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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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,,5us<zu' g. Ja M6i" der freien Rheinschifffahrt; er wollte seinen Kriegshafen
lieber zu Lande erreichen, als auf einem der großen Lloyddawpser, von einer
ganzen Dampferflotte umgeben, von der Wesermündung in die Jade stechen.
Das klägliche Schicksal, welches am Tage der Einweihung von Wilhelms¬
hafen einige von Bremerhaven herübergekommene Passagierdampfer hatten,
mag ihm darin Recht gegeben haben, wiewohl das breite Deck eines trans¬
atlantischen Postdampsers die Seekrankheit länger fernhält. Auch von den An¬
stalten zur Rettung Schiffbrüchiger, von denen das interessante amerika¬
nische Rettungsfloß zur Hand gewesen wäre, oder von den neuen Geräthen
der Fischerei Notiz zu nehmen, behielt der König keine Zeit. Dagegen
tafelte er an Bord des Lloyddampfers "Deutschland", dessen Einrichtungen
er sich von dem Verwaltungsrathsbesitzer H. H. Meier erklären ließ. Dann
aber begab er sich zu den segelfertig vor der Hafenschleuse liegenden Schiffen
der Nordpolarexpedition, "Germania" und "Hansa", vernahm eine patriotische
Ansprache des Herrn A. G. Mosle, besah das erstgenannte Schiff mir mili-
tairischer Genauigkeit, schüttelte Capitain Koldewey glückliche Fahrt wünschend
die Hand und sah die Schiffe auf die Rhede hinausgehen. Wenn die Nord-
polfahrt weiter nichts leistet, so hat sie doch den mächtigsten Mann in
Deutschland zum ersten Male recht ernstlich für ein nautisches Unternehmen
interessirt. Der zweitmächtigste Mann, Graf Bismarck, erklärte sogar, gern
mitgefahren zu sein, wenn er nicht Frau und Kinder zu Hause hätte.

Die bedeutungsvolle Feier vom 17. Juni zu Heppens. das in Wilhelms¬
hafen umgetauft ward, hatte ihren Höhepunkt in dem Besuch, welchen der
König sammt seinen Begleitern auf der Schraubenfregatte "Minotaur", dem
Admiralschiff der englischen Canalflotte, abstattete. Die britische Regierung
hatte es zur Bewillkommnung des preußischen Monarchen an den Nordseestrand
herübergeschickt; soweit sind wir heutigen Tages entfernt von jenen mehr
als spöttischen Seitenblicken, welche Englands Staatsmänner einst auf unsere
nationalen Flottenbestrebungen warfen. Der König hatte die beiden Bremer
Bürgermeister sowie den Consul H. H. Meier eingeladen, in Heppens mitzuer-
scheinen, und Niemandem wahrlich mochte man es lieber gönnen, als dem ehe¬
maligen Reichsmarineminister Duckwitz, daß er Zeuge der glänzenden Genug¬
thuung war, welche so Deutschlands Streben nach Seegeltung von der meer¬
beherrschenden stolzen Britannia zu Theil wurde. Die betheiligten preußi¬
schen Beamten, voran der Minister v. Roon, ernteten an jenem Tage den
Lohn ihr"er Sündhaftigkeit. Wie oft ist prophezeit oder ernstlich anempfoh¬
len worden, den Bau bei Heppens als hoffnungslos aufzugeben! Nach den
Erfolgen von 1866 glaubten sanguinische Ostfriesen schon die Knock bei
Emden des Jadebusens Erbschaft antreten zu sehen. In Berlin hat man


,,5us<zu' g. Ja M6i" der freien Rheinschifffahrt; er wollte seinen Kriegshafen
lieber zu Lande erreichen, als auf einem der großen Lloyddawpser, von einer
ganzen Dampferflotte umgeben, von der Wesermündung in die Jade stechen.
Das klägliche Schicksal, welches am Tage der Einweihung von Wilhelms¬
hafen einige von Bremerhaven herübergekommene Passagierdampfer hatten,
mag ihm darin Recht gegeben haben, wiewohl das breite Deck eines trans¬
atlantischen Postdampsers die Seekrankheit länger fernhält. Auch von den An¬
stalten zur Rettung Schiffbrüchiger, von denen das interessante amerika¬
nische Rettungsfloß zur Hand gewesen wäre, oder von den neuen Geräthen
der Fischerei Notiz zu nehmen, behielt der König keine Zeit. Dagegen
tafelte er an Bord des Lloyddampfers „Deutschland", dessen Einrichtungen
er sich von dem Verwaltungsrathsbesitzer H. H. Meier erklären ließ. Dann
aber begab er sich zu den segelfertig vor der Hafenschleuse liegenden Schiffen
der Nordpolarexpedition, „Germania" und „Hansa", vernahm eine patriotische
Ansprache des Herrn A. G. Mosle, besah das erstgenannte Schiff mir mili-
tairischer Genauigkeit, schüttelte Capitain Koldewey glückliche Fahrt wünschend
die Hand und sah die Schiffe auf die Rhede hinausgehen. Wenn die Nord-
polfahrt weiter nichts leistet, so hat sie doch den mächtigsten Mann in
Deutschland zum ersten Male recht ernstlich für ein nautisches Unternehmen
interessirt. Der zweitmächtigste Mann, Graf Bismarck, erklärte sogar, gern
mitgefahren zu sein, wenn er nicht Frau und Kinder zu Hause hätte.

Die bedeutungsvolle Feier vom 17. Juni zu Heppens. das in Wilhelms¬
hafen umgetauft ward, hatte ihren Höhepunkt in dem Besuch, welchen der
König sammt seinen Begleitern auf der Schraubenfregatte „Minotaur", dem
Admiralschiff der englischen Canalflotte, abstattete. Die britische Regierung
hatte es zur Bewillkommnung des preußischen Monarchen an den Nordseestrand
herübergeschickt; soweit sind wir heutigen Tages entfernt von jenen mehr
als spöttischen Seitenblicken, welche Englands Staatsmänner einst auf unsere
nationalen Flottenbestrebungen warfen. Der König hatte die beiden Bremer
Bürgermeister sowie den Consul H. H. Meier eingeladen, in Heppens mitzuer-
scheinen, und Niemandem wahrlich mochte man es lieber gönnen, als dem ehe¬
maligen Reichsmarineminister Duckwitz, daß er Zeuge der glänzenden Genug¬
thuung war, welche so Deutschlands Streben nach Seegeltung von der meer¬
beherrschenden stolzen Britannia zu Theil wurde. Die betheiligten preußi¬
schen Beamten, voran der Minister v. Roon, ernteten an jenem Tage den
Lohn ihr"er Sündhaftigkeit. Wie oft ist prophezeit oder ernstlich anempfoh¬
len worden, den Bau bei Heppens als hoffnungslos aufzugeben! Nach den
Erfolgen von 1866 glaubten sanguinische Ostfriesen schon die Knock bei
Emden des Jadebusens Erbschaft antreten zu sehen. In Berlin hat man


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/20>, abgerufen am 22.07.2024.