens aus ein neues Hinderniß gestoßen; in<lb/> der elften Stunde hat das Wilnaer Generalgouvernement erklärt, die Pre¬<lb/> digten und Gebete müßten in den Sprachen abgehalten werden, welche in<lb/> den einzelnen Distrikten gesprochen würden, da das Großrussische auf dem<lb/> flachen Lande nur ausnahmsweise verstanden werde. Zunächst sollen die geo¬<lb/> graphischen Grenzen der einzelnen Sprachbezirke festgestellt und dann die be¬<lb/> züglichen Anordnungen getroffen werden. So lebhaft die Moskaner natio¬<lb/> nalen sich auch gegen diesen plötzlichen Umschlag ausgesprochen haben, so ist<lb/> es bei dieser Entscheidung doch zunächst geblieben. Auch im Generalgouverne¬<lb/> ment Kiew liegen die gemäßigte und die entschieden polenfeindliche Richtung<lb/> einander in den Haaren. Der neue Generalgouvemeur Fürst Dundakow-<lb/> Korssakow, der die Interessen des gefährdeten großen Grundbesitzes in<lb/> Schutz zu nehmen versucht hat, wird von der demokratischen Presse als Polen-<lb/> feind verdächtigt. — In den Ostseeprovinzen sind zwei eifrige Russificatoren in<lb/> die Post- und Domainenverwaltung eingeschoben werden; außerdem stehen<lb/> die Errichtung eines russischen Theaters in Riga und die Einführung russischen<lb/> Mathematikunterrichts in den Gymnasien in Aussicht. Die deutsche Peters¬<lb/> burger Zeitung, welche einen Anlauf genommen hatte, um von ihrer Censur¬<lb/> freiheit zu Gunsten der baltisch-deutschen Interessen Gebrauch zu machen, ist<lb/> deswegen verwarnt und aus diese Weise mundtodt gemacht worden. Nichts¬<lb/> destoweniger dauern die russischen Klagen über die Herrschaft des deutschen<lb/> Elements an der Ostsee fort und wird gegen die deutsche Universität Dorpat<lb/> eifrig Sturm gelaufen. — Der durch unverbürgte Gerüchte vielfach über¬<lb/> triebene Kirgisenaufstand an der Grenze Turkestans ist vollständig beigelegt<lb/> worden und die Mehrzahl dieser Nomadenstämme hat sich der neuen büreau-<lb/> kratischen Organisation gefügt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1129" next="#ID_1130"> Auch in Rußland war vielfach angenommen worden, der seit einigen<lb/> Wochen schwebende Conflict zwischen dem Sultan und dem Vice-König von</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0362]
Zulässigkeit der von Stroußberg und dem Grafen Lehndorf erbetenen Con¬
cession zur Linie Pinsk-Bialystock entbrannt, welcher einzelne Glieder der Re^
gierung geneigt sind, während die nationale Partei nichts von derselben
wissen will und diese „preußische Intrigue" als gefährliche Concurrenz der
Linie Kowno-Libau bekämpft; die Concession für die besfarabische Eisenbahn
ist inzwischen vergeben worden, und zwar an einen inländischen Bewerber,
der wohlfeilere Baubedingungen gemacht hatte, als seine Concurrenten. —
Der Kampf gegen das Polenthum und die katholische Kirche wird mit
wechselndem Erfolge weiter geführt. Die römisch-katholische Eparchie von
Minsk ist ausgehoben und mit der von Wilna verschmolzen worden. Da¬
gegen ist die bereits in Angriff genommene Einführung der russischen Sprache
in die katholischen Kirchen Lithauens aus ein neues Hinderniß gestoßen; in
der elften Stunde hat das Wilnaer Generalgouvernement erklärt, die Pre¬
digten und Gebete müßten in den Sprachen abgehalten werden, welche in
den einzelnen Distrikten gesprochen würden, da das Großrussische auf dem
flachen Lande nur ausnahmsweise verstanden werde. Zunächst sollen die geo¬
graphischen Grenzen der einzelnen Sprachbezirke festgestellt und dann die be¬
züglichen Anordnungen getroffen werden. So lebhaft die Moskaner natio¬
nalen sich auch gegen diesen plötzlichen Umschlag ausgesprochen haben, so ist
es bei dieser Entscheidung doch zunächst geblieben. Auch im Generalgouverne¬
ment Kiew liegen die gemäßigte und die entschieden polenfeindliche Richtung
einander in den Haaren. Der neue Generalgouvemeur Fürst Dundakow-
Korssakow, der die Interessen des gefährdeten großen Grundbesitzes in
Schutz zu nehmen versucht hat, wird von der demokratischen Presse als Polen-
feind verdächtigt. — In den Ostseeprovinzen sind zwei eifrige Russificatoren in
die Post- und Domainenverwaltung eingeschoben werden; außerdem stehen
die Errichtung eines russischen Theaters in Riga und die Einführung russischen
Mathematikunterrichts in den Gymnasien in Aussicht. Die deutsche Peters¬
burger Zeitung, welche einen Anlauf genommen hatte, um von ihrer Censur¬
freiheit zu Gunsten der baltisch-deutschen Interessen Gebrauch zu machen, ist
deswegen verwarnt und aus diese Weise mundtodt gemacht worden. Nichts¬
destoweniger dauern die russischen Klagen über die Herrschaft des deutschen
Elements an der Ostsee fort und wird gegen die deutsche Universität Dorpat
eifrig Sturm gelaufen. — Der durch unverbürgte Gerüchte vielfach über¬
triebene Kirgisenaufstand an der Grenze Turkestans ist vollständig beigelegt
worden und die Mehrzahl dieser Nomadenstämme hat sich der neuen büreau-
kratischen Organisation gefügt.
Auch in Rußland war vielfach angenommen worden, der seit einigen
Wochen schwebende Conflict zwischen dem Sultan und dem Vice-König von
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