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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Wäre dies eine Kleinigkeit, wie könnte darin ein so wichtiger Vorschub für
die Entwickelung unserer nationalen Seemacht gefunden werden?

Die Seeleute von der Elbe und Weser mußten, als der neue Fischerei¬
betrieb sie in seinen Dienst zog, zweierlei auf einmal lernen: eine neue
Technik, die Handhabung des Grundnetzes und eine neue Löhnungsart, die
durch Antheile am Erlös des Fanges. Das Grundnetz erfolgreich zu hand¬
haben, ist kein Kinderspiel; es erheischt mehr beständige Geistesanspannung
als aller Dienst auf einem Kauffahrteischiff. Denn außerdem, daß das Schiff
gelenkt uyd der Cours gefunden sein will in jeglichem Wetter, erfordert eine
zweite große Sorge, die Füllung des Fischraums, stete und eifrige Aufmerk¬
samkeit. Durch das Loth muß ein Grund aufgesucht werden, der weder zu
flach noch zu tief, auch seiner Beschaffenheit nach Fische in Menge zu tragen
geeignet ist; dann geht das Netz hinab, um ein halb Dutzend Stunden in
richtiger Stellung zum Schiff erhalten, und sobald es voll, an Bord herauf¬
gewunden zu werden. Je rascher man es hiernach aber leert und wieder
auswirft, desto besser, denn desto eher ist der Raum gefüllt und desto frischer
können alle Fische zum Hafen gebracht werden.

Zu den hiermit bezeichneten Ansprüchen an das technische Geschick der
Mannschaft kam die im Matrosenleben gänzlich neue Löhnungsart, welche dazu
dienen soll, ihr die nöthige Hingebung an ihre Aufgabe einzuflößen. Auf
der Stelle durchführen ließ der Antheillohn sich nicht, weil der Mangel tech¬
nischen Geschicks ven darin liegenden Reiz zunächst noch seiner Wirksamkeit
beraubte. Und wiederum, weil dieser Reiz nicht sofort in Wirksamkeit ge¬
setzt werden konnte, eignete die Mannschaft sich das wünschenswerthe Maß
technischen Geschicks langsamer an, als sonst wohl der Fall gewesen sein würde.
So hält der eine Fortschritt ursprünglich den anderen geradezu auf, anstatt
ihm in die Hände zu arbeiten. Erst mit der Zeit, mit viel Geduld und nach
Ueberwindung mehrerer Uebergangsstufen ließ sich diese Doppelschwierigkeit
überwinden. In der Zwischenzeit arbeiteten die beiden Gesellschaften natür¬
lich mit bedeutendem Verlust: ihr ganzer Apparat war da und verlangte,
unterhalten zu werden, während der erwerbende Bestandtheil nur erst sehr
nothdürftig im Gange war.

Aus diesen Gründen erklärt es sich, daß sowohl die Hamburger wie die
Bremer Gesellschaft im Jahre 1868 15--20,000 Thaler zugesetzt, und jede
derselben wol schon mehr als ein Viertel ihres Gründungscapitals -- 130.000
Thaler in Bremen, 160.000 Thaler in Hamburg -- eingebüßt hat. Allein
der Gipfel des Berges scheint nun erklommen: die Antheilfischerei ist durch¬
geführt auf den 16 Bremer Kuttern, wie auf den 13 Smacks, welche der
Hamburger Gesellschaft nach zwei kürzlich, erlittenen Verlusten übriggeblieben
sind. An dem endlichen durchschlagenden Erfolg läßt einerseits das Beispiel


Grenzbote" II. 1869. 10

Wäre dies eine Kleinigkeit, wie könnte darin ein so wichtiger Vorschub für
die Entwickelung unserer nationalen Seemacht gefunden werden?

Die Seeleute von der Elbe und Weser mußten, als der neue Fischerei¬
betrieb sie in seinen Dienst zog, zweierlei auf einmal lernen: eine neue
Technik, die Handhabung des Grundnetzes und eine neue Löhnungsart, die
durch Antheile am Erlös des Fanges. Das Grundnetz erfolgreich zu hand¬
haben, ist kein Kinderspiel; es erheischt mehr beständige Geistesanspannung
als aller Dienst auf einem Kauffahrteischiff. Denn außerdem, daß das Schiff
gelenkt uyd der Cours gefunden sein will in jeglichem Wetter, erfordert eine
zweite große Sorge, die Füllung des Fischraums, stete und eifrige Aufmerk¬
samkeit. Durch das Loth muß ein Grund aufgesucht werden, der weder zu
flach noch zu tief, auch seiner Beschaffenheit nach Fische in Menge zu tragen
geeignet ist; dann geht das Netz hinab, um ein halb Dutzend Stunden in
richtiger Stellung zum Schiff erhalten, und sobald es voll, an Bord herauf¬
gewunden zu werden. Je rascher man es hiernach aber leert und wieder
auswirft, desto besser, denn desto eher ist der Raum gefüllt und desto frischer
können alle Fische zum Hafen gebracht werden.

