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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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teilen aus der Türkei, was aber nur ein Compliment ist wie "Ilov av z^s av?"
und keiner Antwort bedarf. Im Grunde hat er Recht, denn die Türken¬
geschichte wird noch lange nicht aus sein."

Den Hausflur verengte von einer Seite ein Holzgitter, hinter dem ein
Schenkzimmerchen war, von der andern eine Reihe Fässer. Auf einem der¬
selben saß Mr. Brettan. "Guten Abend, Mr. Mink," grüßte er. aufstehend;
"nichts Neues aus der Türkei? Bringen einen Freund mit. das ist recht."
Gutmüthig blinzelten die grauen Aeuglein aus dem breiten Gesicht des vier¬
schrötiger, mit einem gewölbten Unterleib begabten Mannes; er hatte richtig
einen niedlichen Säugling von Bullenbeißer auf dem Arme. Ich folgte
Mink um das Gitter herum, einige Stufen hinab in eine schwach beleuchtete
Stube mit einigen Holzbauten und Tischen; auf einem stand neben einem
Häufchen Tabaksasche ein leerer Zinnkrug. -- Soll dies der Saal sein, von
dem sie sprachen? -- Bewahre! Hier trinken blos Kohlenträger und Fuhr¬
leute. Wir betreten sogleich den geweihten Raum, sagte Mr. Mink. Und
wir treffen es gut mit dem Parlament. Der Jrländer O'Brien --
heißen viele Jrländer, aber der, den ich meine, heißt in den Bierparlamenten
Mr. Thunder O'Brien -- ist nach langer Abwesenheit plötzlich im Löwen
und Einhorn aufgetaucht, und heute soll Sitzung sein. Man wird eine
inhaltschwere Frage debattiren; nämlich: "War Mr. Macaulay*) berechtigt
von einer grauen Zukunft zu träumen, in der das Papstthum noch in altem
Glänze strahlen soll, und von einem Neuseeländer, der angeblich in der¬
selben Zukunft ans eiiH>in abgebrochenen Bogen der Londoner Brücke stehen
wird, um die Ruinen der Se. Paulskirche zu skizziren?" Das Resultat wird
in allen Räumen des Hauses mit Spannung erwartet. Natürlich! Was
hätten die Philister im alten Rom gedacht, wenn ihnen Jemand gesagt, daß
dereinst Reisende vom Norden der Zinninsel kommen würden, die Ruinen
des Forums zu schauen! London, mein lieber Junge, hat seine kleinen
Krähwinkler so gut wie einst Altrom. Ihnen ist der angedrohte Mann aus
der Brücke ein wirklicher Wilder, ein tätvwirter Menschenfresser, und
hören es gern, wenn man versichert, daß die unabwendbare Ausrottung der
Maories . Macaulay's Prophezeiung zunichte machen werde. Nun kommt
dieser Thunder O'Brien mit einer tollen Behauptung: der Neuseeländer
werde als vollkommener Gentleman erscheinen -- in schwarzem Frack un°
weißer Halsbinde, wie ich heute Abend. -- Es wird eine erregte Sitzung
werden. (Fortsetzung folgt.) Jak. Gilden. _____





Verantwortliche Redactcure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
Verlag von F. L. Herbig. -- Druck von Hüthel <K Legler in Leipzig.
') In seinem Essay über Rande's Päpste.

teilen aus der Türkei, was aber nur ein Compliment ist wie „Ilov av z^s av?"
und keiner Antwort bedarf. Im Grunde hat er Recht, denn die Türken¬
geschichte wird noch lange nicht aus sein."

