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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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einen gewissen Procentsatz, (gewöhnlich ein Zehntel vom Werth) der von der
Bevölkerung gelieferten Producte. Endlich errichtete sie aus den Familien der
Häuptlinge eine Art inländischer Polizei.

Auf diese Weise wurden die vornehmen Javanen von der Regierung
gegen das Volk gewonnen. Ja es wurde durch dieses System der Druck ver¬
mehrt, denn im Interesse dieser Beamten lag es, so viel Erzeugnisse als mög¬
lich pflanzen zu lassen.

Die Verwaltung Java's war auf diese Weise keine Regierung, deren
Aufgabe es ist, Recht und Gerechtigkeit zu üben, sondern eine interessirte
Partei, welche dem Volke gegenüberstand und Richter in eigener Sache war.

Nach altherkömmlichen Brauch (Adad) war die Bevölkerung Java's fer¬
ner verpflichtet, für ihre Häuptlinge einen von sieben Tagen zu arbeiten. Es
war dieses eine.Form der Besteuerung, die unter dem Namen von Herren¬
diensten seit unvordenklichen Zeiten bestand. Nun machte die Regierung zur
Erhaltung und Errichtung ihrer öffentlichen Gebäude, Wege, Brücken u. s. w.
auch noch Anspruch auf Herrendienste, die sie zuweilen bezahlte, meistens aber
nicht*). Auch die europäischen Beamten maßten sich ein solches Recht an,
so daß häufig die Zahl der Tage, an welchen der Javane ohne Lohn arbei¬
ten mußte, auf ISO jährlich stieg. Zu diesen kamen dann noch die Tage, an
denen er, wie erwähnt, für einen kaum nennenswerthen Lohn zu arbeiten
hatte.

An Klagen über die Folgen dieses Zustandes hat es nicht gefehlt.
Schon im Jahre 1844, also 14 Jahre nach der Einführung des "Cultur¬
systems" schrieb der "Direktor der Culturen" G, L. Band dem General¬
gouvemeur, es sei soweit gekommen, daß der Bauer häufig seinen zur Nah¬
rung bestimmten Reis verkaufen müsse, um seine Steuern zu bezahlen, wäh¬
rend er seinen Hunger mit Waldwurzeln stille. Derselbe Band schrieb im
Jahre 1847 dem Könige: "Wären nicht überall die directen und indirecten Vor¬
theile des Mutterlandes die allein berücksichtigten Hauptmomente, so müßte
die Erkenntniß der Schwierigkeiten, die mit der Jndigocultur verbunden sind,
und deren Einfluß auf die entsetzliche Vertheuerung der Reispreise, noth¬
wendigerweise den Entschluß hervorrufen, diese Cultur ganz aufzugeben." Aber
anstatt auf diese Mahnungen zu achten, ging man auf dem eingeschlagenen
Wege weiter fort; der Golddurst des Mutterlandes war nicht zu löschen, bis
eine allgemeine Hungersnoth in den Jahren 1846 bis 1831 eintrat und in
ihrer Begleitung der epidemische Typhus. Es war kein Mißwachs gewesen,
da die Ernten den mittleren Ertrag überschritten hatten, und doch waren zahl-



') Zu den unbezahlten Herrendiensten gehören: Personen - und Briespostdienst, Gefängniß,
und Nachtwächterdienst. .Dazu kam noch, daß diese Dienste häufig in einer Entfernung von
zwanzig Stunden geleistet werden mußten.

einen gewissen Procentsatz, (gewöhnlich ein Zehntel vom Werth) der von der
Bevölkerung gelieferten Producte. Endlich errichtete sie aus den Familien der
Häuptlinge eine Art inländischer Polizei.

Auf diese Weise wurden die vornehmen Javanen von der Regierung
gegen das Volk gewonnen. Ja es wurde durch dieses System der Druck ver¬
mehrt, denn im Interesse dieser Beamten lag es, so viel Erzeugnisse als mög¬
lich pflanzen zu lassen.

Die Verwaltung Java's war auf diese Weise keine Regierung, deren
Aufgabe es ist, Recht und Gerechtigkeit zu üben, sondern eine interessirte
Partei, welche dem Volke gegenüberstand und Richter in eigener Sache war.

Nach altherkömmlichen Brauch (Adad) war die Bevölkerung Java's fer¬
ner verpflichtet, für ihre Häuptlinge einen von sieben Tagen zu arbeiten. Es
war dieses eine.Form der Besteuerung, die unter dem Namen von Herren¬
diensten seit unvordenklichen Zeiten bestand. Nun machte die Regierung zur
Erhaltung und Errichtung ihrer öffentlichen Gebäude, Wege, Brücken u. s. w.
auch noch Anspruch auf Herrendienste, die sie zuweilen bezahlte, meistens aber
nicht*). Auch die europäischen Beamten maßten sich ein solches Recht an,
so daß häufig die Zahl der Tage, an welchen der Javane ohne Lohn arbei¬
ten mußte, auf ISO jährlich stieg. Zu diesen kamen dann noch die Tage, an
denen er, wie erwähnt, für einen kaum nennenswerthen Lohn zu arbeiten
hatte.

An Klagen über die Folgen dieses Zustandes hat es nicht gefehlt.
Schon im Jahre 1844, also 14 Jahre nach der Einführung des „Cultur¬
systems" schrieb der „Direktor der Culturen" G, L. Band dem General¬
gouvemeur, es sei soweit gekommen, daß der Bauer häufig seinen zur Nah¬
rung bestimmten Reis verkaufen müsse, um seine Steuern zu bezahlen, wäh¬
rend er seinen Hunger mit Waldwurzeln stille. Derselbe Band schrieb im
Jahre 1847 dem Könige: „Wären nicht überall die directen und indirecten Vor¬
theile des Mutterlandes die allein berücksichtigten Hauptmomente, so müßte
die Erkenntniß der Schwierigkeiten, die mit der Jndigocultur verbunden sind,
und deren Einfluß auf die entsetzliche Vertheuerung der Reispreise, noth¬
wendigerweise den Entschluß hervorrufen, diese Cultur ganz aufzugeben." Aber
anstatt auf diese Mahnungen zu achten, ging man auf dem eingeschlagenen
Wege weiter fort; der Golddurst des Mutterlandes war nicht zu löschen, bis
eine allgemeine Hungersnoth in den Jahren 1846 bis 1831 eintrat und in
ihrer Begleitung der epidemische Typhus. Es war kein Mißwachs gewesen,
da die Ernten den mittleren Ertrag überschritten hatten, und doch waren zahl-



') Zu den unbezahlten Herrendiensten gehören: Personen - und Briespostdienst, Gefängniß,
und Nachtwächterdienst. .Dazu kam noch, daß diese Dienste häufig in einer Entfernung von
zwanzig Stunden geleistet werden mußten.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/110>, abgerufen am 25.08.2024.