Zu den hiermit bezeichneten Ansprüchen an das technische Geschick der
Mannschaft kam die im Matrosenleben gänzlich neue Löhnungsart, welche dazu
dienen soll, ihr die nöthige Hingebung an ihre Aufgabe einzuflößen. Auf
der Stelle durchführen ließ der Antheillohn sich nicht, weil der Mangel tech¬
nischen Geschicks ven darin liegenden Reiz zunächst noch seiner Wirksamkeit
beraubte. Und wiederum, weil dieser Reiz nicht sofort in Wirksamkeit ge¬
setzt werden konnte, eignete die Mannschaft sich das wünschenswerthe Maß
technischen Geschicks langsamer an, als sonst wohl der Fall gewesen sein würde.
So hält der eine Fortschritt ursprünglich den anderen geradezu auf, anstatt
ihm in die Hände zu arbeiten. Erst mit der Zeit, mit viel Geduld und nach
Ueberwindung mehrerer Uebergangsstufen ließ sich diese Doppelschwierigkeit
überwinden. In der Zwischenzeit arbeiteten die beiden Gesellschaften natür¬
lich mit bedeutendem Verlust: ihr ganzer Apparat war da und verlangte,
unterhalten zu werden, während der erwerbende Bestandtheil nur erst sehr
nothdürftig im Gange war.

Aus diesen Gründen erklärt es sich, daß sowohl die Hamburger wie die
Bremer Gesellschaft im Jahre 1868 15—20,000 Thaler zugesetzt, und jede
derselben wol schon mehr als ein Viertel ihres Gründungscapitals — 130.000
Thaler in Bremen, 160.000 Thaler in Hamburg — eingebüßt hat. Allein
der Gipfel des Berges scheint nun erklommen: die Antheilfischerei ist durch¬
geführt auf den 16 Bremer Kuttern, wie auf den 13 Smacks, welche der
Hamburger Gesellschaft nach zwei kürzlich, erlittenen Verlusten übriggeblieben
sind. An dem endlichen durchschlagenden Erfolg läßt einerseits das Beispiel


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[0081] Wäre dies eine Kleinigkeit, wie könnte darin ein so wichtiger Vorschub für die Entwickelung unserer nationalen Seemacht gefunden werden? Die Seeleute von der Elbe und Weser mußten, als der neue Fischerei¬ betrieb sie in seinen Dienst zog, zweierlei auf einmal lernen: eine neue Technik, die Handhabung des Grundnetzes und eine neue Löhnungsart, die durch Antheile am Erlös des Fanges. Das Grundnetz erfolgreich zu hand¬ haben, ist kein Kinderspiel; es erheischt mehr beständige Geistesanspannung als aller Dienst auf einem Kauffahrteischiff. Denn außerdem, daß das Schiff gelenkt uyd der Cours gefunden sein will in jeglichem Wetter, erfordert eine zweite große Sorge, die Füllung des Fischraums, stete und eifrige Aufmerk¬ samkeit. Durch das Loth muß ein Grund aufgesucht werden, der weder zu flach noch zu tief, auch seiner Beschaffenheit nach Fische in Menge zu tragen geeignet ist; dann geht das Netz hinab, um ein halb Dutzend Stunden in richtiger Stellung zum Schiff erhalten, und sobald es voll, an Bord herauf¬ gewunden zu werden. Je rascher man es hiernach aber leert und wieder auswirft, desto besser, denn desto eher ist der Raum gefüllt und desto frischer können alle Fische zum Hafen gebracht werden. Zu den hiermit bezeichneten Ansprüchen an das technische Geschick der Mannschaft kam die im Matrosenleben gänzlich neue Löhnungsart, welche dazu dienen soll, ihr die nöthige Hingebung an ihre Aufgabe einzuflößen. Auf der Stelle durchführen ließ der Antheillohn sich nicht, weil der Mangel tech¬ nischen Geschicks ven darin liegenden Reiz zunächst noch seiner Wirksamkeit beraubte. Und wiederum, weil dieser Reiz nicht sofort in Wirksamkeit ge¬ setzt werden konnte, eignete die Mannschaft sich das wünschenswerthe Maß technischen Geschicks langsamer an, als sonst wohl der Fall gewesen sein würde. So hält der eine Fortschritt ursprünglich den anderen geradezu auf, anstatt ihm in die Hände zu arbeiten. Erst mit der Zeit, mit viel Geduld und nach Ueberwindung mehrerer Uebergangsstufen ließ sich diese Doppelschwierigkeit überwinden. In der Zwischenzeit arbeiteten die beiden Gesellschaften natür¬ lich mit bedeutendem Verlust: ihr ganzer Apparat war da und verlangte, unterhalten zu werden, während der erwerbende Bestandtheil nur erst sehr nothdürftig im Gange war. Aus diesen Gründen erklärt es sich, daß sowohl die Hamburger wie die Bremer Gesellschaft im Jahre 1868 15—20,000 Thaler zugesetzt, und jede derselben wol schon mehr als ein Viertel ihres Gründungscapitals — 130.000 Thaler in Bremen, 160.000 Thaler in Hamburg — eingebüßt hat. Allein der Gipfel des Berges scheint nun erklommen: die Antheilfischerei ist durch¬ geführt auf den 16 Bremer Kuttern, wie auf den 13 Smacks, welche der Hamburger Gesellschaft nach zwei kürzlich, erlittenen Verlusten übriggeblieben sind. An dem endlichen durchschlagenden Erfolg läßt einerseits das Beispiel Grenzbote» II. 1869. 10

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/81>, abgerufen am 04.07.2024.