Den Hausflur verengte von einer Seite ein Holzgitter, hinter dem ein
Schenkzimmerchen war, von der andern eine Reihe Fässer. Auf einem der¬
selben saß Mr. Brettan. „Guten Abend, Mr. Mink," grüßte er. aufstehend;
„nichts Neues aus der Türkei? Bringen einen Freund mit. das ist recht."
Gutmüthig blinzelten die grauen Aeuglein aus dem breiten Gesicht des vier¬
schrötiger, mit einem gewölbten Unterleib begabten Mannes; er hatte richtig
einen niedlichen Säugling von Bullenbeißer auf dem Arme. Ich folgte
Mink um das Gitter herum, einige Stufen hinab in eine schwach beleuchtete
Stube mit einigen Holzbauten und Tischen; auf einem stand neben einem
Häufchen Tabaksasche ein leerer Zinnkrug. — Soll dies der Saal sein, von
dem sie sprachen? — Bewahre! Hier trinken blos Kohlenträger und Fuhr¬
leute. Wir betreten sogleich den geweihten Raum, sagte Mr. Mink. Und
wir treffen es gut mit dem Parlament. Der Jrländer O'Brien —
heißen viele Jrländer, aber der, den ich meine, heißt in den Bierparlamenten
Mr. Thunder O'Brien — ist nach langer Abwesenheit plötzlich im Löwen
und Einhorn aufgetaucht, und heute soll Sitzung sein. Man wird eine
inhaltschwere Frage debattiren; nämlich: „War Mr. Macaulay*) berechtigt
von einer grauen Zukunft zu träumen, in der das Papstthum noch in altem
Glänze strahlen soll, und von einem Neuseeländer, der angeblich in der¬
selben Zukunft ans eiiH>in abgebrochenen Bogen der Londoner Brücke stehen
wird, um die Ruinen der Se. Paulskirche zu skizziren?" Das Resultat wird
in allen Räumen des Hauses mit Spannung erwartet. Natürlich! Was
hätten die Philister im alten Rom gedacht, wenn ihnen Jemand gesagt, daß
dereinst Reisende vom Norden der Zinninsel kommen würden, die Ruinen
des Forums zu schauen! London, mein lieber Junge, hat seine kleinen
Krähwinkler so gut wie einst Altrom. Ihnen ist der angedrohte Mann aus
der Brücke ein wirklicher Wilder, ein tätvwirter Menschenfresser, und
hören es gern, wenn man versichert, daß die unabwendbare Ausrottung der
Maories . Macaulay's Prophezeiung zunichte machen werde. Nun kommt
dieser Thunder O'Brien mit einer tollen Behauptung: der Neuseeländer
werde als vollkommener Gentleman erscheinen — in schwarzem Frack un°
weißer Halsbinde, wie ich heute Abend. — Es wird eine erregte Sitzung
werden. (Fortsetzung folgt.) Jak. Gilden. _____





Verantwortliche Redactcure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hüthel <K Legler in Leipzig.
') In seinem Essay über Rande's Päpste.
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[0288] teilen aus der Türkei, was aber nur ein Compliment ist wie „Ilov av z^s av?" und keiner Antwort bedarf. Im Grunde hat er Recht, denn die Türken¬ geschichte wird noch lange nicht aus sein." Den Hausflur verengte von einer Seite ein Holzgitter, hinter dem ein Schenkzimmerchen war, von der andern eine Reihe Fässer. Auf einem der¬ selben saß Mr. Brettan. „Guten Abend, Mr. Mink," grüßte er. aufstehend; „nichts Neues aus der Türkei? Bringen einen Freund mit. das ist recht." Gutmüthig blinzelten die grauen Aeuglein aus dem breiten Gesicht des vier¬ schrötiger, mit einem gewölbten Unterleib begabten Mannes; er hatte richtig einen niedlichen Säugling von Bullenbeißer auf dem Arme. Ich folgte Mink um das Gitter herum, einige Stufen hinab in eine schwach beleuchtete Stube mit einigen Holzbauten und Tischen; auf einem stand neben einem Häufchen Tabaksasche ein leerer Zinnkrug. — Soll dies der Saal sein, von dem sie sprachen? — Bewahre! Hier trinken blos Kohlenträger und Fuhr¬ leute. Wir betreten sogleich den geweihten Raum, sagte Mr. Mink. Und wir treffen es gut mit dem Parlament. Der Jrländer O'Brien — heißen viele Jrländer, aber der, den ich meine, heißt in den Bierparlamenten Mr. Thunder O'Brien — ist nach langer Abwesenheit plötzlich im Löwen und Einhorn aufgetaucht, und heute soll Sitzung sein. Man wird eine inhaltschwere Frage debattiren; nämlich: „War Mr. Macaulay*) berechtigt von einer grauen Zukunft zu träumen, in der das Papstthum noch in altem Glänze strahlen soll, und von einem Neuseeländer, der angeblich in der¬ selben Zukunft ans eiiH>in abgebrochenen Bogen der Londoner Brücke stehen wird, um die Ruinen der Se. Paulskirche zu skizziren?" Das Resultat wird in allen Räumen des Hauses mit Spannung erwartet. Natürlich! Was hätten die Philister im alten Rom gedacht, wenn ihnen Jemand gesagt, daß dereinst Reisende vom Norden der Zinninsel kommen würden, die Ruinen des Forums zu schauen! London, mein lieber Junge, hat seine kleinen Krähwinkler so gut wie einst Altrom. Ihnen ist der angedrohte Mann aus der Brücke ein wirklicher Wilder, ein tätvwirter Menschenfresser, und hören es gern, wenn man versichert, daß die unabwendbare Ausrottung der Maories . Macaulay's Prophezeiung zunichte machen werde. Nun kommt dieser Thunder O'Brien mit einer tollen Behauptung: der Neuseeländer werde als vollkommener Gentleman erscheinen — in schwarzem Frack un° weißer Halsbinde, wie ich heute Abend. — Es wird eine erregte Sitzung werden. (Fortsetzung folgt.) Jak. Gilden. _____ Verantwortliche Redactcure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt. Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hüthel <K Legler in Leipzig. ') In seinem Essay über Rande's Päpste.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/288>, abgerufen am 03.07.2024.