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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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die Idee, alle Musen an den Nagel zu hängen und statt ein Pfennigseribent
lieber ein reicher Mann zu werden. Und vielleicht wäre es mir geglückt,
Vielleicht hätte ich mich allmälig zu einem rechtschaffenen Butter- oder Kaffee-
und Thee-Verfälscher, wo nicht zu etwas Höherem aufgeschwungen. Ich lag
wirklich schon über den Zeitungsanzeigen, um irgendwo die unterste Sprosse
auf der Leiter der Respectabilität zu entdecken. Aber überall, wo ein künfti¬
ger Alderman in der Gestalt eines Laufburschen, Stiefelputzers oder Kellners
gesucht wurde, da -- Gott segne die englische Gastfreundschaft! -- hieß es
am Schluß: "No >IrisK "sea sxxiz?". (Jrländer -- oder Jrländerinnen
brauchen sich nicht zu melden.) Wie aber, Gentlemen, wenn vor den Kneipen
in Westminster der Werbeossicier sein Seidentüchlein auf die Degenspitze steckt,
wenn er mit den im Zipfel eingebundenen Sovereigns klingelt und laut Pro¬
klamation "einige fixe Jungen für Ihrer Majestät Dienste" sucht, sagt er
auch: "No ^risd useä axpl^?" (Stimme: Er hat so Unrecht nicht.)" Das
läßt er bleiben, nicht wahr? Ah, Ihr seid nicht zu stolz, uns an den fernsten
Enden der Erde als lebendige Schildhalter zu brauchen, uns für Eure hei¬
ligsten Interessen, von der Krone bis zum Kattun, kämpfen zu lassen, als ob
wir leibhaftige Löwen und Einhörner wären, aber daheim, da sind wir nur
fremde Wichte, nicht wahr, nur undankbare Gnadenbrodesser, gefährliche
Nagethiere, im besten Falle Possenreißer und von den Leiden Irlands --
bah! -- jedes eingebildet oder selbstverschuldet. Selbstverschuldet, da steckt's.
Wir Haben's nicht verstanden, dem tugendreichen englischen Krämer Furcht
zu machen. Beim Himmel, wir lernen es noch. Meint Ihr, wir seien Hindus
oder Chinesen? Und ich sage Euch zum Abschiede, so lange der englische
Krämer im Löwen und Einhorn und anderswo nicht aufhören wird, uns
als Fremdlinge zu betrachten, so lange wird aller Stolz auf Eure Wappen¬
thiere Euch keine Sicherheit geben, daß nicht die Se. Paulskirche eher ge¬
brochen wird, als das alte Papstthum, denn so lange wird der wahnsinnige
Trotz der Verhöhnten an den Grundsäulen Eurer Macht nagen, wie die
Wasser der Themse an den Pfeilern der Lvndonbrücke."

Bei diesen Worten warf der Thunder seinen Stuhl zurück und verließ
zornig den Saal. Mr. Mink gab mir einen Wink, und während lauter
Streit hinter dem Abwesenden tobte, sagten wir dem Parlament Gutenacht.
"Bei alledem", sagte Mink, "werden wir mit dem Thunder und seinen Lands¬
leuten fertig. Der Thunder O'Brien gehört bereits untrennbar zum Ein¬
horn, auch er lebt nur von einer Idee, er kämpft in allen Bierparlamenten
unaufhörlich die Celten- und Sachsenschlacht von neuem durch." Als wir
herausgingen, rief uns Mr. Brettan, der Wirth, behaglich nach: "Gute
Nacht, Gentlemen. Was Neues aus der Türkei?"




die Idee, alle Musen an den Nagel zu hängen und statt ein Pfennigseribent
lieber ein reicher Mann zu werden. Und vielleicht wäre es mir geglückt,
Vielleicht hätte ich mich allmälig zu einem rechtschaffenen Butter- oder Kaffee-
und Thee-Verfälscher, wo nicht zu etwas Höherem aufgeschwungen. Ich lag
wirklich schon über den Zeitungsanzeigen, um irgendwo die unterste Sprosse
auf der Leiter der Respectabilität zu entdecken. Aber überall, wo ein künfti¬
ger Alderman in der Gestalt eines Laufburschen, Stiefelputzers oder Kellners
gesucht wurde, da — Gott segne die englische Gastfreundschaft! — hieß es
am Schluß: „No >IrisK »sea sxxiz?". (Jrländer — oder Jrländerinnen
brauchen sich nicht zu melden.) Wie aber, Gentlemen, wenn vor den Kneipen
in Westminster der Werbeossicier sein Seidentüchlein auf die Degenspitze steckt,
wenn er mit den im Zipfel eingebundenen Sovereigns klingelt und laut Pro¬
klamation „einige fixe Jungen für Ihrer Majestät Dienste" sucht, sagt er
auch: „No ^risd useä axpl^?" (Stimme: Er hat so Unrecht nicht.)" Das
läßt er bleiben, nicht wahr? Ah, Ihr seid nicht zu stolz, uns an den fernsten
Enden der Erde als lebendige Schildhalter zu brauchen, uns für Eure hei¬
ligsten Interessen, von der Krone bis zum Kattun, kämpfen zu lassen, als ob
wir leibhaftige Löwen und Einhörner wären, aber daheim, da sind wir nur
fremde Wichte, nicht wahr, nur undankbare Gnadenbrodesser, gefährliche
Nagethiere, im besten Falle Possenreißer und von den Leiden Irlands —
bah! — jedes eingebildet oder selbstverschuldet. Selbstverschuldet, da steckt's.
Wir Haben's nicht verstanden, dem tugendreichen englischen Krämer Furcht
zu machen. Beim Himmel, wir lernen es noch. Meint Ihr, wir seien Hindus
oder Chinesen? Und ich sage Euch zum Abschiede, so lange der englische
Krämer im Löwen und Einhorn und anderswo nicht aufhören wird, uns
als Fremdlinge zu betrachten, so lange wird aller Stolz auf Eure Wappen¬
thiere Euch keine Sicherheit geben, daß nicht die Se. Paulskirche eher ge¬
brochen wird, als das alte Papstthum, denn so lange wird der wahnsinnige
Trotz der Verhöhnten an den Grundsäulen Eurer Macht nagen, wie die
Wasser der Themse an den Pfeilern der Lvndonbrücke."

Bei diesen Worten warf der Thunder seinen Stuhl zurück und verließ
zornig den Saal. Mr. Mink gab mir einen Wink, und während lauter
Streit hinter dem Abwesenden tobte, sagten wir dem Parlament Gutenacht.
„Bei alledem", sagte Mink, „werden wir mit dem Thunder und seinen Lands¬
leuten fertig. Der Thunder O'Brien gehört bereits untrennbar zum Ein¬
horn, auch er lebt nur von einer Idee, er kämpft in allen Bierparlamenten
unaufhörlich die Celten- und Sachsenschlacht von neuem durch." Als wir
herausgingen, rief uns Mr. Brettan, der Wirth, behaglich nach: „Gute
Nacht, Gentlemen. Was Neues aus der Türkei?"




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/324>, abgerufen am 22.07.2024.